Deutscher Wirtschaftsminister Minister Habeck
Reuters/Michele Tantussi
Deutschland

Neue Pläne zur Senkung des Gasverbrauchs

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Samstag neue, konkrete Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs in Deutschland angekündigt. Auch Italien ergreift Schritte, um eine Versorgungskrise zu verhindern. Unterdessen wird in Österreich noch beraten, für Sonntagabend ist ein „kleines Krisenkabinett“ geplant.

„Wir werden den Gasverbrauch im Strombereich und der Industrie senken und die Befüllung der Speicher forcieren“, teilte Habeck heute in Berlin mit. Bei der Stromproduktion würden dafür „Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen müssen“, kündigte der Grünen-Minister damit auch – zumindest vorübergehend – erhöhten CO2-Ausstoß an. Den vermehrten Einsatz von Kohle nannte der Minister „bitter“, aber „in dieser Lage schier notwendig“.

Habeck rief die Betreiber von in Reserve gehaltenen Kohlekraftwerken auf, dass sie „sich schon jetzt darauf einstellen sollten, sodass alles so bald wie möglich einsatzbereit ist“. Die angespannte Situation und die hohen Preise seien „eine unmittelbare Folge von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine“, stellte Habeck klar. Gegen die damit verbundene Strategie, zu verunsichern und Preise in die Höhe zu treiben, müsse sich Deutschland „entschlossen, präzise und durchdacht zur Wehr setzen“.

Neues Gasauktionsmodell mit Einsparanreizen

„Wir müssen und wir werden alles daransetzen, im Sommer und Herbst so viel Gas wie möglich einzuspeichern. Die Gasspeicher müssen zum Winter hin voll sein. Das hat oberste Priorität“, erklärte Habeck weiter. Noch im Sommer solle dafür auch ein Gasauktionsmodell an den Start gehen, „das industrielle Gasverbraucher anreizt, Gas einzusparen“.

Diese könnten demnach gegen eine Vergütung „ihren Verbrauch in Engpasssituationen reduzieren und Gas dem Markt zur Verfügung stellen“. „Alles, was wir weniger verbrauchen, hilft. Hier ist die Industrie ein Schlüsselfaktor“, betonte Habeck.

Die Bundesregierung werde auch über die bundeseigene Bank Kredite zur Verfügung stellen, damit die für das Energiemanagement verantwortliche Trading Hub Europe (THE) mehr Gas einkaufen könne. Sollten Nutzer von Gasspeichern Möglichkeiten zur Befüllung nicht nutzen, werde ihnen die Kompetenz dafür entzogen und der THE übertragen, kündigte Habeck an.

LNG-Tankschiff
Reuters/Issei Kato
Italien setzt bei den Alternativen auf mehr LNG – diesmal aus Katar

Italien beteiligt sich an großem Flüssiggasprojekt

Auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas schloss Italien indes einen milliardenschweren Deal mit Katar ab. Der teilstaatliche Energieversorger ENI gab am Sonntag eine Partnerschaft mit QatarEnergy bei einem großen Flüssiggasprojekt bekannt.

Die zwei Konzerne gründeten dafür ein Unternehmen, das 12,5 Prozent an dem Expansionsprojekt North Field East (NFE) halten wird. Dieses soll den Export von Flüssiggas (LNG) aus dem arabischen Land von derzeit 77 auf 110 Millionen Tonnen pro Jahr steigern.

Die Laufzeit der Kooperation beträgt 27 Jahre. In dem Joint Venture wird ENI 25 Prozent der Anteile halten, der Rest gehört QatarEnergy. Vor ENI hatte der Golfstaat schon mit dem französischen Energiekonzern Totalenergies ein ähnliches Abkommen abgeschlossen.

Nehammer beruft „kleines Krisenkabinett“ ein

In Österreich setzten dagegen Regierung und Kontrollbehörde nach der Halbierung der russischen Gaslieferungen auf Beruhigung und ließen nicht erkennen, dass für die kommende Heizsaison zusätzliche spezielle Vorsorgemaßnahmen in Arbeit sind. Sehr wohl berief Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) für Sonntagabend aber das „kleine Krisenkabinett“ der Regierung ein, an dem neben Nehammer auch Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) teilnehmen werden.

Der russische Energiekonzern Gasprom lieferte auch am Sonntag etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich als üblich. „Die derzeitigen Einschränkungen der Gaslieferungen aus Russland stehen auf demselben Niveau des Vortages“, teilte die OMV am Vormittag mit. Die Nachfrage nach Gas sei derzeit aber eher gering, fehlende Mengen könnten gut durch Zukäufe auf dem Spotmarkt ersetzt werden, „die Versorgung ist sichergestellt“. Die OMV-Gasspeicher in Österreich mit einer Gesamtkapazität von 25.289 GWh seien bereits jetzt zu 64 Prozent befüllt.

Bundeskanzler Karl Nehammer
APA/Tobias Steinmaurer
Nehammer will sich am Abend mit der Regierung zu weiteren Maßnahmen beraten

Speicher zu knapp 41 Prozent befüllt

Die österreichischen Speicher sind laut Gewesslers Energieministerium derzeit zu 40,9 Prozent gefüllt, das entspricht einer Füllmenge von 39 Terawattstunden. Die Gesamtspeicherkapazität liegt bei 95,5 Terawattstunden, das liegt knapp über dem Jahresverbrauch des Landes (etwa 90 TWh).

Aufgrund der angespannten Lage sei die Regierung in ständigem Austausch mit der zuständigen Behörde E-Control, dem Marktgebietsmanager AGGM sowie der OMV als größtem heimischem Gashändler, teilte das Energieministerium mit und verwies auf die in den letzten Wochen ergriffenen Maßnahmen. So stünden etwa für den Ankauf einer strategischen Gasreserve in der Größenordnung von 20 Terawattstunden (mindestens 7,4 Terawattstunden davon nicht aus Russland) bis zu 6,6 Mrd. Euro zur Verfügung.

Ungarn: Keine Kürzungen bei Gaslieferungen

Ungarn sieht im Gegensatz zu einigen anderen EU-Staaten keine Einschränkungen seiner Gasversorgung aus Russland. Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto sagte in einem Radiointerview, der russische Vizeministerpräsident Alexander Nowak und Gasprom-Chef Alexej Miller hätten ihm in einem Telefonat zugesichert, dass der russische Staatskonzern seinen Liefervertrag mit Ungarn einhalten werde. Szijjarto sagte nicht, wann dieses Telefonat stattgefunden habe.

Der Minister fügte hinzu, die Gasversorgung sei stabil und laufe vertragsgemäß und ohne Unterbrechungen. Ungarn wird über Pipelines durch Bulgarien und Serbien sowie über Österreich mit russischem Gas beliefert.