Der britische Premier Boris Johnson
Reuters/Toby Melville
Premier bleibt im Amt

Johnson übersteht Misstrauensvotum

Der britische Premierminister Boris Johnson hat ein Misstrauensvotum in seiner konservativen Fraktion überstanden. Die Mehrheit seiner Parteikollegen sprach dem Premier am Montagabend in London ihr Vertrauen aus. Auslöser für die Abstimmung war die Affäre um Partys in Johnsons Amtssitz während des CoV-Lockdowns.

Laut Graham Brady, dem Vorsitzenden des mächtigen Parteikomitees 1922, sprachen 148 Abgeordnete Johnson das Misstrauen aus. 211 unterstützten den Premier hingegen mit ihrer anonym abgegebenen Stimme, Enthaltungen gab es keine. Das entspricht einer Zustimmung zu Johnson von 58,8 Prozent.

Das Amt des Premierministers ist bei den britischen Konservativen an das des Parteichefs gekoppelt, bei einem anderen Ausgang hätte Johnson zurücktreten müssen. Nach den aktuellen Regeln darf es nun für die Dauer von zwölf Monaten keine erneute Misstrauensabstimmung geben. Allerdings gilt schon die Tatsache, dass es dazu kam, als schwerer Schlag. Theresa May erhielt 2018 bei einem Misstrauensvotum die Unterstützung von 63 Prozent der Abgeordneten und wurde trotzdem wenige Monate später abgelöst.

Demonstration von Johnson-Gegnern vor dem Parlament in London
AP/David Cliff
Gegnerinnen und Gegner Johnsons protestierten am Montag vor dem Parlament

Johnson wertete das Abstimmungsergebnis als Rückendeckung dafür, zur Tagesordnung überzugehen. „Ich denke, das ist ein überzeugendes Ergebnis, ein entscheidendes Ergebnis, und es bedeutet, dass wir als Regierung weitermachen und uns auf die Sachen konzentrieren können, die meiner Meinung nach wirklich wichtig sind für die Menschen“, sagte er zu Journalisten. An vorgezogenen Wahlen habe er kein Interesse.

Zweifel für Johnson „Medienrummel“

Die Zweifel an seiner Führungsrolle hatte er schon vor der Abstimmung als „Medienrummel“ abgetan. Niemand außer ihm habe es fertigbringen können, die politische Krise um den EU-Austritt zu einem Ende zu bringen, so Johnson weiter. Johnsons Sprecher erklärte am Montag, der Premier sehe das Misstrauensvotum als Chance, die „monatelangen Spekulationen zu beenden“. Es erlaube der Regierung, „einen Schlussstrich zu ziehen“ und sich um die wahren Anliegen der Menschen zu kümmern.

Downing Street in London
Reuters/Toby Melville
Auch wenn er das Misstrauensvotum überstanden hat: Johnson gilt als angeschlagen

Mögliche Nachfolgerin sicherte Johnson Unterstützung zu

Außenministerin Liz Truss und Finanzminister Rishi Sunak hatten Johnson, der seit 2019 die Regierung führt, ihre Unterstützung zugesichert. „Der Premierminister hat meine 100-prozentige Unterstützung bei der heutigen Abstimmung, und ich ermutige die Kollegen nachdrücklich, ihn zu unterstützen“, schrieb Truss auf Twitter.

Sie verwies darauf, dass Johnson die Erholung des Landes von der Pandemie erreicht habe und die Ukraine angesichts der russischen Aggression unterstütze. „Er hat sich für die gemachten Fehler entschuldigt. Wir müssen uns jetzt auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren.“ Truss gilt als mögliche Nachfolgerin Johnsons.

Analyse über Johnsons Misstrauensvotum

Boris Johnson hat bis kurz vor Beginn des Misstrauensvotums gegen ihn, bei den Abgeordneten seiner Partei für sich geworben. ORF-Korrespondentin Eva Pöcksteiner berichtet aus London über seinen Erfolg bei der Abstimmung.

Lockdown-Partys schwächten Position

Nach seinem deutlichen Wahlsieg im Jahr 2019 schienen lange Zeit alle Affären und Probleme am britischen Premierminister, Boris Johnson, abzuperlen. Er profitierte zunächst davon, dass den Torys ein geeigneter Nachfolger fehlte sowie später vom Ukraine-Krieg. Doch immer neue Enthüllungen zu den Partys am Regierungssitz während des Lockdowns und die hohen Lebenshaltungskosten im Land schwächten zunehmend seine Position.

Zuletzt war Johnson wegen der „Partygate“-Affäre aber auch in seiner eigenen Partei zunehmend in die Kritik geraten. Wegen seiner Teilnahme an einer der Feiern wurde Johnson mit einer Geldstrafe belegt – und ging damit als erster amtierender britischer Premierminister, der das Gesetz brach, in die Geschichte ein. Das vernichtende Fazit eines Untersuchungsberichtes der hochrangigen Beamtin Sue Gray zu den Partyexzessen in der Downing Street steigerte dann den Druck auf Johnson noch weiter: Gray machte die Regierungsspitze für die gesetzeswidrigen Feiern verantwortlich.

Umfragen sprechen gegen Johnson

In jüngsten Umfragen vertrat eine klare Mehrheit der Bürger die Ansicht, dass Johnson zu „Partygate“ gelogen habe und zurücktreten sollte. Während der Jubiläumsfeierlichkeiten für die Queen wurde er öffentlich ausgebuht.

Johnson entschuldigte sich wiederholt im Parlament, lehnte einen Rücktritt aber ab. Sein Sprecher erklärte am Montag, der Premier sehe das Misstrauensvotum als Chance, die „monatelangen Spekulationen zu beenden“. Es erlaube der Regierung, „einen Schlussstrich zu ziehen“ und sich um die wahren Anliegen der Menschen zu kümmern.