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Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Heidi-Horten-Museum

Trophäen einer Sammlerin

Eine Milliardärin leistet sich ein Museum: Am Freitag wird in Wien die Heidi Horten Collection eröffnet. Die Architektur von nextEnterprise macht viel her, eignet sich aber schlecht für die Präsentation von Kunst. Das Vermögen der reichsten Frau Österreichs schuf der „Kaufhauskönig“ Helmut Horten (1909–1987), den seine Witwe im Vorfeld vom Vorwurf des NS-Profiteurs reinwaschen ließ.

Leicht könnte man an der Heidi Horten Collection vorbeilaufen. Schlichte rote Fahnen markieren das Privatmuseum in einem Hof hinter der Albertina. Was für ein Unterschied zu dem Ausstellungstitel „WOW!“, mit dem 2018 für die Schau im Leopold Museum geworben wurde. Damals zeigte die Sammlerin erstmals 170 Werke, von Klimt über Picasso bis zu Damien Hirst. Der damalige Publikumserfolg machte Goëss-Horten – den Adelsnamen erwarb sie durch ihre dritte Ehe – Lust auf mehr.

Als Kunstberaterin steht der Milliardärswitwe seit den 1990er Jahren Agnes Husslein zur Seite. Sie zog die erfolgreiche Schau im Museumsquartier auf und trägt nun wieder den Titel „Frau Direktor“. Als Husslein 2007 die Leitung des Belvederes übernahm, gab es Spekulationen, dass sie die Sammlung der kinderlosen Erbin für den Bund an Land ziehen könnte. Immer wieder prangten hochkarätige Leihgaben in Ausstellungen. Aber nach dem Abgang Hussleins aus dem Belvedere 2016 aufgrund von Compliance-Vorwürfen zog auch Goëss-Horten ihre Kunst ab.

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Gebäude Heidi Horten Collection
Heidi Horten Collection/Rupert Steiner
Viel Architektur mit wenig Platz für Kunst im neuen Heidi-Horten-Museum
Gebäude Heidi Horten Collection
Heidi Horten Collection/Rupert Steiner
Für die Heidi Horten Collection wurde der Hanuschhof zwischen Staatsoper und Albertina adaptiert
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Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Vorne: Francois-Xavier Lalanne, „Besonnener Affe (sehr groß)“, 2005/2008 Bronze
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Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Auf den locker behängten Wänden ganz links: Brigitte Kowanz, „Light Up“, 2010
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Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Links: Tim Noble & Sue Webster, „Forever“, 1996, ganz rechts: Stephan Balkenhol, „Ohne Titel [Untitled]“, 1999

Hängende Treppen

Das erste Novum im Hanuschhof ist der „Skulpturengarten“, der aus einem Rasenstück mit vier Bäumen und zwei Kleinbronzen besteht. Als Standort für ihre Kollektion erwarb Goëss-Horten um kolportierte 30 Millionen Euro das „Stöckl“. Dieses ehemalige Kanzleigebäude aus dem 19. Jahrhundert wurde vollständig ausgehöhlt. Hinter der historischen Fassade verbirgt sich nun schnittige Architektur. Im entkernten Bau mit einer Raumhöhe von 17 Metern hat das Architektenteam Marie-Therese Harnoncourt und Ernst J. Fuchs zwei gegeneinander versetzte „Plateaus“ eingezogen.

Heidi Goess-Horten vor einem Werk Francis Bacons
Heidi Horten Collection; Foto: Ouriel Morgensztern
Heidi Goess-Horten, geboren 1941 in Wien, ist Kunstsammlerin und Milliardärin mit umstrittenem Vermögenshintergrund.

Die Deckenbeleuchtung erzeugt den Eindruck eines Lichthofs. Hinauf führen spektakuläre Treppen, wie sie in Wien sonst nirgends zu finden sind. Das neue Museum bietet 1.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche, wirkt aber größer. Die oberen Stockwerke zeichnen sich durch Brüstungen aus, über die man hinunterschauen kann. Dass für eine so malereilastige Kunstsammlung derart wenig Hängefläche eingeplant wurde, kann nur verwundern. Chefkurator Rolf Johannsen wird in dieser Architektenvision kein leichtes Spiel haben, Highlights von Francis Bacon oder Yves Klein zur Geltung zu bringen.

Teatime und Baugeschichte

Insgesamt wirken die Säle unruhig und halten wenig zum Verweilen an. Der Impuls „Wo geht es denn da hinten noch hin?“ drängt sich auf, aber dort findet man nur kabinettartige Räume. Besonders stolz ist das Museum auf seinen „Tea Room“. Diesen Salon mit Polstermöbeln durften heimische Künstler gestalten. Markus Schinwald hat Tapisserien für die Wände entworfen, der Bildhauer Hans Kupelwieser hängte skulptural geformte Platten an den Plafond. Gratis Teetrinken, Innehalten im Innercity-Trubel – auch das soll bei Horten möglich sein.

Beide: Ausstellungsansicht OPEN
Beide: Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Links: Blick ins Zwischengeschoss, rechts hinten: Andy Warhol & Jean-Michel Basquiat, „Collaboration (Paramount)“, 1984/85

Ein Seitenraum im Erdgeschoß widmet sich der Historie des Gebäudes. Die Dokumentation reicht vom römischen Legionslager über die Reitschule von Albert von Sachsen-Teschen bis hin zum Kanzleigebäude für die Beamten von Erzherzog Friedrich. Aber wäre hier nicht der passende Ort für eine ganz andere Geschichte gewesen, nämlich jene des sagenhaften Horten-Vermögens? Schließlich nahm Goëss-Horten 2021 viel Geld für eine wissenschaftliche Studie in die Hand, um die Vorwürfe zu widerlegen, ihr verstorbener Gatte hätte seinen Reichtum auf der NS-Enteignung jüdischer Unternehmer aufgebaut.

„Kaufhauskönig“ mit weißer Weste?

Der deutsche Geschichtsprofessor Peter Hoeres soll 300.000 Euro für das Gutachten erhalten haben, das Helmut Hortens Geschäfte während des Nationalsozialismus untersucht. Auch im Zuge von „WOW!“ wurden wieder Vorwürfe laut, hier würde mit Kunst das Image eines Nazi-Profiteurs aufpoliert. „Die Annahme, dass der Grundstock von Hortens Vermögen aus der NS-Zeit stamme, ist nur einschränkend zutreffend“, lautete die Quintessenz von Hoeres’ zu Jahresbeginn veröffentlichten Dossiers.

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Heidi Horten Collection/kunst-dokumentation.com/Manuel Carreon Lopez
Unter den Neuankäufen jüngerer Positionen: Lena Henke, „UR Mutter“, 2019

Wenn Horten wissenschaftlich reingewaschen ist, hätte wohl nichts gegen eine kritisch-zeitgeschichtliche Präsentation zu seinem Aufstieg ab 1936 gesprochen. Aber anstatt an Ort und Stelle auf diese Fragen einzugehen, liefert die Heidi Horten Collection nur einen Link zur Website der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dort ist das 223 Seiten starke Horten-Gutachten zu lesen, ein Lektüreaufwand, den wohl nur speziell Interessierte auf sich nehmen werden.

Prachtprojekt mit Schattenseiten?

Eine Prime-Location für ein millionenschweres Prachtprojekt – das ist die Heidi Horten Collection! Das neue Privatmuseum der Milliardärswitwe Heidi Goess-Horten ist der lang erwartete Höhepunkt des diesjährigen Wiener Museumssommers.

Affenliebe für Tiere

Aber was ist mit der präsentierten Kunst? Bei der Einweihung trumpft die Sammlung nicht mit Klimt oder Magritte auf, sondern überlässt der Architektur den Vortritt. Unter den rund 50 Kunstwerken sind auffällig viele Neuankäufe jüngerer Positionen vertreten. Etwa die überlebensgroße Schweineskulptur „UR Mutter“, die von der Künstlerin Lena Henke violett bepinselt wurde.

Ausstellungshinweis

Die Eröffnungsausstellung „Open“ in der Heidi Horten Collection läuft ab 3. Juni bis 2. Oktober, täglich außer Dienstag von 11 bis 19 Uhr, Donnerstag 11 bis 21 Uhr, freier Eintritt jeden Donnerstag von 18 bis 21 Uhr (mit Timeslot-Ticket).

Im Erdgeschoss begrüßen ein Affe und ein Hase als X-Large-Bronzen das Publikum. Wie schon bei „WOW!“ setzt auch Hussleins Debütausstellung auf das Tier in der Kunst, und seien es nur die toten Schmetterlinge auf einem Bild von Damien Hirst. Für den Herbst ist die Schau „Look“ zum Thema Kunst und Mode geplant.

Auf der Pirsch

Glamour verströmt das Porträtfoto der Hausherrin aus den 1960er Jahren, das am Beginn der Ausstellung hängt. Damals jagte Horten noch mit ihrem 32 Jahre älteren Ehemann Großwild; heute lebt die 81-Jährige zurückgezogen in einer Villa am Wörthersee und geht nur noch via Auktionskataloge auf die Pirsch. Was dem einen ein Geweih oder ein Löwenfell, ist dem anderen ein Schlüsselwerk eines sogenannten Blue-Chip-Künstlers. Ob die Heidi Horten Collection jemals mehr als eine Ansammlung von Trophäenkunst werden wird, kann nur die Zeit weisen.