OMV-Generaldirektor Rainer Seele
APA/Hans Punz
Virtuell gegen Seele

OMV vor turbulenter Hauptversammlung

Es wäre eine Premiere in der Geschichte der teilstaatlichen OMV: Der Kleinanlegerverband hat angekündigt, Ex-OMV-Chef Rainer Seele wegen der milliardenschweren Russland-Verluste die Entlastung bei der Hauptversammlung am Freitag zu verweigern. Spannend wird nicht zuletzt sein, wie die Vertreter der Republik (ÖBAG), des mit Abstand größten Einzelaktionärs, abstimmen.

Seele, von 2015 bis 2021 OMV-Chef, steht vor allem wegen der Russland-Geschäfte des Konzerns in der Kritik von Aktionärinnen und Aktionären. Seele hatte voll auf Russland als Gaslieferant gesetzt und Versuche von Vorgängern, den Import stärker auf mehrere Bezugsquellen aufzuteilen, zurückgedreht. Der Interessenverband für Anleger (IVA) will auf der kommenden Hauptversammlung des Wiener Öl-, Gas- und Chemiekonzerns gegen eine Entlastung des Managers stimmen, wie der Aktionärsvertreter am Dienstag mitteilte.

„Einige Seele-Aktionen waren in der roten Zone. Erst jetzt erkennt man die Tragweite. Hier muss für Transparenz gesorgt werden – wenn nötig mit einer Sonderprüfung oder einer Strafanzeige“, so IVA-Chef Florian Beckermann diese Woche und fügte an, dass dabei die Unschuldsvermutung gelte. Seele reagierte öffentlich nicht auf die Vorwürfe.

Vertrag ohne Ausstiegsklausel

In der Kritik stehen mehrere Punkte: Unter die Verantwortung des Ex-OMV-Chefs würden etwa die Milliardenabschreibungen aus dem Pipelineprojekt „Nord Stream 2“ sowie einem russischen Gasfeld fallen. Zudem will der IVA, dass die „jahrzehntelangen Gaslieferverträge mit Russland ohne Ausstiegsklausel“ sowie ein Sponsoring für den russischen Fußballclub Zenit St. Petersburg in der Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro geprüft werden.

„Die genannten Verträge sind ex post zu untersuchen. Hier geht es uns im Wesentlichen darum, angesichts der geopolitischen Änderungen und Zweifel an der Compliance absolute Klarheit über das korrekte Zustandekommen dieser Verträge zu gewinnen“, sagte Beckermann auf Anfrage von Reuters.

Zwei Milliarden Abschreibungen im ersten Quartal

Die Russland-Abschreibungen fallen in das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres. Insgesamt musste die OMV Belastungen von zwei Milliarden Euro verkraften. Eine Milliarde davon resultiert aus dem Scheitern von „Nord Stream 2“, bei dem die OMV als Finanzpartner engagiert war. Hinzu kommt eine weitere Milliarde an Belastungen aus einer Beteiligung am russischen Gasfeld Juschno Russkoje.

Der frühere Wintershall-Chef Seele stand von Mitte 2015 – damals war der Manager Siegfried Wolf, selbst mit engen Kontakten nach Russland, Aufsichtsratschef – bis zum Frühjahr 2021 an der Spitze von Österreichs größtem Industriekonzern. Unter seiner Führung hatte die OMV mit der Übernahme des Petrochemiekonzerns Borealis maßgeblich die Weichen Richtung Chemie gestellt und zuletzt ein Rekordergebnis eingefahren. Der gebürtige Deutsche stand aber auch zunehmend unter Druck. Neben internen Machtkämpfen über die Strategie machte ihm Kritik von Umweltschutzorganisationen zu schaffen.

Ex-OMV-Chef Seele unter Druck

Bei der Hauptversammlung der OMV am Freitag könnte es für den früheren OMV-Generaldirektor Rainer Seele eng werden. Aktionärsvertreter wollen ihm die Entlastung verweigern. Johannes Rupprecht berichtet.

„Dossier“-Recherchen und Gutachter

Das Magazin „Dossier“ ließ zuletzt mit Recherchen die Kritik an Seele ebenfalls aufflammen. Laut dem Magazin gab es eine millionenschwere Sondervereinbarung mit dem ehemaligen Chef der Compliance, Robert Eichler, die vor Vorstand und Aufsichtsrat geheim gehalten worden sein soll. Beckermann sprach von einem „schwerwiegenden Verdacht“, der „dringend aufgeklärt“ werden müsse. Am Tag vor der Hauptversammlung publizierte „Dossier“, das Seele in der Vergangenheit wiederholt kritisierte, neue Vorwürfe.

Die Unternehmensrechtlerin Susanne Kalss, die in einem Rechtsgutachten vom 8. Juli 2021 an Seeles Arbeit nichts auszusetzen hatte, sagte nun zu „Dossier“: „Das Gutachten würde ich sofort zurückziehen, wenn die OMV AG mich fragen würde.“ Auch der Arbeitsrechtler Franz Marhold würde Seele nicht mehr Rückendeckung geben: „Bei den gesellschaftsrechtlichen Folgerungen und der weiteren Vorgangsweise schließe ich mich Frau Professor Kalss an“, sagte er zu „Dossier“.

„Ich fühle mich getäuscht“

Kalss wurde noch direkter: „Im Nachhinein fühle ich mich instrumentalisiert und missbraucht“, so die WU-Professorin zu „Dossier“. Sie habe darauf vertraut, dass ihr sämtliche für die Beurteilung der Rechtsfrage maßgeblichen Informationen übermittelt werden. „Ich fühle mich getäuscht.“ Sonst wäre sie nach eigenen Angaben in ihrem Gutachten zu einem anderen Ergebnis gekommen. „Mit dem heutigen Wissen und Kenntnisstand würde ich sagen, dass der damalige Vorstandsvorsitzende seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Da sind die Grenzen des Aktienrechts überschritten worden.“

ÖBAG-Vorstandsdirektorin Edith Hlawati wollte gegenüber „Dossier“ auf die Vorwürfe inhaltlich nicht eingehen. „Ich habe Vertrauen in die bisherige Arbeit des Aufsichtsrates, der eine Prüfung eingeleitet hat“, so Hlawati laut „Dossier“. Diese Prüfung laufe noch. Die OMV selbst wollte dazu vorerst nicht Stellung nehmen.

ÖBAG-Chefin vor Einzug in Aufsichtsrat

Die Aktionärsversammlung findet am Freitag in virtueller Form statt. Auf der Agenda stehen auch Wahlen in den Aufsichtsrat. Unter anderen soll ÖBAG-Chefin Hlawati in das Kontrollgremium einziehen. Die ÖBAG verwaltet die Staatsbeteiligung an der OMV von 31,5 Prozent.