Ein Blick in den Plernarsaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlamentsausweichquartier in der Wiener Hofburg
APA/Roland Schlager
Vor NR-Sitzung

Gast aus der Ukraine im Parlament

Der Ukraine-Krieg wirft seine Schatten auf den Nationalrat. In den kommenden zwei Tagen werden allen voran Themen, die auf den russischen Angriffskrieg zurückzuführen sind, die Debatten dominieren. Einerseits wird es um Maßnahmen gegen die Teuerung gehen – auf der anderen Seite wird aber auch ein Gast aus der Ukraine erwartet.

Seit einigen Tagen ist das Präsidium des ukrainischen Parlaments in Europa unterwegs, um mit Politikern und Politikerinnen über den Krieg und den EU-Beitritt der Ukraine zu sprechen. Nach Auftritten in Straßburg und in Berlin wird Ruslan Stefantschuk, Parlamentspräsident der Ukraine, am Dienstag eine Rede im Parlament halten. Der Auftritt des ukrainischen Politikers findet im Rahmen einer parlamentarischen Veranstaltung statt. Der Nationalrat tagt erst im Anschluss.

Diese Lösung hat eine Vergangenheit: Vor einigen Wochen hatte es eine Diskussion über eine mögliche Videoansprache des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem Nationalrat gegeben. NEOS hatte eine Einladung verlangt, die FPÖ lehnte ab, die SPÖ zögerte. Am Ende konnte man sich nicht einigen, Selenskyj sprach bisher nicht.

Mit der parlamentarischen Veranstaltung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), in der Stefantschuk am Dienstag seine Rede halten wird, wird nun offenbar versucht, die Brücke zu schlagen. Denn die Nationalratssitzung wird davon nicht berührt. Von einer Teilnahme der FPÖ ist aber nicht auszugehen. FPÖ-Chef Herbert Kickl wolle sich nicht vor den „ukrainischen Propagandakarren“ spannen lassen.

Ukraines Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk Anfang Juni 2022 im EU-Parlament in Straßbourg
APA/AFP/Frederick Florin
Der ukrainische Parlamentspräsident Stefantschuk sprach vor einer Woche vor dem EU-Parlament

Folgen des russischen Angriffskrieges

Nach der Rede von Stefantschuk können die anwesenden Fraktionen Wortmeldungen abgeben. Erst danach findet eine Aktuelle Stunde statt, die sich freilich auch mit Russland und der Ukraine beschäftigt: die Teuerung. NEOS will die Abschaffung der kalten Progression debattieren. Ob diese Maßnahme noch vor dem Sommer beschlossen wird, ist unklar.

Fix ist, dass Geld für mehr Unabhängigkeit von russischem Gas in die Hand genommen wird. Als Ausgleich für die entstehenden Mehrkosten durch die Diversifizierung der Gasversorgung bzw. die Umstellung von Anlagen sollen bis 2025 jeweils jährlich 100 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Festgelegt werden soll ferner, dass ungenutzte Speicherkapazitäten von Nutzern und Nutzerinnen unverzüglich anzubieten oder zurückzugeben sind. Bleiben sie systematisch ungenutzt, sind sie dem Unternehmen nach vorhergehender schriftlicher Ankündigung zu entziehen.

SPÖ: „Auf was will man noch warten?“

SPÖ, FPÖ und NEOS übten bereits vor den kommenden Plenartagen scharfe Kritik an der Regierung. SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried forderte bei einer Pressekonferenz am Montag Neuwahlen und bekräftigte Forderungen nach einem Antiteuerungspaket – auch wenn er der Regierung das nicht zutraut. Die Schlangen vor den Sozialmärkten würden immer länger, die Rettung warne angesichts der Spritpreise, dass sie bald nicht mehr ausfahren könne. „Auf was will man noch warten?“, fragte Leichtfried.

Der Staat müsse befristet in die Treibstoffpreise eingreifen. Von Unternehmen, die im Windschatten der Krise riesige Gewinne gemacht haben, müsse das Geld mittels Sondersteuer zurückgeholt werden, kündigte Leichtfried einen entsprechenden Antrag im Nationalrat an. Beantragen will man auch mehr Geld für Pensionisten.

Dass es im rot regierten Wien auch nicht so rosig ausschaut, wo etwa quasi eine Verdoppelung der Fernwärmepreise auf dem Tisch liegt, wies Leichtfried zurück: Die hohen Gaspreise bedeuteten steigende Kosten für Energieunternehmen, deshalb sei es schwierig, keine Anpassungen vorzunehmen, und diese „Substanzkosten“ würden nicht angegangen, das sei das Problem. Und außerdem werde die Stadt Wien diese Entwicklung mit einem eigenen Paket „abfedern“.

NEOS: Koalition verwaltet Stillstand

NEOS drängt auf die Abschaffung der kalten Progression. Diese Maßnahme würde viel schneller wirken als die Gutscheinpolitik der Regierung, meinte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Pressekonferenz Montagvormittag. Zudem würden kleinere Einkommen proportional sogar stärker entlastet werden.

Auch dem Argument, dass die Regierung dann nicht mehr die nötige Manövriermasse für Entlastungen hätte, kann Loacker nichts abgewinnen. Betroffen wäre ja nur die Lohn- und Einkommenssteuer. Umsatzsteuer oder Grunderwerbssteuer würden beispielsweise unverändert sprudeln. Spezieller Vorteil der Abschaffung gegenüber Einmalmaßnahmen sei deren dauerhafte Wirksamkeit. Die hohe Inflation sei gekommen, um zu bleiben: „Die Abschaffung der kalten Progression hilft jedes Jahr.“

Ziel von NEOS-Attacken war neuerlich die Regierung. Klubvize Nikolaus Scherak warf der Koalition vor, bloß den Stillstand zu verwalten. Das hänge auch damit zusammen, dass die ÖVP ausschließlich mit sich und ihren eigenen Skandalen beschäftigt sei. Es gehe nur um Tricksen und Täuschen auf Kosten der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen.

FPÖ: „ÖVP ist ein Korruptionsproblem“

Die FPÖ will im Nationalrat ebenfalls die „unglaubliche Selbstbedienungsmentalität“ der ÖVP aufs Tapet bringen. Die Volkspartei habe kein Korruptionsproblem, konstatierte Parteichef Kickl in einer Pressekonferenz. Wahr sei vielmehr: „Die ÖVP ist ein Korruptionsproblem.“ Auch er verwies unter anderem auf die Bedenken des Rechnungshofes zu den ÖVP-Finanzen. Die Volkspartei sei „in Wahrheit eine kriminelle Vereinigung“ bzw. ein „korrupter Sauhaufen“, hier müsse demnächst der „Mafia-Paragraf“ zum Einsatz kommen, befand Kickl.

Die FPÖ wird das Thema auch mittels dringlicher Initiative behandelt, wie der Parteichef ankündigte. Details wolle er aber noch nicht verraten – also weder, an welchem Tag das geplant ist, noch, wer Rede und Antwort stehen muss. Man wolle nämlich die „Fluchtwege“ versperren und verhindern, dass sich die Betroffenen schon jetzt darauf vorbereiten könnten.

Freilich ließ auch Leichtfried kein gutes Haar an der ÖVP. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei „Teil des Problems, das die ÖVP hat“, und nicht Teil der Lösung, meinte er. Dass die ÖVP in die ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ Sonntagabend ihren Anwalt Werner Suppan statt einen politischen Vertreter geschickt hat, ist für Leichtfried „peinlich“. Wolfgang Schüssel sei oft als Schweigekanzler tituliert worden, aber „gegen den Herrn Nehammer war der Herr Schüssel eine Plaudertasche im Vergleich“, meinte Leichtfried.