Migranten aus Afrika auf offener See in einem Holzboot
Reuters/Juan Medina
Seit 2015 umstritten

Einigung auf Flüchtlingsumverteilung

Der seit der Flüchtlingskrise 2015 die EU heftig beutelnde Konflikt über eine solidarische Aufteilung der Geflüchteten unter den EU-Staaten steht vor einer – vorübergehenden – Einigung: Es wird demnach keine EU-Regelung geben, sondern ein Abkommen unter jenen Staaten, die sich solidarisch beteiligen. Österreich macht nicht mit. Eine Einigung gibt es dagegen zu neuen Regeln bei der Ankunft von Flüchtenden an der EU-Außengrenze.

Der französische Innenminister Gerald Darmanin schrieb nach Beratungen mit seinen EU-Kolleginnen und -Kollegen auf Twitter, eine „große Mehrheit“ der Mitgliedsländer habe dem neuen Solidaritätsmechanismus zugestimmt. Darmanin hatte den in Luxemburg tagenden Innenministerinnen und -ministern eine sechsseitige Erklärung für einen „freiwilligen Solidaritätsmechanismus“ vorgelegt.

Die Teilnahme an dem geplanten Solidaritätsmechanismus, der die Mittelmeerländer Griechenland, Zypern, Italien, Malta und Spanien entlasten soll, ist freiwillig. Die EU-Staaten können den Mittelmeerländern entweder Schutzsuchende abnehmen oder ihnen auf andere Weise helfen – etwa mit Geld oder Sachleistungen. Binnen eines Jahres ist so die Umverteilung von rund 10.000 Menschen vorgesehen, die vor allem über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind.

Darmanin: „Historische Einigung“

Darmanin sprach von einer „historischen Einigung“ in dem seit der Flüchtlingskrise 2015 schwelenden Streit. In den kommenden Tagen will der französische Ratsvorsitz demzufolge gemeinsam mit der EU-Kommission eine „Solidaritätsplattform“ organisieren. Dabei geht es darum, welches Land wie viele Flüchtlinge aufnimmt. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sprach von einem „extrem erfolgreichen Treffen“.

Gut zehn der 27 EU-Länder hatten sich laut Darmanin aufnahmebereit gezeigt, darunter auch Deutschland. Österreich bleibt bei seiner ablehnenden Position, wie ein Sprecher von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gegenüber ORF.at bestätigte. Begründet wurde das wie in der Vergangenheit unter anderem damit, dass Österreich eine der relativ gesehen höchsten Zahlen habe. Zudem sei es ein „falsches Signal“ an Schlepper, so Karner schon im Vorfeld des Treffens.

Der französische Präsident Emmanuel Macron
AP/Geert Vanden Wijngaert
Die Einigung kommt für Macron zum richtigen Zeitpunkt, um sein Image als internationaler Macher aufzupolieren

Erfolg für Macron vor Wahl

Präsident Emmanuel Macron kann damit die Beilegung eines jahrelangen EU-internen Konflikts, der phasenweise zu einer schweren Zerreißprobe wurde, als Erfolg auf seinem Ratsvorsitzkonto verbuchen – und das zwei Tage vor der ersten Runde der französischen Parlamentswahl, die darüber entscheidet, ob Macron seine Mehrheit behält oder in einer „Cohabitation“ mit einem Premier aus einem anderen politischen Lager kooperieren muss.

Klar ist damit aber auch: Eine alle EU-Staaten umfassende verbindliche Regelung, wie sie jahrelang von den einen angestrebt und von den anderen heftig bekämpft wurde, ist fürs Erste vom Tisch. Neben Polen, Ungarn und den baltischen Staaten bleibt auch Österreich dem freiwilligen Mechanismus fern.

Änderungen bei Ankommen an EU-Außengrenze

Bei dem Treffen in Luxemburg standen zudem wichtige Änderungen an, die Österreich sehr wohl unterstützte, da sie eigenen Forderungen entsprechen. So soll der Schutz der europäischen Außengrenzen gestärkt werden. Konkret geht es um ein neues Verfahren an den EU-Außengrenzen zur Identifikation Schutzsuchender sowie um eine Reform der Eurodac-Datenbank zur Abnahme von Fingerabdrücken.

Letztlich soll so schon an der Grenze entschieden werden können, wer gar keine Aussicht auf einen Schutzstatus hat. Über beide Vorhaben müssen die EU-Staaten noch mit dem Europaparlament verhandeln.

Binnengrenzkontrollen weiter möglich

Künftig sollen auch weiter Binnengrenzkontrollen möglich sein – und formal wohl vereinfacht. Das war eine besonders zentrale Forderung Karners. Die Details der künftigen Binnengrenzkontrollen müssen freilich noch ausgehandelt werden.

Breit genutzte Ausnahmeregelung

Im Schengen-Raum, der 26 europäische Länder umfasst, gibt es eigentlich keine stationären Personenkontrollen an den Landesgrenzen. In den vergangenen Jahren nutzten aber mehrere Staaten eine Ausnahmeregelung und führten wieder Kontrollen ein. Das führt im Fall Österreichs vor allem beim südlichen Nachbarland Slowenien zu Verstimmung, das keine sachliche Rechtfertigung für die Kontrollen sieht.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte jüngst fest, dass Österreich schon seit 2017 die für die Kontrollen erforderliche ernsthafte Bedrohung seiner öffentlichen Ordnung nicht nachgewiesen haben dürfte. Laut „Presse“ folgt das zuständige steirische Asylverwaltungsgericht nun dieser Einschätzung und hat die Kontrollen als gesetzeswidrig beurteilt. Das Urteil ist aber noch nicht öffentlich.