Polizisten vor der Uvalde High School in Texas
Reuters/Veronica Cardenas
Schwere Vorwürfe

Polizeieinsatz bei Schulmassaker wird untersucht

Nach dem brutalen Massaker an einer Schule im US-Bundesstaat Texas mit 21 Toten steht die Polizei wegen dramatischer Versäumnisse schwer unter Druck. Offiziellen Angaben zufolge waren bereits zu einem frühen Zeitpunkt 19 Polizisten vor dem Klassenraum, in dem sich der Täter mit Lehrern und Schülern verschanzt hatte – unternahmen aber nichts. Nun will das US-Justizministerium den Einsatz genauer untersuchen. US-Präsident Joe Biden besuchte am Sonntag die Gemeinde Uvalde, in der die Trauer zunehmend in Wut umschlägt.

Ein 18 Jahre alter Schütze hatte am Dienstag an der Volksschule in der texanischen Kleinstadt 19 Kinder und zwei Lehrerinnen getötet. Der Angreifer hatte sich mit Schülern und Lehrern in zwei miteinander verbundenen Klassenräumen eingeschlossen und dort um sich geschossen.

Biden reiste am Sonntag gemeinsam mit seiner Ehefrau Jill nach Uvalde. Vor der Grundschule legten der Präsident und die First Lady einen Blumenstrauß nieder – an einer improvisierten Gedenkstätte mit Blumen, Spielsachen und Fotos der Getöteten. Sie liefen einzeln von Bild zu Bild, berührten die Fotos der Opfer. Anschließend besuchten sie einen Gottesdienst in der Gemeinde. Später wollten sie Angehörige der Todesopfer sowie Überlebende treffen.

Joe Biden und Jill Biden bei einer Gedenkfeier zum Amoklauf an einer Schule in Texas
AP/Evan Vucci
Biden besuchte am Sonntag mit seiner Ehefrau die Schule in Texas

Polizisten warteten am Gang vor Klassenzimmer

Was Ermittler auf Basis von Videoaufnahmen, Zeugenaussagen, Polizeikommunikation und Notrufen bisher rekonstruiert haben, ist erschütternd. Der Schütze drang demnach um kurz nach 11.30 Uhr Ortszeit in die Volksschule und in den Klassenraum ein und begann zu schießen. Wenige Minuten später waren die ersten Polizisten vor dem Klassenzimmer. Es folgten weitere Beamte. Um kurz nach 12.00 Uhr Ortszeit waren 19 Polizisten im Gang vor dem Klassenraum postiert.

Um die gleiche Zeit begannen nach offiziellen Angaben Schüler aus dem Inneren des Zimmers verzweifelt, den Notruf der Polizei zu wählen. Darunter war eine Schülerin, die mehrmals hintereinander anrief. Mit flüsternder Stimme berichtete sie zuerst von mehreren Toten. In einem anderen Anruf sagte sie wenig später, acht bis neun Schüler seien noch am Leben. Noch immer kam keine Hilfe. 40 Minuten nach dem ersten Anruf flehte das Mädchen, man möge bitte sofort die Polizei schicken.

Bericht über Biden-Besuch in Texas

ORF-Korrespondent Christophe Kohl berichtet über den Besuch von US-Präsident Joe Biden in Uvalde in Texas, wo ein Amokschütze in einer Schule 21 Menschen getötet hatte.

Auf Schlüssel gewartet

Die Polizisten vor der Tür warteten derweil auf Verstärkung, wie die Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas am Freitag offenbart hatte. Der verantwortliche Beamte sei der Meinung gewesen, dass nach den ersten Schüssen keine Kinder mehr in Gefahr seien. Das sorgt nun für Fassungslosigkeit. Erst um 12.50 Uhr drangen Einsatzkräfte in den Raum ein – mit einem Schlüssel, den sie vom Hausmeister besorgt hatten – und töteten den Amokläufer. Mehr als 75 Minuten, nachdem dieser drinnen das Feuer eröffnet hatte. In der Zwischenzeit löschte der Angreifer 21 Leben aus. 17 weitere Menschen wurden verletzt.

Schwere Vorwürfe

Angehörige erhoben angesichts der neuen Erkenntnisse schwere Vorwürfe gegen die Polizei. „Sie hätten einige Leben retten können“, zitierte die „Washington Post“ den Großvater einer getöteten Schülerin. „Sie hätten sie retten können“, sagte er mit Blick auf seine Enkelin. Auch der Vater eines getöteten Kindes sagte dem Sender CNN, seine Tochter könnte womöglich noch leben, hätte die Polizei anders gehandelt. Die Mutter einer anderen Schülerin klagte: „Sie haben zu lange gewartet.“

Trauerfeier nach Amoklauf in Texas

Nach einem Amoklauf in Texas hat US-Präsident Joe Biden jene Volksschule besucht, in der 21 Menschen gestorben sind. Bei der Trauerfeier in der Gemeinde Uvalde gedachten er und seine Frau der Opfer. Unter die Trauer mischt sich immer mehr Wut: Die Polizei habe viel zu lange vor dem Klassenzimmer gewartet, in dem der Schütze Kinder erschossen hat.

Justizministerium wird aktiv

Das Justizministerium in Washington kündigte am Sonntag eine Untersuchung zum Vorgehen der Polizei an. Der Bürgermeister von Uvalde, Don McLaughlin, habe darum gebeten. Ziel sei es, einen unabhängigen Bericht über das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden an diesem Tag zu erstellen und Lehren daraus zu ziehen für andere Attacken. Der Bericht solle am Ende auch veröffentlicht werden.

Der Demokrat Roland Gutierrez aus dem texanischen Senat beklagte ebenfalls, die Fehler bei dem Einsatz hätten möglicherweise Leben gekostet. „Am Ende hat jeder hier versagt“, sagte der Demokrat am Sonntag dem Sender CNN. Das gelte auch für das texanische Parlament, das nicht strengere Waffengesetze durchgesetzt habe.

Waffendebatte dreht sich im Kreis

Die Bluttat von Uvalde hat die Debatte über eine Verschärfung der Waffengesetze in den USA einmal mehr angefacht. Viele Republikaner sperren sich seit Jahren gegen strengere Regularien. Auch der republikanische Ex-Präsident Donald Trump verteidigte am Freitag bei einem Auftritt vor der mächtigen Waffenlobby NRA (National Rifle Association) das vielerorts laxe Waffenrecht in den USA und forderte stattdessen, mehr bewaffnete Sicherheitskräfte an Schulen zu postieren und auch Lehrer zu bewaffnen. Die NRA-Tagung in Houston in Texas wurde von Protesten gegen Waffengewalt und die Waffenlobby begleitet. Die Vereinigten Staaten haben seit Langem mit Waffengewalt von enormem Ausmaß zu kämpfen.