Die Kapitol-Erstürmung sei „der Höhepunkt eines Putschversuchs“ gewesen, „eines dreisten Versuchs, die Regierung zu stürzen“, so Thompson. „Donald Trump stand im Zentrum dieser Verschwörung“, fuhr der Ausschussvorsitzende fort. „Die Gewalt war kein Zufall. Es war Trumps letzter Versuch.“ Zugleich warnte Thompson vor einer Bedrohung für die amerikanische Demokratie, die weiterhin bestehe.
Die Vizeausschusschefin, die Republikanerin und Trump-Kritikerin Liz Cheney, sagte, die Attacke sei „kein spontaner Aufstand“ gewesen. „Präsident Trump hat den Mob herbeigerufen, den Mob versammelt und die Flamme dieses Angriffs entzündet.“ Über Monate habe Trump einen ausgeklügelten Plan koordiniert, den Ausgang der Präsidentenwahl zu kippen und die Machtübergabe an seinen Nachfolger zu verhindern.

Gremium arbeitete monatelang hinter verschlossen Türen
Anhänger des damaligen republikanischen Präsidenten hatten am 6. Jänner 2021 den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington erstürmt. Sie wollten verhindern, dass der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden vom November 2020 bestätigt wird. Bei der Attacke kamen mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden wäre. Der Präsident musste sich deswegen einem Amtsenthebungsverfahren stellen, an dessen Ende er freigesprochen wurde.
Kapitol-Sturm: Trump verantwortlich
Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols sieht die Verantwortung für die Ereignisse am 6. Jänner 2021 bei Ex-US-Präsident Donald Trump. Dieser habe die Demonstranten zu den Ausschreitungen „angestachelt“, sagte der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson bei der Vorstellung der ersten Ermittlungsergebnisse.
Der Untersuchungsausschuss im Kongress wurde im Sommer 2021 eingesetzt, um die Hintergründe des Angriffs auf das Kapitol aufzuklären. Der Untersuchungsausschuss hatte über Monate hinter verschlossenen Türen Hunderte Zeugen befragt und rund 140.000 Dokumente gesichtet.
Vorwürfe zu Wahlbetrug für Ex-Minister „Schwachsinn“
Trumps Beraterstab inklusive seiner Tochter hatten den Untersuchungen zufolge die falschen Behauptungen des ehemaligen Präsidenten über einen angeblichen Wahlbetrug zurückgewiesen. In der öffentlichen Sitzung wurden erstmals Ausschnitte der Befragungen gezeigt – unter anderen von Ex-Justizminister William Barr. Darin sagte der Ex-Justizminister mit Blick auf Trumps Behauptungen zum Wahlbetrug, er habe mehrere Gespräche mit ihm zu dem Thema gehabt.

„Ich habe deutlich gemacht, dass ich nicht damit einverstanden bin, dass behauptet wird, die Wahl sei gestohlen worden, und dass dieses Zeug verbreitet wird, von dem ich dem Präsidenten gesagt habe, dass es Schwachsinn (Original: „Bullshit“) ist.“ Behauptungen dieser Art nannte Barr „verrückt“.
Der Ausschuss zeigte auch den Videomitschnitt einer Befragung von Trumps Tochter Ivanka. Gefragt nach Barrs Aussagen sagte sie, dessen Einschätzung habe durchaus Auswirkungen auf ihre Sichtweise gehabt. Sie respektiere Barr. „Also akzeptierte ich, was er sagte.“
Trump heizte Drohungen gegen Vize Pence an
Gezeigt wurden auch Videos, auf denen Menschenmassen zu sehen sind, die den US-Kongress erstürmen und dazu aufrufen, Vizepräsident Mike Pence zu „hängen“. In einer Sequenz ist ein Demonstrant zu sehen, der mit einem Megafon Tweets von Trump vorliest.
Das Gremium legte offen, Trump habe sich während des Sturms auf das Kapitol positiv über Drohungen seiner Anhänger gegen Pence geäußert. Cheney sagte unter Berufung auf Erkenntnisse des Gremiums, Trump habe von den Drohungen gewusst und dazu gesagt: „Vielleicht haben unsere Anhänger die richtige Idee.“ Pence verdiene es, zitierte Cheney Trump weiter.

Pence hatte am 6. Jänner 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung geleitet, bei der Bidens Wahlsieg bestätigt wurde. Trumps Anhänger suchten damals im Gebäude auch nach Pence, den sie als Verräter beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht verhinderte.
Ausschuss: Pence forderte Nationalgarde an
Pence war nach Erkenntnissen des Ausschusses derjenige, der am Ende die Nationalgarde zur Unterstützung anforderte, um die Lage am Kapitol unter Kontrolle zu bringen. Das gab Generalstabschef Mark Milley in seiner Befragung an, aus der ebenfalls Ausschnitte gezeigt wurden. Das Weiße Haus habe es jedoch so darstellen wollen, als habe Trump die Entscheidung getroffen, hieß es weiter.
Zeugen sagten live aus
Bei der Ausschusssitzung sagten außerdem live zwei Zeugen aus: Eine Polizistin, die bei der Kapitol-Attacke verletzt worden war, erzählte auf eindrückliche Weise von ihren traumatischen Erlebnissen. Und ein Dokumentarfilmer, der am Tag des Angriffs Mitglieder der rechtsextremen Miliz „Proud Boys“ begleitet hatte, berichtete von seinen Erfahrungen.
Die „Proud Boys“ und die rechtsextreme Gruppierung „Oath Keepers“ spielten nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses eine entscheidende Rolle bei der Attacke. Sie seien teils in voller Kampfausrüstung erschienen und hätten den Angriff koordiniert. Mitglieder beider Gruppen wurden nach der Erstürmung festgenommen und angeklagt. Die Verfahren laufen größtenteils noch.
Die Anhörung wurde von vielen Nachrichtensendern live übertragen. Die konservativsten Medien des Landes boykottierten sie jedoch. In den kommenden Wochen sollen weitere öffentliche Anhörungen des Gremiums folgen. Die nächste Sitzung ist für Montag angesetzt.
Gouverneurskandidat wegen Attacke festgenommen
Wegen Beteiligung am Sturm auf das Kapitol wurde kurz vor Beginn der Anhörung ein Kandidat für das Amt des Gouverneurs im US-Bundesstaat Michigan vorübergehend festgenommen. Vorausgegangen war eine Strafanzeige gegen den Republikaner Ryan Kelley, wie aus Dokumenten des US-Justizministeriums von Donnerstag (Ortszeit) hervorgeht.

Kelley werden mehrere Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen, darunter Gewaltanwendung gegen Personen und Sachen auf einem verbotenen Gelände und Beschädigung von Bundeseigentum.
Das FBI habe Kelley in seinem Haus in Allendale festgenommen, berichteten mehrere US-Medien. Der Gouverneurskandidat sei nach seiner Festnahme vor einem Gericht in Grand Rapids erschienen, dann aber freigekommen. Am 16. Juni ist den Berichten zufolge eine virtuelle Anhörung Kelleys geplant. Auch das Haus des Kandidaten sei am Donnerstag durchsucht worden.