Zugreisende am Bahnsteig in Berlin
Reuters/Lisi Niesner
Reisewelle

Pfingsten als Generalprobe für den Sommer

Ob mit dem Flugzeug, dem Auto oder der Bahn: Nach zwei Jahren Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie wollen viele die Feiertage und in manchen Ländern auch längeren Ferien rund um Pfingsten wieder für Reisen nützen. Vielfach wurde auf den Straßen zum Urlaubsziel schon ab der Nacht auf Samstag Stau gemeldet. Vor allem aber für Bahn und Flugbranche sind die Pfingstfeiertage die Generalprobe vor dem Sommer.

Mit Nervosität war das Wochenende auch in Deutschland erwartet worden. Pfingsten ist an sich schon ein starkes Reisewochenende, mit dem seit Anfang Juni geltenden Neun-Euro-Ticket war mit einem noch größeren Ansturm gerechnet worden. Von Juni bis August kann man um neun Euro mit dem öffentlichen Personennahverkehr durch ganz Deutschland fahren. Das Interesse war groß, auch die Zahl der Passagiere und Passagierinnen am Pfingstwochenende.

Regionalzüge waren oft überfüllt oder verspäteten sich. An manchen Bahnhöfen konnten einige Reisende gar nicht mehr in den Zug einsteigen. Besonders gefragt waren Destinationen zu touristischen Zielen etwa an die Nord- und Ostsee, hieß es von der Deutschen Bahn (DB). Auf den Bahnhöfen waren verstärkt Polizisten unterwegs. In überfüllten Zügen baten sie Reisende auszusteigen.

Überfüllter Zug auf der Strecke bei Kratzeburg, Deutschland
Reuters/Lisi Niesner
Das Neun-Euro-Ticket in Deutschland erhöhte den Andrang auf die Deutsche Bahn am Wochenende

ÖBB stockten Kapazitäten auf

„Das Chaos war vorherzusehen“, sagte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn. Besonders dramatisch sei die Situation in den Regionalbahnen Richtung Ostsee sowie in Hamburg und Bremen. Nach Angaben der DB war die Betriebslage für ein Pfingstwochenende normal. Es werde aber auch in den kommenden Tagen trotz Verstärkung mit vollen Zügen gerechnet. Auch die ÖBB verstärkten nach Kritik an überfüllten Zügen ihre Kapazitäten und stellen zu Pfingsten 13.000 zusätzliche Plätze zur Verfügung. Eine angedachte Reservierungspflicht wird aber nicht kommen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Wer für den Weg in den Urlaub von der Bahn auf die Straße wechseln wollte, musste ebenfalls mit Verzögerungen rechnen. Auf der Tauernautobahn (A10) etwa musste man am Samstag 28 Kilometer Stau Richtung Süden hinter sich bringen. Auch die Karawankenautobahn (A11) war überlastet. Der ÖAMTC rechnet heuer mit einer Reisewelle mit starkem Verkehrsaufkommen bis September – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

Luftfahrt kämpft mit Startschwierigkeiten

Der enorme Nachholbedarf an Reisen ist auch beim Flugverkehr zu spüren. Bereits in der letzten Mai-Woche meldet Eurocontrol mehr als 28.100 Flüge am Tag. Das entspricht knapp 86 Prozent des Vorkrisenniveaus. Im Sommer will die Lufthansa auf der europäischen Kurzstrecke bereits wieder 95 Prozent erreichen. Die Luftfahrtbranche hat aber wirkliche Startschwierigkeiten nach der Pandemie. Ursache ist meist der Personalmangel, egal ob beim Bodenpersonal oder bei der Crew im Flugzeug, verbunden mit steigender Nachfrage.

In Deutschland fehlt nach Angaben des Flughafenverbands ADV etwa ein Fünftel des Personals, das sich um die Abfertigung der Passagiere auf dem Flughafen kümmert. Auch in Österreich fehle es an Personal, sagte kürzlich vida-Gewerkschafter Daniel Liebhart. Es brauche „kein Schönreden“, sondern vielmehr „gute Löhne und Arbeitsbedingungen“. Österreich stehe aber dank der Kurzarbeit besser als andere da. Die Kurzarbeitsregelung habe dafür gesorgt, dass die Unternehmen die Beschäftigten nicht abbauen durften, das sei jetzt der „rettende Strohhalm“, so Liebhart.

Warteschlangen am Flughafen von Manchester
Reuters/Phil Noble
Zu stundenlangen Wartezeiten kam es schon in den vergangenen Tagen auf einigen Flughäfen in Großbritannien

Besonders kritisch war die Situation in den vergangenen Tagen auf einigen Flughäfen in Großbritannien, wo die Pfingstferien begonnen haben. Der große Andrang in die Urlaubsgebiete verbunden mit Personalmangel führte zu Hunderten Flugabsagen und überfüllten Passagierterminals. Bis Ende Juni streicht TUI fast 200 Flüge auf dem Flughafen Manchester. EasyJet strich bis 6. Juni über 200 Flüge – auch wegen eines Softwarefehlers. Ryanair-Chef Michael O’Leary schlug sogar vor, übergangsweise das Militär auf den Flughäfen aushelfen zu lassen. Das würde auf einen Schlag den Druck vom Sicherheitspersonal nehmen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

O’Leary wies den Vorwurf der britischen Regierung zurück, die Reisebranche habe sich nicht ausreichend vorbereitet und zu viele Buchungen zugelassen. Die Regierung lehnt es ab, spezielle Visa für Jobs in der Reisebranche auszustellen. Nach dem Brexit können Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland nicht mehr ohne große Hürden und Kosten nach Großbritannien kommen und arbeiten. Der Branchenexperte Alex Macheras prognostizierte bereits einen Sommer des „Chaos“.

Die Krise ist längst global, so dass sich auch der Airline-Verband IATA der Sache angenommen hat. Er schlägt global einheitliche Ausbildungsinhalte vor, damit Bodenpersonal wie Piloten überall auf der Welt eingesetzt werden könnten. Zudem müssten die Rekrutierung verbessert und die Sicherheitsüberprüfungen gestrafft werden.