Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
APA/AFP/Ludovic Marin
Parlamentswahl

Macrons Lager steuert auf Mehrheit zu

Nach der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich muss Präsident Emmanuel Macron noch weiter bangen, darf aber auch hoffen. Laut Hochrechnungen liegt sein Wahlbündnis zwar gleichauf mit der größten Konkurrenz, der linken Allianz unter Jean-Luc Melenchon. Macrons Bündnis wird wegen des Mehrheitswahlrechts wohl dennoch die meisten Sitze in der Nationalversammlung bekommen.

Macron, erst im April als Staatsoberhaupt bestätigt, hat nach der ersten Runde der Parlamentswahl Aussicht auf eine klare Mehrheit in der Nationalversammlung. Die ersten Hochrechnungen des Abends nach Wahlschluss sahen das Mitte-Lager des Präsidenten zwar mit 25,2 bis 25,6 Prozent nahezu gleichauf mit dem Linksbündnis mit 25,2 bis 26,1 Prozent. Prognosen gehen bei der Sitzverteilung nach der zweiten Wahlrunde in einer Woche allerdings von einer deutlichen Mehrheit für das Bündnis des Liberalen aus.

Demzufolge könnte das Macron-Lager auf etwa 255 bis 310 der 577 Sitze in der Nationalversammlung kommen. Unklar ist, ob eine absolute Mehrheit mit mindestens 289 Sitzen erreicht wird.

Wahlsystem mit Tücken

Macrons Bündnis trat unter dem Namen Ensemble an. Es wird von der jüngst in Renaissance umbenannten Präsidentenpartei (früher La Republique en Marche), der zentristischen MoDem sowie einigen Kleinparteien – allesamt aus dem liberalen und Mitte-Lager – gebildet. Das linke Bündnis trat unter dem Akronym NUPES (Nouvelle Union populaire ecologique et sociale, dt.: Neue ökologische und soziale Volksunion) an, es wird angeführt vom altgedienten Linkspolitiker Jean-Luc Melenchon.

Als Partner seiner Partei La France Insoumise (dt.: Unbeugsames Frankreich) konnte er eine Reihe linksgerichteter Parteien gewinnen, darunter auch die Sozialisten (PS), die bis 2017 noch den Staatspräsidenten gestellt hatten, sowie die Grün-Partei EELV.

Jean-Luc Melenchon
Reuters/Eric Gaillard
Melenchon erzielte einen Erfolg, das Wahlrecht macht ihm aber einen Strich durch die Rechnung

Für NUPES ist das Ergebnis vom Sonntag zwar ein Erfolg, die Prognosen schreiben ihnen aber nur etwa 150 bis 210 der Sitze zu. Die Unterschiede zwischen prozentualem Stimmanteil und der Sitzverteilung erklären sich durch das komplizierte Wahlsystem. Dabei zählen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Wahlkreis.

Melenchon wertete die Teilergebnisse als Sieg. „Die Wahrheit ist, dass die Präsidentschaftspartei in der ersten Runde geschlagen und besiegt ist“, sagte er am Sonntagabend in Paris. „Angesichts dieses Ergebnisses und der außerordentlichen Gelegenheit, die sie für unsere persönlichen Leben und die Zukunft der gemeinsamen Heimat darstellt, rufe ich unser Volk auf, nächsten Sonntag auszuströmen, um natürlich die verhängnisvollen Vorhaben der Mehrheit von Herrn Macron definitiv zurückzuweisen“, sagte er mit Blick auf die Stichwahl in einer Woche.

Le Pen: „Immenser Sieg“

Für das Lager der Rechtsnationalistin Marine Le Pen zeigten die Hochrechnungen starke 18,9 bis 19,2 Prozent. Nach den Prognosen kann sie dennoch nur auf zehn bis 45 der 577 Sitze im Parlament hoffen. 15 Sitze sind erforderlich, um als Fraktion im Parlament vertreten zu sein. Le Pen bezeichnete das Abschneiden ihrer Partei dennoch als „immensen Sieg“: „Es ist wichtig, dass Emmanuel Macron nicht über eine absolute Mehrheit verfügt, die er missbrauchen wird, um seine selbstzentrierten und brutalen Methoden anzuwenden“, sagte Le Pen am Sonntagabend. „Die zweite Runde bietet uns die Möglichkeit, eine sehr große Gruppe von patriotischen Abgeordneten in die Nationalversammlung zu entsenden.“

Die bisher stärkste Oppositionskraft, die konservativen Republikaner, stürzten mit Verbündeten auf nur noch elf bis 14 Prozent bzw. 40 bis 80 Mandate ab.

„Cohabitation“ unerwünscht

Bei der Parlamentswahl geht es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Diese sind etwa die umstrittene Pensionsreform, Kaufkrafthilfen in der Krise sowie dringend nötige Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen. Auch die Umweltpolitik will der Liberale stärker in den Fokus rücken, neben erneuerbaren Energien vor allem aber den Ausbau der Atomkraft vorantreiben. Für all das benötigt er eine Mehrheit im Parlament. Die zweite Kammer, der Senat, ist dabei weniger wichtig als die Nationalversammlung und derzeit konservativ geprägt.

Sollten die Stimmen in der Nationalversammlung am Ende nur für eine relative Mehrheit reichen, wären der Präsident und die Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen.

Für Macron wäre ein solcher Ausgang eine folgenschwere Schlappe: Erstmals seit 2002 käme es dann in Frankreich zur „Cohabitation“, also der Teilung der Macht zwischen dem Präsidenten und der Parlamentsmehrheit. Auch ein Premierminister oder eine Premierministerin aus einem anderen Lager wäre möglich. Melenchon hatte sich selbst auch schon als Premierminister ins Gespräch gebracht. Möglich wäre auch eine Minderheitsregierung, die sich je nach Vorhaben auf Mitte-links- oder Mitte-rechts-Kräfte zu stützen versucht.

Niedrige Beteiligung

Auch wenn viele Franzosen unzufrieden mit Macrons erster Amtszeit waren, profitierte der 44-Jährige davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen traditionell vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zu Hause. Die Wahlbeteiligung am Sonntag war allerdings mit etwas mehr als 50 Prozent historisch niedrig.