Gasfeld
Reuters/Gleb Garanich
Frankreich, Italien

Russland drosselt Gaslieferungen drastisch

Russland drosselt seine Gaslieferungen nach Europa drastisch – insbesondere an jene drei Länder, deren Staats- und Regierungschefs eben in Kiew waren: Nach Deutschland sind die Lieferungen bereits zuvor um mehr als die Hälfte gedrosselt worden. Frankreich bekommt – auch deshalb – nun gar kein russisches Gas mehr. Und die Gaslieferung nach Italien hat Moskau halbiert. Die heimische E-Control beruhigt.

Russland versucht damit offenbar, den Druck auf Europa, das vor weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine und der Zuerkennung des EU-Kandidatenstatus steht, zu erhöhen. Der französische Netzbetreiber GRTgaz meldete Freitagvormittag, Frankreich erhalte kein russisches Gas mehr über Pipelines. Das sei bereits seit Mittwoch der Fall und zudem der „physischen Unterbrechung des Gasflusses zwischen Frankreich und Deutschland“ geschuldet. Frankreich bekommt 17 Prozent seiner Gaslieferungen aus Russland, das meiste normalerweise über Pipelines, den Rest als Flüssigerdgas.

Der russische Gasprom-Konzern hatte in den vergangenen Tagen seine Lieferungen in eine Reihe von EU-Staaten gedrosselt. So verringerte Gasprom die Lieferungen über die Pipeline „Nord Stream 1“ nach Deutschland um 60 Prozent, auch die Mengen nach Italien und Österreich wurden gedrosselt. Wie GRTgaz mit Blick auf den kommenden Winter weiter mitteilte, sind die Speicher zu 56 Prozent gefüllt. Normal zu dieser Zeit seien rund 50 Prozent.

Weniger Gas aus Russland

Wegen technischer Probleme, wie der russische Gasprom-Konzern mitteilt, sind die Gaslieferungen aus Russland weiter reduziert worden. Neben Österreich sind auch Deutschland, Italien, Tschechien und die Slowakei betroffen.

Italien: Nur noch 50 Prozent

Und kurz darauf berichtete der italienische Gasversorger ENI, dass der russische Energiekonzern Gasprom auch die Lieferung von Erdgas nach Italien reduziert. Demnach sagte Gasprom am Freitag 50 Prozent der bestellten Liefermenge zu. Eigentlich habe Italien an diesem Tag 63 Millionen Kubikmeter Gas aus Russland bestellt. Schon in den vergangenen Tagen waren die Gaslieferungen gedrosselt worden: am Mittwoch um 15 Prozent und am Donnerstag um 35 Prozent der bestellten Mengen.

Auch die Gaslieferungen in die Slowkaei werden laut einem Medienbericht mit Freitag um die Hälfte reduziert. Der Chef des slowakischen Gaslieferanten SPP, Richard Prokypcak, sagte laut der Nachrichtenwebsite Dennik N, die Halbierung sei derzeit kein Problem. SPP arbeite mit dem „realistischen Risiko, dass die Lieferungen ganz eingestellt werden“.

Reparatur und auffälliger Zeitpunkt

Der russische Gasprom-Konzern hatte die drastischen Lieferkürzungen über die Pipeline „Nord Stream 1“ nach Deutschland damit begründet, dass Verzögerungen bei der Reparatur von Gaskompressoren durch Siemens die Kapazität der Ostsee-Pipeline einschränkten. Der Elektrotechnikkonzern Siemens Energy kann in Kanada überholte Gasturbinen derzeit wegen der Russland-Sanktionen nicht an die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 1“ liefern. Kanada sucht nun gemeinsam mit Deutschland nach einer Lösung für eine dort gewartete Turbine.

Das zeitliche Zusammenfallen mit der Kiew-Reise des deutschen Kanzlers Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi ist jedenfalls auffällig. Umso mehr, als Gasprom als Ersatz für die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 1“ die Lieferung via die Ukraine erhöhen könnte, das aber – zumindest bisher – nicht getan hat.

E-Control beruhigt

Die heimische E-Control beruhigte am Freitag. Österreichs Gasspeicher seien gut gefüllt, der Reparaturvorgang ein üblicher und angekündigter Vorgang, und für etwaige Notfälle sei man mit großen wie kleinen Firmen in Kontakt, meinte Vorstand Alfons Haber im Ö1-Morgenjournal.

„Im Vergleich zu anderen Ländern stehen wir gut da“, meinte er. Außerdem hätte Österreich auch andere Lieferländer als Russland, etwa aus dem kaspischen Raum, Nordafrika und Norwegen. Sollte ein Gasnotfall eintreten, dann seien die Firmen vorbereitet und hätten eine Vorlaufzeit von mehreren Tagen. Auch das Klimaministerium sieht keine Anzeichen eines Lieferstopps, beobachtet die Lage aber, hieß es am Donnerstag.

Hitzewelle erhöht Gasverbrauch

Europaweit erholten sich die Lagerbestände heuer, vor allem dank stark gestiegener Flüssiggasimporte. Mit EU-weit 52 Prozent gefüllten Speichern sind schon deutlich mehr als im letzten Jahr (43 Prozent) eingelagert, so das Analyseunternehmen ING Research.

Ein länger anhaltender Lieferstopp werde aber Sorgen über die „Möglichkeiten der EU, vor der nächsten Heizsaison genügend Speicherkapazitäten aufzubauen“, auslösen. Dass die Speichermenge diese Woche erstmals seit April zurückging, sei ein „besorgniserregendes“ Zeichen, so ING Research.

Hintergrund dürfte unter anderem die aktuelle Hitzewelle vor allem im Süden Frankreichs und auf der Iberischen Halbinsel sein. Dort stieg der Gasverbrauch, um den erhöhten Strombedarf für Kühlungen abzudecken. Es ist ein weiteres Beispiel für die enge Verschränkung von zwei der aktuell größten Bedrohungen: dem Ukraine-Krieg und der Klimakrise.

Berlin denkt Pflicht zu Gassparen an

In Deutschland denkt Wirtschaftsminister Robert Habeck bereits laut über ein Gesetz nach, das Verbraucher im Ernstfall zur Reduktion des Gasverbrauchs verpflichten würde. Auf die Frage, ob das auch die Herabsetzung der vorgeschriebenen Mindesttemperatur in Wohnungen im Winter sein könne, antwortete der Minister, „damit haben wir uns noch nicht intensiv auseinandergesetzt. Wir werden uns alle Gesetze, die dort einen Beitrag leisten, anschauen.“

Zugleich appellierte Habeck erneut an Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger, Energie und Gas zu sparen. Das russische Vorgehen seit typisch für Diktatoren und Despoten, sagte Habeck. Das sei eine Kraftprobe zwischen westlichen Alliierten und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.