Plakate zur Abstimmung über den EU-Verteidigungspakt in Randers, Dänemark
APA/AFP/Ritzau Scanpix/Bo Amstru
Ausnahme vor Aus

Ukraine-Krieg bindet Dänen enger an EU

Im Gegensatz zu Schweden und Finnland ist Dänemark bereits Mitglied in der NATO – der Ukraine-Krieg bringt aber auch Bewegung in der dänischen Sicherheitsarchitektur. Konkret entscheiden die Dänen am Mittwoch in den Bereichen Sicherheits- und Verteidigungspolitik über eine Zusammenarbeit auf Ebene der EU. Bisher verweigerte das skandinavische Land eine Beteiligung an EU-Militäroperationen – nun erscheint der von den zentralen politischen Kräften Dänemarks getragene „nationale Kompromiss zur Sicherheit“ als bemerkenswerte Abkehr vom bisherigen Sonderweg in der EU.

„Historische Zeiten verlangen historische Beschlüsse“, sagte dazu die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, die sich vor drei Jahren wohl nicht zuletzt mit dem Versprechen, die EU weiter auf Distanz zu halten, den Wahlsieg sicherte. Nur kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine folgte in Dänemark ein schneller Schulterschluss, bei dem die Sozialdemokraten gemeinsam mit den Rechtsliberalen, Konservativen, Linksliberalen und Linkssozialisten die Bevölkerung aufrufen, für eine Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union zu stimmen.

Trotz dieser politischen Mehrheit für die Abschaffung der EU-Sonderregeln wird nun mit Spannung auf das Abstimmungsergebnis gewartet. Zudem haben die Dänen schon mehrfach „Nein“ zu einer engeren Anbindung an die EU gesagt, zuletzt 2015 bei einem Referendum zur EU-Justizzusammenarbeit. Bei bisher vielfach mit „Nej“ abgeschmetterten EU-Referenden sieht es diesmal durchaus so aus, dass es eine Mehrheit für ein Aus der Maastricht-Sonderregelung geben könnte.

Dänische Premierministerin Mette Frederiksen
Reuters/Johanna Geron
Frederiksen sicherte sich vor dem Referendum die Zustimmung der großen dänischen Parlamentsparteien

„Glaube, dass wir mit Ja stimmen müssen“

„Ich glaube von ganzem Herzen, dass wir mit Ja stimmen müssen“, sagte Frederiksen am Sonntag in der letzten Fernsehdebatte. „In einer Zeit, in der wir für die Sicherheit in Europa kämpfen müssen, müssen wir uns enger mit unseren Nachbarn zusammenschließen.“ In Umfragen sprachen sich zuletzt mehr als 65 Prozent der Befragten für eine Abschaffung des Verteidigungsvorbehalts aus.

Ein „Ja“ gilt aber nicht als ausgemachte Sache – zu groß ist noch das Lager der Unentschlossenen. Ein „Ja“ sei „noch lange nicht sicher“, wie es dazu etwa bei TV2Nord heißt. Abzuwarten bleibt auch, inwieweit der vom Gasprom-Konzern am Dienstagabend bekanntgegebene Lieferstopp für russisches Gas für Dänemark noch Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben wird.

Für das 1973 gemeinsam mit Irland und Großbritannien der damaligen Europäischen Gemeinschaft beigetretene Dänemark käme eine Teilnahme an der gemeinsamen EU-Verteidigungspolitik durchaus einer Zeitenwende gleich. 2015 blieben die Däninnen und Dänen ihrem Ruf als Neinsager in Sachen EU jedenfalls noch treu und erteilten einem Referendum zur EU-Justizzusammenarbeit eine Absage. Im Jahr 2000 entschied man sich zudem knapp dafür, den Euro nicht als neue Währung einführen zu wollen.

Ausnahme auch beim Euro

Lange zuvor erwies sich auch der dänische Beitritt zum Maastricht-Vertrag als äußerst zäh. Beim ersten Anlauf lehnten 1992 noch 50,7 Prozent den Vertrag, der neben einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik vorsah, ab. Die Dänen stimmten dem Vertrag erst 1993 im zweiten Anlauf zu, nachdem ihnen eine Reihe von Sonderrechten zugestanden worden waren.

Ähnlich wie das mittlerweile aus der EU wieder ausgetretene Großbritannien ließ sich Dänemark das Recht zusichern, nicht am Euro und an der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz-, Innen- und Verteidigungspolitik teilnehmen zu müssen. Das Recht auf einen solchen Opt out genannten Ausstieg bedeutet unter anderem, dass sich Dänemark nicht an Militäreinsätzen der EU beteiligt. Laut dem Politikinstitut Europa hat Kopenhagen in 29 Jahren 235-mal von diesem Recht Gebrauch gemacht.

„Große Überraschung“

Seit „vielen, vielen Jahren“ habe in Dänemark niemand mit einer weiteren EU-Abstimmung gerechnet, so die Leiterin des dänischen Thinktanks Europa, Lykke Friis. Dass Frederiksen zwei Wochen nach dem russischen Einmarsch ein Referendum über die EU-Verteidigungspolitik einberufen hat, war demnach auch „eine große Überraschung“.

Im „nationalen Kompromiss zur Sicherheit“ haben die großen dänischen Parteien beschlossen, das Verteidigungsbudget bis 2033, so wie von der NATO gefordert, auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Erklärtes Ziel ist zudem, sich so schnell wie möglich von der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen.

Gasprom stellt Lieferungen ein

Die Suche nach Alternativen dürfte eine Entscheidung des Gasprom-Konzerns nun weiter beschleunigen. Wie das russische Staatsunternehmen am Dienstagabend mitteilte, werden ab Mittwoch der dänische Versorger Orsted sowie Shell Energy Europe nicht mehr mit Gas beliefert. Die beiden Unternehmen hätten Gasprom Export zuvor darüber informiert, die Rechnungen nicht – wie von Moskau gefordert – in Rubel zu bezahlen. Weil für den Monat April kein Geld geflossen sei, würden nun die Lieferungen eingestellt.

Mit Versorgungsengpässen wird in Dänemark nicht gerechnet. Nach Angaben von Orsted kann Russland die Gaslieferung nach Dänemark nicht direkt abschneiden, weil es keine Pipeline gibt, die direkt von der Energiegroßmacht ins Land führt. Es sei Dänemark deshalb weiterhin möglich, Gas zu beziehen. Das müsse jedoch dann in größerem Maßstab auf dem europäischen Gasmarkt erworben werden.