Russische Söldner in Mali
AP/French Army
Massaker in Mali

Botschaft des Kreml an Europa

Nach dem Abzug französischer Streitkräfte hat sich das malische Militär in seinem Kampf gegen Islamisten Unterstützung aus Russland geholt. Die umstrittene Gruppe der Wagner-Söldner schreckt in ihren Einsätzen vor keinen Mitteln zurück, wie Aufnahmen der jüngsten Gräueltaten in Moura belegen. Der Westen befürchtet dahinter eine Destabilisierungsstrategie des Kreml, um den Druck auf Europa zu erhöhen.

Die Sicherheitslage in Mali hat sich nach Angaben der Vereinten Nationen innerhalb kürzester Zeit drastisch verschlechtert. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien über 300 Zivilisten bei Attacken vom Militär oder von Islamisten getötet worden, heißt es in einem am Montag veröffentlichten UNO-Bericht. Das stelle einen Anstieg der Tötungen um 324 Prozent im Vergleich zu den letzten drei Monaten 2021 dar.

Mali kämpft seit zehn Jahren an der Seite ausländischer Streitkräfte gegen bewaffnete islamistische Kämpfer. Nachdem sich die Beziehungen zwischen Frankreich und der malischen Militärjunta, die im Vorjahr nach einem Putsch die Macht übernommen hatte, zunehmend verschlechterten, zogen sich die französischen Streitkräfte aus Mali zurück. Auch die EU reduzierte im April ihre militärische Ausbildungsmission im westafrikanischen Krisenstaat drastisch – und an die Stelle der westlichen Einsatzkräfte traten russische Söldner der Wagner-Gruppe.

Sorcha MacLeod, Vorsitzende der UNO-Arbeitsgruppe für den Einsatz von Söldnern, berichtete der „New York Times“ („NYT“), dass Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen überall dort zunehmen würden, wo die Söldner eingesetzt werden. „Sie haben keinen Anreiz, den Konflikt zu beenden, weil sie finanziell motiviert sind“, sagte sie. Laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) werden vor allem Männer mit Erfahrung im militärischen und sicherheitstechnischen Bereich rekrutiert, die mit einem für russische Verhältnisse üppigen Gehalt von bis zu 3.000 Euro im Monat angeworben werden sollen.

Russland bestätigte Einsatz von Wagner-Söldnern

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bestätigte Anfang Mai erstmals den Einsatz von Wagner-Söldnern in Mali und Libyen „auf kommerzieller Basis“, wobei die Gruppe „nichts mit dem russischen Staat zu tun“ habe. Die Regierung des westafrikanischen Binnenstaates spricht ihrerseits von russischen „Militärberatern“.

Recherchen russischer Medien zufolge zieht Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin, ein russischer Oligarch mit engen Beziehungen zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die Fäden hinter der Organisation. Nach westlichen Schätzungen setzt Russland auch im Ukraine-Krieg zwischen 10.000 und 20.000 Söldner der Wagner-Gruppe ein.

Russische Söldner in Mali
AP/French Army
Bilder des französischen Militärs belegen den Einsatz russischer Söldner in Mali

Der berüchtigten Söldnertruppe, die als Schattenarmee der russischen Regierung gilt, werden in Ländern wie Mali, Libyen und Syrien Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Bei ihrer Verfolgung islamistischer Kämpfer machen die Söldner laut Augenzeugenberichten oftmals keinen Unterschied zwischen islamistischen Kämpfern und unschuldigen Zivilisten – wie ein Vorfall Ende März in der 10.000-Einwohner-Stadt Moura in Mali zeigt.

Berichte über Exekutionen und Massengräber

Fünf Hubschrauber seien plötzlich im Tiefflug über die Stadt geflogen, die sich seit 2015 in der Gewalt eines lokalen Ablegers der Terrorgruppe al-Kaida befindet, und hätten dabei Schüsse abgefeuert, berichteten Zeugen der „New York Times“ („NYT“). Einige bewaffnete islamistische Kämpfer hätten versucht zu fliehen, während andere das Feuer auf die Hubschrauber eröffneten.

In den folgenden fünf Tagen hätten malische Soldaten und ihre Verbündeten, die weder Französisch noch Englisch sprachen, Häuser geplündert, Menschen in einem ausgetrockneten Flussbett gefangen gehalten und Hunderte von Männern exekutiert, wie acht Zeugen aus Moura und mehr als 20 malische Politiker und Aktivisten der Zivilgesellschaft sowie westliche Militärs und Diplomaten laut „NYT“ angaben.

Zivilisten seien gezwungen worden, Massengräber auszuheben, bevor sie selbst hingerichtet wurden. Sowohl malische Soldaten als auch ausländische Söldner hätten die Gefangenen aus nächster Nähe, oft ohne sie zu verhören, aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Kleidung oder eines dschihadistisch aussehenden Bartes getötet, so die Zeugen. Andere Gefangene seien in einem Flussbett zusammengetrieben, auf Abdrücke von Waffen auf Fingern und Schuhen untersucht und hingerichtet worden.

„NYT“: Satellitenaufnahmen als Beweismittel

Anhand von Satellitenbildern konnte die „NYT“ laut eigenen Angaben mindestens zwei Massengräber ausfindig machen, die mit den Beschreibungen der Zeugen, denen zufolge gefangene Zivilisten hingerichtet und verscharrt wurden, übereinstimmen.

Die jüngsten Menschenrechtsverletzungen in Mali glichen laut „NYT“ einem neuen Muster von Folter, Schlägen und Hinrichtungen, das sich zunehmend auch in anderen Ländern abzeichnet, in denen Wagner-Söldner im Einsatz waren. „Wir dachten, die weißen Soldaten würden uns von den Dschihadisten befreien, aber sie sind viel gefährlicher“, sagte ein Malier zu den jüngsten Gewaltattacken. „Wenigstens schießen die Dschihadisten nicht auf jeden, der sich bewegt.“

„Schlimmste Gräueltat seit zehn Jahren“

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wurden allein zwischen 27. und 31. März 300 Zivilisten in Moura getötet. Die Organisation sprach von der „schlimmsten Gräueltat“ seit einem Jahrzehnt in der umkämpften Region. Die Militärjunta in Malis Hauptstadt Bamako wies die Angaben jedoch zurück und erklärte, sie habe in einem Einsatz gegen Aufständische 203 Dschihadisten „neutralisiert“. Zivile Opfer wurden keine erwähnt, und auch die Anwesenheit der Wagner-Söldner wurde geleugnet. Stattdessen wurde erneut auf einen Vertrag mit den russischen „Ausbildnern“ verwiesen.

Die UNO hatte Mali im April aufgefordert, ihren Ermittlern freien Zugang zu der Stadt zu gewähren – bis jetzt vergeblich. Die Regierung in Mali erklärte, eine eigene Bewertung der Vorgänge aufnehmen zu wollen. Russland und China blockierten bisher eine Abstimmung im UNO-Sicherheitsrat über eine unabhängige Untersuchung.

„Die zum jetzigen Zeitpunkt eingegangenen Informationen werfen ernste Fragen und Bedenken hinsichtlich möglicher schwerer Verstöße gegen die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht auf“, so der UNO-Experte Alioune Tine in einem Pressestatement. Er forderte den Internationalen Strafgerichtshof auf, so schnell wie möglich Ermittlungen einzuleiten, um die strafrechtliche Verantwortung für die begangenen Verbrechen festzustellen.

Spanien und GB fordern NATO zum Handeln auf

Die deutsche Bundeswehr verlängerte kürzlich ihre Beteiligung an dem UNO-geführten Einsatz MINUSMA zum Schutz der Zivilbevölkerung in Mali um ein weiteres Jahr. Spanien und Großbritannien forderten jüngst jedoch zusätzliche Maßnahmen der NATO gegen russische Aktivitäten in Afrika.

Die Ausweitung der Einsätze von Soldaten oder Söldnern in Ländern wie Libyen und Mali stellten eine Gefahr dar, sagte die spanische Verteidigungsministerin Margarita Robles bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem britischen Kollegen Ben Wallace in Madrid. Organisierte Kriminalität und Terrorismus würden dadurch gefördert. „Die NATO kann angesichts dieser Lage nicht untätig bleiben.“

Der britische Verteidigungsminister warnte, Russland könnte Migranten gezielt an die Grenzen Europas lenken und bezog sich damit auf Belarus. Der Verbündete Russlands hatte nach westlichen Sanktionen gezielt Tausende Migranten ins Land gelockt und zum Grenzübertritt in die EU über Polen oder baltische Staaten gedrängt. Robles und Wallace sprachen sich dafür aus, die NATO müsse in ihrem neuen strategischen Konzept auch die Südflanke des Militärbündnisses besonders berücksichtigen. Ende Juni ist ein NATO-Gipfel in Madrid geplant, bei dem ein neues strategisches Konzept entwickelt werden soll.