Schauspieler Johnny Depp
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Geschworene am Zug

Countdown im Fall Depp gegen Heard

Die Hollywood-Stars Johnny Depp und Amber Heard haben sich wochenlang vor einem US-Gericht öffentlich eine Schlammschlacht geliefert. Es ging um Gewalt und Missbrauch – nun läuft der Countdown in dem erbittert geführten Verleumdungsprozess. Sieben Geschworene nahmen die Beratungen auf, ihr Urteil wird mit Spannung erwartet.

In den Abschlussplädoyers versuchten die Verteidiger beider Seiten am Freitag vor Gericht im Bezirk Fairfax in Virginia noch einmal mit eindringlichen Appellen, die sieben Mitglieder der Jury auf ihre Seite zu ziehen. Depps Verteidigung warf Heard Lügen und falsche Anschuldigungen vor, Heards Verteidigung forderte Depp auf, Verantwortung zu übernehmen.

„Er hat jedem auf der Welt die Schuld zugeschoben: seinem Agenten, seinem Manager, seinem Anwalt, Amber, seinen Freunden“, sagte Heards Verteidigerin Elaine Bredehoft bei dem wie stets live übertragenen Prozess über Depp. „Noch nie hat er für irgendetwas in seinem Leben Verantwortung übernommen. Aber wir fordern Sie dazu auf, ihn dazu zu zwingen, Verantwortung zu übernehmen.“

Schlussplädoyers im Depp-Heard-Prozess

Der Verleumdungsprozess zwischen Hollywood-Star Johnny Depp und seiner Ex-Frau Amber Heard ist mit den Schlussplädoyers der Anwälte beider Seiten in die Schlussphase eingetreten.

Schlussplädoyers mit schweren Vorwürfen

Es gebe „überwältigende Beweise für Missbrauch“, sagte Heards Verteidiger Benjamin Rottenborn. „Herr Depp kann einfach nicht beweisen, dass er Amber nicht mindestens einmal missbraucht hat.“ Ein Urteil gegen Heard sei zudem eine niederschmetternde Botschaft für Missbrauchsopfer auf der ganzen Welt, sagte Rottenborn – „dass, egal was man als Missbrauchsopfer macht, man immer noch mehr machen muss“.

Schauspielerin Amber Heard umarmt ihre Anwältin Elaine Bredehoft
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Heard umarmt ihre Anwältin Elaine Bredehoft

Depps Verteidigung wies die Vorwürfe strikt zurück. Depp sei nicht der Täter, sondern das Opfer in diesem Fall. Heard habe vor Gericht genau das erzählt, was die Jury ihrer Meinung nach hören musste, um Depp als „Missbrauchstäter und Vergewaltiger“ zu verurteilen, sagte Depps Verteidigerin Camille Vasquez. „Sie will, dass Sie glauben, dass sie während ihrer Beziehung unzählige Male missbraucht wurde.“

Dafür gebe es aber keine Beweise, sagte Vasquez weiter. „Was wir haben, ist ein Berg unbewiesener Anschuldigungen, die wild, übertrieben und unglaubwürdig sind.“ Vasquez bat die Jury eindringlich, sich auf die Seite von Depp zu schlagen. „Es geht hier um den guten Namen eines Mannes. Und mehr noch: Es geht um das Leben dieses Mannes, das Leben, das er verloren hat, als er eines furchtbaren Verbrechens angeschuldigt wurde.“

Camille Vasquez (Anwältin von Johnny Depp)
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Depps Anwältin Camille Vasquez

Hunderte Schaulustige vor dem Gericht

Sechs Wochen lang spielten sich die gleichen Szenen vor dem Gericht ab: Hunderte Fans säumten die Straße, lauter Jubel brach aus, wenn Depp vor dem Gericht vorfuhr. Strahlend winkte der „Fluch der Karibik“-Star seinen Anhängern aus dem dunklen SUV zu. Deutlich weniger Fans feuerten hingegen die „Aquaman“-Schauspielerin Heard auf ihrem Weg ins Gericht an.

Die Schlammschlacht vor den Augen der Geschworenen wurde von Gerichtskameras übertragen. Schaulustige stellen sich schon nachts an, um einen der hundert begehrten Zuschauerplätze im Gerichtssaal zu ergattern. Im Gerichtssaal saßen die Ex-Eheleute nur wenigen Meter voneinander entfernt.

Schaulustige und Fans von Johnny Depp vor dem Gerichtsgebäude in Fairfax (US-Bundesstaat Virginia)
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Hunderte Schaulustige versammeln sich seit Wochen vor dem Gericht

Aussage gegen Aussage

Am Donnerstag sagte Heard, der Prozess habe ihr unzählige Gemeinheiten eingebracht. „Ich werde jeden einzelnen Tag belästigt, gedemütigt und bedroht, alleine schon wenn ich in diesen Gerichtssaal laufe.“ Sie bekomme „regelmäßig Hunderte Morddrohungen, quasi täglich. Tausende, seit dieser Prozess begonnen hat. Die Menschen machen sich lustig über meine Aussagen, dass ich missbraucht worden bin.“

Depp habe ihr einst gesagt, dass, wenn sie ihn verlasse, er dafür sorgen werde, dass sie jeden Tag ihres Lebens an ihn denken werde, sagte Heard aus. „Johnny hat genug von meiner Stimme und dem Recht, meine Geschichte zu erzählen, genommen. Ich habe das Recht zu erzählen, was passiert ist.“

Depp hatte sich am Mittwoch noch einmal gegen Heards Anschuldigungen gewehrt. Es sei „wahnwitzig“, diese anzuhören. Während der Befragung durch sein Anwaltsteam beschrieb der Schauspieler die Vorwürfe unter anderem als „schrecklich“, „lächerlich“, „unglaublich brutal“, „grausam“, „demütigend“ und „völlig falsch“. Er habe „niemals“ körperliche Gewalt angewendet, versicherte Depp.

Zum Auftakt seiner Aussage im April hatte Depp eingeräumt, dass es in ihrer Beziehung oft zu Streit gekommen sei. „Aber niemals bin ich an den Punkt gekommen, Miss Heard auf irgendeine Weise zu schlagen, noch habe ich jemals in meinem Leben eine Frau geschlagen“, sagte er unter Eid. Vielmehr habe die Schauspielerin ein „Bedürfnis nach Gewalt“ gehabt und ihn angegriffen.

Abgetrennte Fingerkuppe und Fäkalien im Bett

Auch Heard ging im Laufe des Prozesses mit Depp hart ins Gericht. Teils unter Tränen beschrieb sie angebliche Vorfälle, in denen sie Opfer seiner Wutausbrüche und Angriffe geworden sei. Ihrer Aussage nach wurde Depp, vor allem im Rausch, häufig handgreiflich. Der Mann, den sie liebte, sei durch seine Sucht zum „Monster“ geworden.

Die Schauspielerin beschrieb verbale Attacken, in denen Depp angeblich damit gedroht habe, er könne sie umbringen. Er habe sie als „Hure“ beschimpft und ihr grundlos vorgehalten, sie würde ihn betrügen. Es sei auch zu sexueller Gewalt gekommen. Heards Anwälte zeigten Fotos von der Schauspielerin, etwa mit einem blauen Fleck am Oberarm.

Den Zuschauern im Gericht blieb nichts erspart. Die Anwälte beider Seiten fuhren schweres Geschütz auf: schockierende Handyvideos mit übelsten Beschimpfungen, Schilderungen von Alkohol- und Drogenexzessen, es ging um eine abgetrennte Fingerkuppe, sexuellen Missbrauch mit einer Flasche und um Fäkalien im Bett.

Moss und Barkin im Zeugenstand

Dutzende Zeugen kamen in dem Prozess zu Wort, Assistenten der Schauspieler, Psychologen, Polizisten, Finanzberater und Filmexperten. Auch Promis sagten aus. Nur wenige Minuten dauerte am Mittwoch der Auftritt des Supermodels Kate Moss, einer Ex-Freundin von Depp. Die 48-jährige Britin, per Video aus England ins Gericht zugeschaltet, nahm Depp in Schutz. „Er hat mich nie gestoßen, getreten oder eine Treppe runtergeworfen“, sagte Moss. Damit trat sie einer Aussage von Heard entgegen, die einen angeblichen Angriff von Depp auf Moss angesprochen hatte.

Schauspielerin Ellen Barkin, die 1994 mit Depp befreundet war, hatte für Heard Partei ergriffen. In einer aufgezeichneten Videoaussage beschrieb sie Wutausbrüche, kontrollierendes Verhalten und häufigen Drogenkonsum des Schauspielers. Auf der langen Zeugenliste der Verteidiger standen auch Tesla-Chef Elon Musk, ein Ex-Freund von Heard, und der Schauspielkollege James Franco – doch keiner der beiden sagte am Ende aus.

Hollywood-Stars Johnny Depp und Amber Heard
Reuters/Paul Hackett
Foto aus glücklicheren Tagen: Depp und Heard posieren bei der Europapremiere von „The Rum Diary“ 2011 in London

Depp und Heard hatten sich 2009 bei den Dreharbeiten zu dem gemeinsamen Film „The Rum Diary“ kennengelernt. Ihre Romanze begann 2011 auf einer Werbetour für den Film, nach Depps Trennung von seiner langjährigen Partnerin, der französischen Schauspielerin Vanessa Paradis, mit der er zwei Kinder hat. 2015 heirateten Depp und Heard, doch nach nur 15 Monaten Ehe reichte die Schauspielerin die Scheidung ein, nach Vorwürfen von häuslicher Gewalt.

Gegenklage über 100 Millionen Dollar

In seiner Zivilklage hält Depp der Schauspielerin vor, in einem 2018 von der „Washington Post“ veröffentlichten Kommentar zum Thema häusliche Gewalt falsche Aussagen gemacht zu haben. Das habe seinem Ruf und seiner Karriere geschadet. Wegen Verleumdung klagt er auf rund 50 Millionen Dollar (gut 46 Millionen Euro) Schadenersatz. Heard pocht in einer Gegenklage auf 100 Millionen Dollar. Sie macht geltend, dass Depps Ex-Anwalt Adam Waldman mit einer Schmutzkampagne ihrem Ansehen geschadet habe.

Vor zwei Jahren hatte Depp in London mit einer Klage gegen die Boulevardzeitung „Sun“ eine Niederlage einstecken müssen. Es ging um einen Artikel, in dem behauptet wurde, Depp habe als Frauenschläger („wife beater“) Heard körperlich misshandelt. Nach einem Prozess mit heftigen Vorwürfen wies der High Court die Klage am Ende ab. Die Mehrheit der in der Zeitung erwähnten Vorwürfe habe sich als wahr erwiesen, stellten die Richter in ihrem Urteil fest.

Von der Wahrheit „besessen“

Er sei davon „besessen“, die Wahrheit ans Licht zu bringen und seinen Namen reinzuwaschen, sagte Depp zum Auftakt des laufenden US-Verfahrens. Dieser Prozess sei niemandem leicht gefallen, sinnierte der Schauspieler am Mittwoch im Zeugenstand. „Aber ganz gleich, was passiert, ich bin hierhergekommen und ich habe die Wahrheit gesagt“.

Nun haben die sieben Geschworene das letzte Wort. Ein Urteil könnte jederzeit fallen. Das Gremium tagt jedoch nur an Wochentagen. Wegen eines Feiertags am Montag stehen weitere Beratungen kommende Woche erst wieder am Dienstag an.