Protest gegen das Militär in Sudan
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Wagner-Söldner im Sudan

Krisenherd als Goldgrube für den Kreml

Seit dem Sturz des Diktators Omar al-Baschir hält eine Militärregierung die Kontrolle über den Sudan – und bekommt dabei tatkräftige Unterstützung aus Russland. Sei es bei der Unterdrückung demokratischer Bewegungen, sei es bei der Initiierung von Schmutzkampagnen: Immer häufiger mischen die Wagner-Söldner mit. Im Gegenzug erhält der Kreml Zugang zu lukrativen Goldminen und nutzt die Krise im Land, um seine Macht global auszubauen.

Wenige Wochen nach dem Beginn der Invasion Russlands in der Ukraine sprachen der US-Außenbeauftragte und die Botschafter von Großbritannien und Norwegen in Khartum, der Hauptstadt des Sudan, eine ungewöhnlich scharfe Warnung aus: Die Präsenz russischer Söldner vor Ort stelle nicht nur eine lokale, sondern vielmehr eine globale Gefahr dar, auf die dringend reagiert werden müsse. „Die Ziele Russlands beschränken sich nicht nur auf die Ukraine“, schrieb die Troika auf Twitter. „Während Putins Armee Terror in ukrainischen Städten verbreitet, untergraben seine Truppen Stabilität auf der ganzen Welt.“

Die „Truppen“ beziehen sich auf die Wagner-Söldner, eine private russische Militär- und Sicherheitsorganisation, die zunehmend in Konflikten in Afrika eingesetzt wird, wie aktuelle Berichte aus Mali zeigen. Da sie finanziell motiviert sind, bestehe ihr Interesse meist nicht darin, Konflikte rasch zu entschärfen, warnen Fachleute angesichts des Abzugs zahlreicher europäischer Missionen in Afrika. Zudem seien sie primär ein militärisches Instrument des Kreml und würden daher vor allem im Interesse Russlands handeln.

„Russland ernährt sich von Kleptokratie, Bürgerkriegen und internen Konflikten in Afrika und füllt Lücken, in denen sich der Westen nicht engagiert oder nicht interessiert“, sagte Samuel Ramani vom Royal United Services Institute, einer Forschungsgruppe für Verteidigungsfragen in London, im Gespräch mit der „New York Times“ („NYT“). Der Sudan sei ein typisches Beispiel für ein Land, in dem Wagner aktuell gedeihe, so Ramani.

Wagner-Söldner stützen Militärregierung

Jahrelang hatte der Kreml die Präsenz der Söldner im Sudan geleugnet. Nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschir und der Machtübernahme des Militärs im Jahr 2019 gab das russische Außenministerium Berichten von Al-Monitor zufolge jedoch erstmals zu, dass russische Unternehmen in dem Staat in Nordostafrika tätig seien. Der Anführer der paramilitärischen Gruppe „Rapid Support Forces“ („RSF“), Mohammed Hamdan Daglo, besser bekannt unter dem Namen Hemedti, gilt als einer der wichtigsten Verbündeten der Wagner-Söldner in Afrika.

Russische Söldner in Mali
AP/French Army
Bilder der französischen Militärs belegen die Anwesenheit der Wagner-Söldner in Afrika

Das sudanesische Militär, das Hemedti und dem obersten Militärmachthaber General Abdel Fattah al-Burhan untersteht, geht seit dem Putsch im Oktober gewaltsam gegen Zivilistinnen und Zivilisten vor, die eine demokratische Regierung fordern. Bei der Zerschlagung der Massenproteste war Russland von Anfang involviert: Kurz nach dem Sturz Baschirs soll Russland „NYT“-Recherchen zufolge 13 Tonnen Schutzschilde, Helme und Schlagstöcke an das Umfeld von General Hemedti geliefert haben.

Die westlichen Troika-Diplomaten werfen den Söldnern auch den Einsatz chemischer Waffen und die Verbreitung von Schmutzkampagnen auf sozialen Netzwerken vor. „Die Wagner-Gruppe untergräbt eine verantwortungsvolle Regierungsführung und eine Achtung von Gesetzen, für die die sudanesische Bevölkerung seit dem Beginn der Revolution kämpft“, so die scharfe Kritik. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben russische Desinformationsnetzwerke im Sudan laut „NYT“ neunmal so viel „Fake News“ verbreitet wie zuvor, um Unterstützung für den Kreml zu gewinnen.

Goldschmuggel gegen die westlichen Sanktionen

Aber nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen hat Russland großes Interesse daran, seine Präsenz in dem nordafrikanischen Krisenland weiter auszubauen. Der Sudan beherbergt das drittgrößte Goldvorkommen des Kontinents, wobei laut Schätzungen der sudanesischen Zentralbank etwa 70 Prozent der Produktion ins Ausland geschmuggelt werden – unter anderem auch nach Russland, wie das US-amerikanische Außenministerium der Wagner-Gruppe vorwirft.

Goldmine im Sudan
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Der Sudan gehört zu den größten Goldproduzenten, wobei das meiste Gold aus dem Land geschmuggelt wird

Sudanesische Unternehmens- und Regierungsunterlagen beweisen laut „NYT“ die Existenz einer Goldmine, die als Außenposten der Wagner-Gruppe dient und von dem russischen Unternehmen M-Invest und dessen Tochterfirma Meroe Gold betrieben wird. Laut dem sudanesischen Finanzministerium wird das Unternehmen von Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin kontrolliert, einem Putin-Vertrauten, der auch als Drahtzieher hinter der Wagner-Gruppe vermutet wird. In einer schriftlichen Antwort auf Fragen der „NYT“ leugnete Prigoschin jedoch jegliche Bergbauinteressen im Sudan und bezeichnete die Existenz der Wagner-Gruppe einmal mehr als „Legende“.

Westliche Beamte vermuten, dass der Goldhandel mit Russland über die Vereinigten Arabischen Emirate abgewickelt wird, da das afrikanische Gold dort nicht deklariert werden muss. Die Gewinnung und der Schmuggel des Goldes, an dem sowohl das sudanesische Militär als auch die Wagner-Söldner beteiligt sind, hat Berichten zufolge bereits dabei geholfen, die Goldreserven in der russischen Zentralbank aufzustocken. Die so erschmuggelten Reserven könnten Russland maßgeblich dabei helfen, die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Krieges zu kompensieren, vermuten Experten.

Kooperation unter Baschir eingeläutet

Die Basis für den Goldabbau mit der Unterstützung des sudanesischen Militärs wurde bereits während der Ära von Baschir gelegt. Im Jahr 2017 trafen sich der langjährige Machthaber und Putin in Sotschi, was den Beginn einer „neuen Phase“ der Zusammenarbeit einläutete, wie Al-Monitor schreibt. Baschir versprach Putin bei dem Treffen bekanntermaßen, dass der Sudan Russland künftig als „Schlüssel zu Afrika“ dienen könnte – und sicherte sich im Gegenzug Unterstützung zu, die seinen Sturz jedoch letztlich nicht verhindern konnte.

Goldmine im Sudan
Reuters/Sputnik
Der inzwischen gestürzte Diktator Baschir und Putin 2017 in Sotschi

Zu einer der bedeutungsvollsten Vereinbarungen, die während des Treffens getroffen wurden, gehören lukrative Konzessionen für Goldminen, die an M-Invest und Menroe Gold gingen. Auch ein Marinestützpunkt für Russland am Roten Meer wurde thematisiert, an dem atombetriebene Kriegsschiffe untergebracht werden sollen. Der Stützpunkt gilt als eines der wichtigsten Ziele Russlands im Sudan.

Sudan als Russlands Verbündeter im Krieg

Das Versprechen wird auch von General Hemedti nach wie vor immer wieder ins Spiel gebracht, für den Russlands Invasion in der Ukraine im Gegensatz zum Westen keinen Grund für einen Abbruch der Kooperation darstellt. Kurz nach der russischen Invasion in der Ukraine reiste Hemedti nach Moskau und traf sich unter anderem mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, um das gute Verhältnis zwischen den Regimen erneut zu unterstreichen – was vom Westen scharf verurteilt wurde.

Eine führende US-Lobbyfirma hat die sudanesische Regierung dem Africa Report zufolge als Kunden fallen gelassen, weil sie es versäumt hat, Moskaus Einmarsch in der Ukraine zu verurteilen. Gleichzeitig gehört der Sudan zu jenen Regionen, die die Folgen des Ukraine-Krieges am heftigsten zu spüren bekommen. Laut Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) stammen 87 Prozent des importierten Weizens aus Russland und der Ukraine. Laut UNO wird bis zum Jahresende jeder zweite Sudanese Hunger leiden.

Afrika müsse sich im Westen für eine Aufhebung der Sanktionen einsetzen, wenn es ein Ende der Blockade wolle, so der russische Außenminister Sergej Lawrow, der die afrikanischen Länder als Partner versteht. Dass sich auch der Sudan und Russland im Ukraine-Krieg als Verbündete betrachten, zeigte sich Anfang März: Der Sudan gehörte zu den wenigen Ländern, die sich bei der UNO-Abstimmung über die Verurteilung der Invasion in der Ukraine ihrer Stimme enthielten.