Nordirland-Protokoll: London beschwichtigt, Dublin wütend

Nach monatelangem Ringen um das Nordirland-Protokoll zum Brexit stellt Großbritanniens Premierminister Boris Johnson die umstrittenen Änderungspläne seiner Regierung als eine verwaltungstechnische Formsache dar.

„Wir versuchen nur einige bürokratische Vereinfachungen zwischen Großbritannien und Nordirland zu erreichen“, sagte Johnson dem Radiosender LBC. Der irische Außenminister Simon Coveney sprach heute dagegen offen von „Rechtsbruch“.

Es handle sich um eine Reihe „relativ trivialer Änderungen“, so Johnson. Falls die EU als Reaktion auf britische Gesetzespläne einen Handelskrieg begänne, wäre das eine „grobe Überreaktion“. Noch heute wollte Außenministerin Liz Truss einen Gesetzesentwurf für das im Zuge des Brexit ausgehandelte Abkommen vorlegen, was das Risiko eines Handelskrieges mit der EU erhöhen dürfte.

EU warnt vor Unsicherheit

Truss forderte von der EU erneut die Bereitschaft zur Überarbeitung des Nordirland-Protokolls: „Unsere Präferenz ist eine Verhandlungslösung, aber die EU muss eine Änderung des Protokolls selbst wollen“, schrieb die Ministerin auf Twitter.

Sie habe mit EU-Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic über die geplante Gesetzesvorlage gesprochen. Mit der Initiative sollten die „Probleme mit Nordirland behoben und politische Stabilität wiederhergestellt“ werden. Die britische Regierung hat das Nordirland-Protokoll selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, es inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt.

Sefcovic dagegen warnte vor einseitigen Maßnahmen. Das schade dem gegenseitigen Vertrauen und sorge für Unsicherheit, so der EU-Chefverhandler nach dem Telefonat mit Truss.

Coveney befürchtet Schaden

Die derzeitige Vereinbarung sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten.

Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt. Das führte unter anderem zu Lieferproblemen und auch insgesamt zu großem Unmut in Großbritannien.

Der irische Außenminister Coveney ließ nach einem Telefongespräch mit Truss durch seinen Sprecher ausrichten, die von London geplante Gesetzesvorlage breche internationales Recht und sei ein besonderer Tiefpunkt der britischen Herangehensweise an den Brexit. „Dieses Gesetz ist weit davon entfernt, Probleme zu lösen, sondern wird eine ganze Reihe neuer Unsicherheiten auslösen und Schaden anrichten.“