Eine Mutter aus Bulgarien hält ihre Tochter in den Armen
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Indexierung

EuGH-Urteil zu Familienbeihilfe erwartet

Am Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil über die unter der türkis-blauen Regierung in Österreich eingeführte Indexierung der Familienbeihilfe bekanntgeben. Die Familienbeihilfe wurde an den Wohnort der Kinder geknüpft, was vor allem bei Pflegekräften aus Osteuropa zu Einbußen führte. Die EU-Kommission erachtete die Indexierung als diskriminierend und reichte im Mai 2020 Klage ein.

Im Jänner erklärte ein EuGH-Gutachten die Indexierung der Familienbeihilfe für unzulässig. Die Indexierung war ein Prestigeprojekt der ÖVP-FPÖ-Regierung des damaligen Kanzlers Sebastian Kurz und der damaligen Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (beide ÖVP). Familienleistungen und Kinderabsetzbeträge für in Österreich arbeitende EU-Bürgerinnen und -Bürger wurden an die Lebenserhaltungskosten in dem Land, in dem die Kinder leben, angepasst.

Die ÖVP-FPÖ-Koalition wollte damit 114 Millionen Euro jährlich einsparen – ein Ziel, das offensichtlich verfehlt wurde: Laut Anfragebeantwortungen zahlte der Staat im Vergleich zu 2018 im Jahr 2019 62 Millionen Euro, 2020 87 Millionen und 2021 141 Millionen weniger aus.

Von Anfang an umstritten

Während man durch die Indexierung für Kinder, die etwa in der Schweiz, Großbritannien oder Irland leben, mehr bekommt, gibt es für Kinder in Rumänien nicht einmal die Hälfte von dem, was für ein Kind in Österreich ausgezahlt wird. Kinder in Bulgarien erhalten noch weniger. Die Indexierung der Familienbeihilfe war von Anfang an umstritten. Argumentiert wurde beim Beschluss des Gesetzes in Österreich damit, dass die Lebenserhaltungskosten vom Wohnort abhängig seien. Daher sei es unfair, wenn überall dieselbe Summe ausbezahlt werde.

Sowohl die Nachbarländer als auch Europarechtsexperten und -expertinnen hielten das Ansinnen schon vor Beschluss mit dem Europarecht für unvereinbar. Seitens der EU-Kommission hieß es, die Indexierung der Familienbeihilfe sei nicht nur rechtswidrig, sondern auch diskriminierend. Sie gilt nämlich nicht für österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die im Ausland für österreichische Behörden arbeiten und deren Kinder dort mit ihnen leben – „obwohl ihre Situation vergleichbar ist“. Die EU-Behörde reichte beim EuGH Klage ein.

EuGH-Generalanwalt: Indexierung unzulässig

Der EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour erklärte die Indexierung bereits für unzulässig. Sie verstoße gegen EU-Recht. Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten müssten in Österreich unabhängig vom Aufenthaltsort ihrer Kinder die gleichen Beihilfen und steuerlichen Vergünstigungen wie österreichische Arbeitnehmer erhalten können, hieß es in den im Jänner veröffentlichten Schlussanträgen.

Die Betroffenen würden schließlich in gleicher Weise zur Finanzierung des österreichischen Sozial- und Steuersystems beitragen wie österreichische Arbeitnehmer, argumentierte de la Tour. Eine Festsetzung der Höhe der Familienleistungen nach dem Wohnsitz stelle eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts dar.

Familienministerium: Sind vorbereitet

Diese Schlussanträge sind zwar für Staaten konsequenzenlos und für EuGH-Richter unverbindlich, meistens halten sich die Richter jedoch daran. Sollte das auch am Donnerstag der Fall sein, könnte Österreich Nachzahlungen leisten müssen. Aus dem Familienministerium hieß es dazu, man sei „für alle etwaigen Rechtsfolgen durch das Urteil des Gerichtshofs vorbereitet“. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) hat laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung im Mai bereits Rückstellungen von 220 Mio. Euro für mögliche Rückzahlungen gebildet.