UNO: Ungleichheit so groß wie seit 100 Jahren nicht mehr

Angesichts der weltweit wachsenden Armut hat die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die reichen Länder zu mehr Entwicklungshilfe aufgefordert.

Die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung hätten mit der CoV-Pandemie die größten Einkommenseinbußen erlitten, sagte Bachelet gestern zum Auftakt der Sitzung des UNO-Menschenrechtsrats in Genf. Die Ungleichheit in der Welt sei laut einer Studie so groß wie seit mehr als 100 Jahren nicht mehr.

Ärmere Länder ächzten unter großen Schuldenbergen. Entwicklungsländer müssten in diesem Jahr mehr als 300 Milliarden Dollar (rund 280 Mrd. Euro) allein dafür aufbringen, Darlehen zu bedienen; Geld, das fehle, um in ihre Entwicklung zu investieren. Zur Bewältigung der Schuldenkrise müssten neue Lösungen gefunden werden.

Sie rief reiche Länder auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die internationale Zusammenarbeit bereitzustellen.

Menschenrechte: Kritik an zahlreichen Ländern

Bachelet erwähnte zahlreiche Länder mit besorgniserregenden Entwicklungen. Sie sprach über die verheerenden Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und die weltweiten Folgen.

Sie kritisierte die Verhaftung von Kriegsgegnern in Russland und die Einschränkung der Presse- und Redefreiheit. Bei ihrer kürzlichen Reise nach China habe sie Sorge über die Internierung von Uiguren und anderen muslimischen Minderheiten in Xinjiang und Menschenrechtsverletzungen gegen sie zur Sprache gebracht.

Die Hochkommissarin kritisierte Prozesse gegen Regierungskritiker in der Türkei wie Osman Kavala. Sie verlangte von Israel eine lückenlose Aufklärung über den Fall der vor einigen Wochen im Westjordanland getöteten Journalistin Schirin Abu Akle. Sie sei besorgt über Pläne der britischen Regierung, die Menschenrechtsgesetze zu beschneiden.

Keine Bewerbung für zweite Amtszeit

Bachelet teilte gestern überraschend auch mit, dass sie sich nicht für eine zweite Amtszeit bewirbt. Das Mandat von Bachelet läuft im August ab. Sie machte persönliche Gründe dafür geltend. „Ich bin schließlich keine junge Frau mehr“, sagte die 70-jährige Ärztin und ehemalige Präsidentin von Chile. „Nach einer langen und reichhaltigen Karriere will ich zu meiner Familie und in mein Land zurückkehren.“

Bachelet wies Spekulationen zurück, dass der Rückzug mit ihrer jüngsten scharf kritisierten Reise im Mai nach China zu tun habe. Bachelet war nach monatelangen Verhandlungen mit der Regierung in Peking unter anderem in die nordwestchinesische Region Xinjiang gereist, in der Uiguren und Angehörige anderer muslimischer Minderheiten nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen seit Jahren misshandelt und drangsaliert werden. Bachelet hatte zum Abschluss ihres Besuchs auf direkte Kritik an der chinesischen Führung verzichtet.