Bierflaschen auf einem Tisch im Schanigarten
ORF.at/Roland WInkler
CoV-Prognose

Wachstum „weiter beschleunigt“

Die Coronavirus-Fallzahlen steigen seit Ende Mai kontinuierlich. Schon vor Tagen wurde wegen der Omikron-Varianten BA.5/BA.4 vor einer Sommerwelle gewarnt. Die Experten und Expertinnen des Covid-Prognosekonsortium erwarten, dass sich das Wachstum der neuen Infektionen „noch weiter beschleunigt“.

Der Krisenstab meldete am Mittwoch knapp 7.000 Neuinfektionen in den vergangenen 24 Stunden. Eine Woche davor wurden 3.400 neue Infektionen registriert. Die Zahlen spiegeln freilich nicht tatsächliche Infektionen wider. Die Zahl der Testungen ist in den vergangenen Wochen zurückgegangen. Das könnte heißen, dass asymptomatisch verlaufende Infektionen häufig nicht entdeckt werden. Derzeit liegen 511 Personen in den Krankenhäusern, davon 34 auf der Intensivstation.

In seinem aktuellen Papier schreibt das Covid-Prognosekonsortium, dass die Omikron-Subvariante BA.4/BA.5 „maßgeblich“ für den Anstieg verantwortlich sei. Derzeit liege der Anteil der Subvariante an den Gesamtfällen bei mehr als 30 Prozent – in der Woche davor lag der Anteil noch rund 18 Prozent. Es sei zu erwarten, dass BA.4/BA.5 „innerhalb der nächsten Woche dominant wird und sich damit das Wachstum der neuen Infektionen noch weiter beschleunigt. Ein Anteil von 95 Prozent wird in etwas mehr als einem Monat erwartet.“

Die Fachleute gehen davon aus, dass bis nächste Woche die 7-Tages-Inzidenz im Bereich von 400 bis 670 Fällen je 100.000 Einwohner bzw. Einwohnerinnen liegen wird. „Als Mittelwert kann ein Punktschätzer von 500 angegeben werden, der jedoch nur in Zusammenhang mit der angegebenen Schwankungsbreite aussagekräftig ist“, heißt es im Bericht. Derzeit liegt die 7-Tages-Inzidenz bei knapp über 300 je 100.000 Einwohner bzw. Einwohnerinnen.

„Wöchentliche Verdoppelung der BA.5/BA.4-Anteile“

Auch die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (GECKO) hatte am Mittwoch ihren Report veröffentlicht und dabei auf das Covid-Prognosekonsortium verwiesen: „Die Prognose geht von einem weiteren Anstieg der Fallzahlen aus. Dieselbe Entwicklung wird auch bei den Belagszahlen der Normal- und der Intensivstationen prognostiziert.“ Derzeit ist die Hospitalisierungsrate niedrig, die Zahl der mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegten Intensivbetten bleibt stabil.

Im GECKO-Bericht wird insbesondere auf die Omikron-Subvariante BA.5 verwiesen, die derzeit in Portugal eine Welle verursacht. „In Österreich sehen wir eine nahezu wöchentliche Verdoppelung der Anteile von BA.5/BA.4 bei den Neuinfektionen“, heißt es dazu im Bericht. Auch verweist der Report darauf, dass sich die Omikron-Subvariante „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ auf die Effektivität bestehender Antikörpertherapien auswirken dürfte.

Ampel: Risiko steigt

Zur weiteren Entwicklung stellte Simulationsforscher Niki Popper in der Kommission laut Bericht Szenarien zum Immunitätsverlauf bis Jahresende vor. In allen angenommenen realistischen Szenarien (es handelt sich dabei ausdrücklich um keine Prognose, Anm.) würden Infektionswellen entstehen, „die wiederum zu neuerlicher Immunisierung (und damit Peaks) führen“.

Bei einem „BA.2-Szenario“ könnten bis zu 350.000 Fälle (15–25 Prozent) verhindert werden, sofern 50 Prozent aller Grundimmunisierten eine weitere Auffrischungsimpfung erhalten, so der Bericht. Mit Hilfe von zusätzlichen Auffrischungsimpfungen würde sich die Maximalauslastung in der Spitalsbelegung stärker reduzieren lassen, teilweise um etwa 25 Prozent.

Die steigenden Infektionszahlen lassen sich nun auch von der CoV-Ampel ablesen. Drei Bundesländer sind wieder in den Bereich des mittleren Risikos abgerutscht. Es handelt sich dabei um Wien, Salzburg und Vorarlberg, die von der zuständigen Kommission als gelb bewertet wurden, da ihre Risikozahl über 25 gestiegen ist. Die übrigen Länder bleiben im grün-gelben Bereich des geringen Risikos.

Nächste Welle im Oktober/November – oder früher

Popper erwartet die nächste Welle (je nach definiertem Szenario) entweder erst im Oktober/November oder schon früher – nämlich dann, wenn sich andere (Sub-)Varianten als BA.2 ausbreiten, wie es derzeit absehbar ist. In diesem Fall werden die Fallzahlen bereits im Juni und Juli steigen und bereits im August oder September einen Peak erzeugen. Sollte das so eintreten, dann werde die folgende „Herbstwelle“ ein wenig später und weniger stark ausgeprägt stattfinden (sofern Kreuzimmunität besteht).

Fix ist das freilich nicht: „Bei entsprechend schnellerer Verbreitung anderer (Sub-)Varianten können sich diese Prozesse noch weiter nach vorne verschieben“, heißt es im Bericht. Zu den Auswirkungen auf das Gesundheitssystem erklärte Popper in der Kommission, ein schneller hoher Peak könnte über einen kürzeren Zeitraum zu hohen Belagsständen auf den Intensivstationen und den Normalstationen führen.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne)

„Erhält man jedoch zunächst eine kleinere Welle im Frühherbst und danach eine reduzierte Welle im Winter, ist (je nach Virulenz der neuen dominanten Variante) gemäß Simulation auch die Momentanbelastung im Spital vor allem auf den Intensivstationen geringer“, so der Bericht. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) rechnete am Mittwoch im Nationalrat mit deutlich steigenden Zahlen in den kommenden Wochen. „Wir werden mit den gelindesten Mitteln versuchen, eine Überlastung des Gesundheitsbereiches zu verhindern“, so Rauch.

Geringere Mortalität „Artefakt der Durchimpfung“

GECKO verweist in ihrem Report übrigens auf eine Untersuchung der Impfeffektivität in Wien: Eine Auswertung von (vorerst nicht validierten) Daten der Landessanitätsdirektion Wien zeigt, dass die Mortalität bei Ungeimpften über den Gesamtzeitraum der Pandemie konstant blieb (Erhebungszeitraum 26. Februar 2020 bis 7. April 2022). „Das heißt, die scheinbar geringere Mortalität der Delta- und Omikron-Varianten ist ein Artefakt der Durchimpfung der Bevölkerung.“

Auch könnte diese Untersuchung möglicherweise für die nächsten Entscheidungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) von Bedeutung sein. Denn die Impfeffektivität war hinsichtlich der Mortalität in der Omikron-Phase deutlich niedriger als in vorangegangen Phasen – in Abhängigkeit vom Abstand zur dritten Impfung: Je nach Abstand zeigte sich für die Omikron-Phase ein Anstieg der Mortalität – und zwar in der Größenordnung von 30 Prozent pro Monat (nach der dritten Impfung) bei Personen von 65 Jahren oder älter.

Sobald die Daten validiert sind, könnte sich daraus „die Empfehlung ergeben, engmaschigere Auffrischung in bestimmten Personengruppen durchzuführen“, so GECKO – die Ergebnisse werden in der nächsten Sitzung des NIG diskutiert werden. Derzeit wird eine vierte Impfung für Personen ab 80 Jahren vom NIG dezidiert empfohlen, für über 65-Jährige lautet die NIG-Vorgabe, dass eine solche Auffrischung erfolgen „kann“. Für jüngere Personen ist sie nicht empfohlen, soll aber auf Wunsch auch „nicht vorenthalten werden“.