Johnny Depp und Amber Heard im Gerichtssaal
Reuters/Brendan Smialowski
Depp gegen Heard

Urteil mit vielen Verlierern

Es war ein Prozess, in dem intime und erschreckende Details einer zerrütteten Ehe an die Öffentlichkeit gezerrt wurden, in dem beide Protagonisten in gewisser Weise Täter und Opfer sind. Im Verleumdungsprozess zwischen den Filmstars und Ex-Eheleuten wurden sowohl Johnny Depp als auch Amber Heard zu Schadenersatzzahlungen verurteilt, Heard zu einer weit höheren. Doch gewonnen hat am Ende keiner der beiden – und zurück bleibt auch ein verzerrter Diskurs über Gewalt in Partnerschaften.

Im engeren Sinne ging es in dem Prozess nicht darum, was die beiden einander angetan haben, sondern um die Vielzahl der gegenseitigen Vorwürfe – und ob diese der Wahrheit entsprechen. Dieser kleine Unterschied spielt nicht nur juristisch eine große Rolle, sondern weitet auch die Debatte über den Prozess aus.

Angesichts des enormen öffentlichen Interesses wurde vor Gericht, in den Medien und in sozialen Netzwerken nicht nur das toxische Verhältnis von zwei Menschen mit enormer Bekanntheit verhandelt, sondern auch viel breitere Fragen wie psychische, verbale und physische Gewalt in Beziehungen. Depp und Heard mussten auch als Projektionsflächen für diese Fragen herhalten – und genau da wurde es kompliziert: In der Öffentlichkeit verschwammen die Grenzen zwischen konkretem Fall und den zumeist verzerrten Schlussfolgerungen daraus.

Schadenersatz für beide – in unterschiedlicher Höhe

Die Geschworenen, fünf Männer und zwei Frauen, bewerteten einen 2018 von Heard verfassten Beitrag in der „Washington Post“ als verleumderisch und in bösartiger Absicht geschrieben. In dem Text hatte sie sich als Opfer häuslicher Gewalt bezeichnet – auch wenn Depp darin nicht namentlich genannt wurde. Der Schauspieler klagte wegen Verleumdung auf 50 Millionen Dollar Schadenersatz. Heard antwortete mit einer Gegenklage und forderte 100 Millionen Dollar.

Sie verwies darauf, dass Depps Ex-Anwalt Adam Waldman mit einer Schmutzkampagne ihrem Ansehen geschadet habe. Dass beiden Schadenersatz zugesprochen wurde, ist zugleich widersprüchlich wie auch logisch. Dass ihm 15 Millionen Dollar – am Ende nach geltendem Recht in Virginia etwas mehr als zehn Millionen – zugesprochen wurden und Heard nur zwei Millionen, mag Depp als Sieger der Schlammschlacht aussehen lassen.

Problematische Charaktere

Doch der Prozess brachte Depps Vergangenheit mit Drogenmissbrauch und Gewaltausbrüchen ans Licht. Den Geschworenen wurde eine Reihe von Ton- und Filmaufnahmen von hitzigen Auseinandersetzungen zwischen Depp und Heard voller obszöner Beleidigungen vorgespielt. Seine im Prozess vorgelesenen Textnachrichten über seine Ex-Frau ramponierten sein Image, da half auch die Ausrede seiner Anwälte, Depp habe einfach einen „bildstarken Schreibstil“, wenig.

Der Prozess zeichnete ein Bild des harschen Aufeinandertreffens zweier problematischer Charaktere, jeweils wohl durch eigene Missbrauchs- und/oder Gewalterfahrungen geprägt, teils durch Alkohol- und Drogenmissbrauch beeinträchtigt und wohl durch ihr Superstardasein auch der Realität entrückt.

Ruinierte Karrieren

Ging es im Prozess auch darum, dass die beiden einander vorwarfen, durch üble Nachrede lukrative Filmrollen verpasst und damit ihre Karrieren zerstört zu haben, dann ist es geradezu absurd, wie einander beide während des Prozesses noch weiter beschädigten. Insider rechnen laut „Guardian“ damit, dass Depp zunächst den Weg in kleinere Independent-Produktionen suchen müsse.

Ein Comeback zu ganz großen Rollen scheint zwar – siehe andere Stars, die nach Skandalen zunächst von der Bildfläche verschwanden – möglich, das werde aber dauern. Dass Heard den Sprung zurück ins große Filmgeschäft schafft, gilt als ungleich schwieriger, vor allem weil sie zuvor auch keine prestigeträchtigen Hauptrollen hatte.

Urteil die eine Sache, Signalwirkung eine andere

Abgesehen vom Schicksal der beiden stellt sich die Frage, wie groß der gesellschaftliche Schaden des Prozesses ist. Letztlich war die Frage, ob Depp wie von Heard behauptet auch physische Gewalt gegen sie ausgeübt habe. Die Geschworenen verneinten das, und auch juristische Prozessbeobachterinnen und -beobachter kamen mehrheitlich zum Schluss, dass die von Heard vorgelegten Indizien und „Beweise“ körperliche Übergriffe nicht hinreichend bestätigen würden – und vielleicht sogar gefälscht seien.

Dieses Urteil mag in der Sache richtig sein, hat aber auch eine ungeahnte Signalwirkung: Weitergedacht heißt es, dass psychische und verbale Gewalt irgendwie tolerierbar sei.

„Verheerende Auswirkungen auf Opfer häuslicher Gewalt“

Viele Kommentatoren und Kommentatorinnen wiesen darauf hin, dass Gewaltopfer den Fall wohl mit Entsetzen verfolgt hätten, wie es in der „New York Times“ heißt. Der Prozess könnte „verheerende Auswirkungen auf Opfer häuslicher Gewalt haben“, heißt es im „Guardian“.

Frauen würden „nun mit dem Wissen zum Schweigen gebracht werden, dass sie nicht über ihre Gewalterfahrungen durch Männer sprechen können, ohne dass ihnen eine ruinöse Verleumdungsklage droht. In diesem Sinne ist die Redefreiheit von Frauen gerade viel weniger frei geworden.“

Jury entscheidet großteils gegen Heard

Unter großer medialer Aufmerksamkeit ist gestern das Urteil im Prozess zwischen US-Schauspielerin Amber Heard und ihrem Ex-Mann Johnny Depp verkündet worden. Die Geschworenen sprachen Heard der Verleumdung schuldig. Sie muss Depp bis zu zehn Millionen Dollar Schadenersatz zahlen. Aber auch Heard gab die Jury – zumindest in einem Punkt – mit ihrer Gegenklage recht.

Dabei ist es weniger das Urteil, das für ein solches Klima gesorgt hat. Das Gerichtsdrama habe die „tiefsten frauenfeindlichen Tendenzen offenbart“, heißt es in einem „New York Times“-Kommentar mit Verweis auf die öffentliche Debatte, vor allem in sozialen Netzwerken. Dort sei Heard an den Pranger gestellt worden, „nur dass Memes die Steine ersetzt haben“. Und das könnte sich noch fortsetzen, wenn Heard wie angekündigt in Berufung geht.

„#MeToo“-Schablone passt nur bedingt

Gerächt hat sich jedenfalls die unzulässige Vereinfachung, den Fall mit scherenschnittartiger „#MeToo“-Schablone bewerten zu wollen. Denn der häufig zutreffende Sachverhalt eines männlichen Täters und eines weiblichen Opfers mit eindeutigen Rollen geht hier großteils ins Leere. Und der Versuch, das Verhältnis von Depp und Heard schwarz-weiß zu bewerten, gibt eher all jenen ein Beispiel und damit Aufwind, die Übergriffe von Männern auf Frauen zu relativieren und damit zu verharmlosen versuchen.