Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker
APA/Herbert Neubauer
RH-Vorwürfe

Kraker hofft auf „Kooperation“ der ÖVP

Seit Freitag ist bekannt, dass der Rechnungshof (RH) Wirtschaftsprüfer in die ÖVP-Parteizentrale schicken wird. Der Schritt erfolgt auf die Veröffentlichung der ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 – eine Reihe von Verstößen gegen das Parteiengesetz wurden angezeigt, etwa hinsichtlich der Einhaltung der Wahlkampfkostenobergrenze. RH-Präsidentin Margit Kraker hofft auf „Kooperation“ der ÖVP und auf einen Abschluss der Prüfung „noch heuer“.

Im Ö1-„Journal zu Gast“ sprach Kraker von einem „ungewöhnlichen Verfahren“ – aus zweierlei Gründen: 2019 sei das Parteiengesetz dahingehend geändert worden, wonach auch Teilorganisationen der ÖVP auszuweisen sind. Zudem habe es eine „Reihe von Ereignissen“ gegeben, die seit dem Rechenschaftsbericht aufgetreten seien und die sich der RH in Bezug auf das Jahr 2019 angeschaut habe, so Kraker.

Dass nun ein Wirtschaftsprüfer die Angaben der ÖVP kontrollieren soll, sei seitens des RH ein neuer Vorgang, so Kraker („Das hat es noch nicht gegeben“). Das Parteiengesetz müsse auf „Punkt und Beistrich“ eingehalten werden, sagte Kraker gegenüber Ö1. Deswegen habe man von der Möglichkeit, einen Wirtschaftsprüfer für die Prüfung der Wahlwerbungsausgaben (für die Nationalratswahl 2019) einzusetzen, auch Gebrauch gemacht.

„Wird uns berichten“

Kraker gab an, dass der vom RH beauftragte Prüfer mehr Unterlagen einsehen dürfe als der RH selbst. „Er wird uns berichten, ob die Zweifel, die der Rechnungshof hat, zu Recht bestanden haben, oder eben nicht“, so Kraker. Wenn sich bestätige, dass etwa Wahlwerbungskosten überschritten worden wären, müsse man eine Mitteilung an den Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) machen, dieser könne in weiterer Folge auch Strafen aussprechen.

„Noch nicht alle Bedenken ausgeräumt“

Dass bereits zwei Wirtschaftsprüfern angesichts des Rechenschaftsberichts der ÖVP keine Zweifel gekommen seien, konnte sich Kraker nicht erklären. „Wir glauben, dass nicht alle Bedenken ausgeräumt sind, es bestehen noch Zweifel“, sagte Kraker dazu. Generell hofft die RH-Präsidentin auf eine möglichst rasche Erledigung des Falles.

Wenn seitens der Kammer rasch ein Wirtschaftsprüfer nominiert werde und es seitens der ÖVP „auch die Kooperation gibt“, könne es hinsichtlich der Prüfung „möglicherweise sehr rasch“ gehen – gegebenenfalls noch heuer, so Kraker („Ich hoffe es sehr“). Sie habe aber vernommen, dass derzeit „alle Stellen kooperativ“ seien.

Von Vorarlberg bis Seniorenbund

Aufklärungsbedarf ortet der RH auch rund um zwei Studien vom Finanzministerium und um „Vorgänge in Vorarlberg“. Hier habe die Prüfung von Inseraten Hinweise auf verdeckte Parteispenden ergeben.

Auch in der Causa Seniorenbund werden Probleme geortet: So wertet der RH die mit Coronavirus-Hilfsmitteln geförderten Vereine des ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP, womit diese keine CoV-Hilfen hätten beziehen dürfen. Der RH will sich die Vergabe der Hilfen näher anschauen. Öffentliche Förderungen könne der Rechnungshof natürlich prüfen, so Kraker: „Und das wird uns auch interessieren.“

Unabhängige Vereine oder Teil der ÖVP?

Unter anderem soll der UPTS im Kanzleramt bzw. in weiterer Folge das Bundesverwaltungsgericht die Frage klären, ob die Seniorenorganisationen tatsächlich (wie von der ÖVP behauptet) von der Partei unabhängige Vereine sind oder vielmehr ein Teil der ÖVP. Der RH ist der Ansicht, dass diese der ÖVP zuzurechnen sind. Von dieser Frage hänge auch ab, „was mit den Förderungen ist“, so Kraker.

Die Mittel aus dem „Non Profit Organisationen-Unterstützungsfonds“ sind eigentlich für gemeinnützige Organisationen bestimmt. Parteien und ihre Teilorganisationen sind von diesem Topf ausgeschlossen. Die Inserate in der Zeitung des Vorarlberger Wirtschaftsbundes, die der Rechnungshof ebenfalls beim UPTS angezeigt hat, würden auch in den kommenden Jahren vom RH unter die Lupe genommen. „Wir prüfen jährlich“, so Kraker.

ÖVP: „Wird sich als haltlos herausstellen“

Von der ÖVP hieß es am Samstag, dass sich die „vom Rechnungshof behaupteten Verstöße durch die Volkspartei als haltlos herausstellen“ werden. Dass sich der RH durch einen dritten Wirtschaftsprüfer absichern möchte, nehme man zur Kenntnis. Der Prüfung sehe man „gelassen“ entgegen, die ÖVP habe „alle Kosten der Wahlkämpfe 2019 lückenlos und korrekt angegeben“, hieß es in einer Aussendung.

Laut RH habe der Umstand, wonach für den Nationalratswahlkampf (5,6 Mio. Euro) deutlich weniger als für die EU-Parlamentswahl (6,9 Mio. Euro) ausgegeben worden sei, Zweifel hervorgerufen. Das sei „mit der politischen Lebenswirklichkeit für den Rechnungshof schwer in Einklang zu bringen“, hieß es dazu in der Stellungnahme des RH – laut RH-Chefin Kraker lasse man sich von der ÖVP „aber gerne davon überzeugen“.

In der aktuellen ÖVP-Aussendung hieß es indes weiter, dass auch alle Spenden, die die ÖVP erhalten habe, „korrekt verbucht worden“ seien – entsprechende Meldeverpflichtungen seien „zu jedem Zeitpunkt eingehalten“ worden. Auch die Teilorganisation „ÖVP Senioren“, die laut Partei statutarisch wie finanziell klar getrennt vom gemeinnützigen Verein „Österreichischer Seniorenbund“ ist, habe alle erforderlichen Unterlagen fristgerecht und vollständig beantwortet und übermittelt.

„Toxische Mischung“ für ÖVP

Politikberater Thomas Hofer ortete in der ZIB2 am Freitag angesichts der Serie nicht abreißender Vorwürfe eine „toxische Mischung“ für die Kanzlerpartei. Bundeskanzler Karl Nehammer sei von den Enthüllungen der vergangenen Monate – Stichwort Chats – weitgehend unberührt geblieben.

Doch die jüngsten Vorwürfe könnten für den damaligen Generalsekretär Nehammer durchaus zum „persönlichen Problem“ werden, so Hofer. Er war damals für den Wahlkampf verantwortlich. Grundsätzlich sei für die ÖVP vor allem schwierig, dass immer wieder neue Vorwürfe – etwa das Thema Wirtschaftsbund oder die Cobra-Affäre – auftauchen und damit „nachhaltiger Schaden am ÖVP-Image“ drohe. Diese Mischung sei „toxisch“.

Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger verwies indes ebenfalls in der ZIB2 darauf, dass sich der RH bei seiner Einschätzung zu den Wahlkampfkosten auf interne Dokumente beriefe, die dem RH laut eigenen Angaben zugespielt wurden. Es liege nahe, dass es sich um Dokumente handle, die bereits 2019 im „Falter“ thematisiert worden waren. Den damaligen Berichten zufolge hätten sich Hinweise auf eine doppelte Planung bezüglich der Angabe bzw. Nichtangabe von Wahlwerbungskosten ergeben. Dazu stelle sich nun die „juristische Frage“ der Zulässigkeit, so Sickinger.

RH zweifelt an ÖVP-Bilanz

Der Rechnungshof hat die ÖVP-Bilanz für das Wahljahr 2019 veröffentlicht und Zweifel angemeldet. Konkret geht es um die Wahlkampfkosten.

Bußgeld wäre wohl höher als 2017

Sollte es die Überschreitung tatsächlich gegeben haben, drohen der ÖVP eine Meldung an den UPTS, in weiterer Folge die Verhängung eines Bußgelds. Ein solches hatte die ÖVP bereits wegen der Überschreitung der Kosten im Wahlkampf 2017 zahlen müssen, mittlerweile wurden die Gesetze verschärft, und eine Strafe könnte höher ausfallen als damals.

Hubert Sickinger zu ÖVP-Finanzen

Zum Bericht des Rechnungshofs über die Wahlkampfkosten der ÖVP ist Politikwissenschaftler Hubert Sickinger zu Gast im Studio.

Der Parteienfinanzierungsexperte stellte fest, dass die vom RH kritisierten Konstruktionen kein Unikum der ÖVP seien, diese in der Partei aber besonders häufig auftreten würden. Das liege an der differenzierten Parteistruktur und einer Vielzahl an „Vehikeln“, so gebe die ÖVP etwa mehr Medien heraus als andere Parteien. Durch diese Strukturen gebe es „mehr Gelegenheit“.

Grüne sprechen von „miesem Zeugnis“

Der grüne Koalitionspartner sprach von einem „miesen Zeugnis“. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ortete einen „vernichtenden RH-Bericht zu den ÖVP-Finanzen“. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz zeigte sich „fassungslos“ und nannte die Zahlen der ÖVP ein „einziges Schummel- und Blendwerk“. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos forderte am Samstag, die ÖVP müsse „alle Karten auf den Tisch legen“ und „für ihre Fehler geradestehen und aufhören, Steuergeld für ihre eigenen Zwecke zu verschleudern und einzustreifen.“