Szene des Films „Jurassic World Dominion“
2022 Universal Studios and Amblin Entertainment
„Jurassic World“

Nostalgisches Finale im Saurierkosmos

Mit viel Gebrüll trampeln die Saurier zurück ins Kino: „Jurassic World – Ein neues Zeitalter“ schildert eine Gegenwart, in der die Urzeitviecher allgegenwärtig sind. Regisseur Colin Trevorrow setzt im wirren sechsten und finalen Teil des Franchise auf viel Nostalgie. Spaß machen die Dinos aber wie damals.

Motorrad-Verfolgungsjagden mit trainierten Raptoren, ein Schwarzmarkt für Dinos in Palermos Unterwelt, ein Duell zwischen Pterodaktylus und Frachtflugzeug und hinterhältige Dilophosauren, die mit Giftspucke den Tod bringen: Mit dem ganz großen Gerät in Sachen Dinoaction fährt der vorerst letzte Teil der „Jurassic World“-Trilogie auf. In den besten Momenten ist der Film so eine herrliche Geisterbahn aus teils computeranimierten, teils gebauten Sauriern aller Größen und Formen, ein wildes Spektakel, das seine Wurzeln im japanischen Monsterkino kennt und sie feiert.

Steven Spielbergs Verfilmung aus dem Jahr 1993 von Michael Crichtons Thriller „Jurassic Park“, in dem Wissenschaftler aus Saurier-DNS, die im Magen von Stechmücken in Bernstein überdauert hatte, Dinos geklont hatten, liegt fast drei Jahrzehnte zurück. Der Erfolg des Films hat nicht nur popkulturelle Spuren hinterlassen, sondern auch die Paläontologie geprägt: Das Interesse für Saurier ist seither bei jeder neuen Kindergeneration frisch, Sauriermuseen wurden eingerichtet, Forschungsprogramme finanziert und immer neue Arten wurden entdeckt.

Szene des Films „Jurassic World Dominion“
2022 Universal Studios and Amblin Entertainment
Um Haaresbreite: Owen Brady (Chris Pratt) versucht, einem Atrociraptor zu entkommen

Nur drei Jahre nach „Jurassic Park“ wurden die allerersten fossilen Dinosaurierskelette mit Federn in China gefunden. Inzwischen weiß man auch um zwei Tyrannosaurierarten mit Federn und – ebenfalls ein relativ junges Wissen – um die enge Verwandtschaft zwischen Vögeln und Sauriern. Im jüngsten Film des „Jurassic“-Franchise treten nun auch mächtige gefiederte Saurier auf, allen voran ein feuerroter Pyroraptor, der sogar unter Wasser jagen kann.

Saurierwildwechsel

„Jurassic World – Ein neues Zeitalter“ beginnt in einer Welt, die sich seit dem letzten Film („Das verlorene Königreich“, 2018) grundlegend gewandelt hat. Damals war auf der Isla Nublar, Schauplatz aller bisherigen „Jurassic“-Filme und Standort der beiden blutig gescheiterten Dinofreizeitparks „Jurassic Park“ und „Jurassic World“, ein Vulkan ausgebrochen. Um die Saurier vor ihrem erneuten Untergang zu retten, hatte am Ende Maisie, die mutige neunjährige Enkelin des Parkbesitzers, die Urzeitviecher in die Welt entlassen.

In „Ein neues Zeitalter“ sind Saurier inzwischen allgegenwärtig, doch die friedliche Koexistenz ist schwierig. Stegosaurus-Wildwechsel führen zu Verkehrsunfällen, Tierschützerinnen befreien junge Triceratopse aus illegalen Zuchtstationen, wo sie in viel zu engen Käfigen gehalten werden, Ranger fangen freilebende Parasaurolopholi ein, um sie – vielleicht vor Wilderern? – in Sicherheit zu bringen. Der Konzernchef und Philantrop Lewis Dodgson (Campbell Scott) hat daher in den Dolomiten ein Bioreservat gegründet, wo Saurier in Sicherheit leben können und ihre DNS auf medizinische Verwertbarkeit erforscht wird.

Sorgen eines Klonkindes

Unterdessen lebt Maisie, längst ein neugieriger Teenager, zu ihrem Leidwesen in einer Berghütte in Montana, gemeinsam mit ihren fürsorglichen Pflegeeltern: Claire Dearing (Bryce Dallas Howard), in „Jurassic World“ (2015) noch die ehrgeizige Chefin des Vergnügungsparks, ist längst Dinoschützerin geworden. Und Sauriertrainer Owen Grady (Chris Pratt) kümmert sich nicht nur um die im nahen Wald lebende Ausnahmeraptorin Blue, sondern eben auch liebevoll um Ziehtochter Maisie.

Die Abgeschiedenheit hat einen Grund: Maisie ist der Klon ihrer verstorbenen Mutter und ihr Erbgut „das wertvollste intellektuelle Eigentum der Welt“, wie jener Schurke es nennt, der nach ihrer Freiheit trachtet. Die Entführung ist ein Schock, doch Owen und Claire lassen ihre Tochter natürlich nicht im Stich – eine Hetzjagd, die die beiden über die ganze Welt führt und Begegnungen mit Geheimagenten und wagemutigen Pilotinnen mit sich bringt.

Parallel bahnt sich eine Naturkatastrophe an. Riesenheuschreckenschwärme fressen die Felder Nordamerikas kahl. Nur die Pflanzen aus der Saat eines bestimmten Biotech-Konzerns bleiben stehen, was die Paläobotanikerin Ellie Sattler (Laura Dern) Verdacht schöpfen lässt. Sie holt sich zur Unterstützung ihren alten Freund, den Paläontologen Alan Grant (Sam Neill) zur Seite, um der Sache auf den Grund zu gehen, und trifft dann wieder auf Macho-Mathematiker Ian Malcolm (Jeff Goldblum) – womit das Wissenschaftlertrio aus „Jurassic Park“ wieder komplett ist.

Szene des Films „Jurassic World Dominion“
2022 Universal Studios and Amblin Entertainment
Wieder vereint: Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum), Dr. Alan Grant (Sam Neill), Dr. Ellie Sattler (Laura Dern), Claire Dearing (Bryce Dallas Howard), Owen Grady (Chris Pratt), Maisie Lockwood (Isabella Sermon) und die Pilotin Kayla Watts (DeWanda Wise)

Bioethik mit Karacho

Streng genommen ist „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“ ein erzählerischer Totalverhau. Die beiden voneinander unabhängigen Erzählstränge, der um das geklonte Enkelkind und der um die Heuschreckenplage, werden mit Gewalt parallelgeführt, bis sie bei einem Oberschurken münden, der ein visionärer Kapitalist vom vagen Zuschnitt eines Elon Musk, Steve Jobs oder Jeff Bezos ist. Zugleich drängen sich erneut Fragen von Bioethik auf, wie das schon in Crichtons Vorlage der Fall war.

Szene des Films „Jurassic World Dominion“
2022 Universal Studios and Amblin Entertainment
Mit Krallen und Federn: Eine Begegnung mit dem Pyroraptor

Regisseur Trevorrow unterliegt einem grundsätzlichen Irrtum, wenn er sagt, „die beste Version dieses Films ist eine, die auch ohne die Dinosaurier funktioniert“: Zwar ist es für Nostalgikerinnen eine Freude, die Besetzung von damals wiederzusehen (zwischen Sam Neill und Laura Dern stimmt die Chemie, und Goldblum ist mit seinen sarkastischen Kommentaren endgültig Karikatur geworden).

Die Hauptdarsteller waren aber doch immer die Dinos, und die bleiben hier reine Requisiten und Stichwortgeber. Wenn sie dann aber doch auftreten, machen sie Riesenspaß: „Jurassic World – Ein neues Zeitalter“ ist ein großes Vergnügen ohne einen Hauch von Anspruch. Und das herrliche Dinogebrüll macht dann auch alle Schwächen wieder wett.