Klimaschutzministerin Eleonore Gewessler
ORF
Kohlekraftwerk wird reaktiviert

Gewessler kündigt weitere Schritte an

Wie kann Österreich die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen reduzieren und gegen die Gasknappheit vorgehen? Einmal mehr ist die Regierung am Sonntag zusammengekommen, um über diese Frage zu beraten. Die Antwort reicht von Umrüstung – auch auf Kohle – bis Diversifizierung. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat in der ZIB2 auf den Gasnotfallplan verwiesen.

So soll etwa das derzeit stillgelegte Fernheizkraftwerk Mellach in der Steiermark so umgerüstet werden, dass dort im Notfall wieder aus Kohle Strom und Wärme erzeugt werden kann, wie das Bundeskanzleramt am Sonntagabend nach einem „kleinen Krisenkabinett“ mitteilte.

Bei dem Krisengespräch berieten Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Gewessler und ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher mit Experten und Expertinnen über die Sicherung der Energieversorgung.

Fernheizkraftwerk Mellach
ORF.at/Christian Öser
Das stillgelegte Fernheizkraftwerk Mellach in der Steiermark soll reaktiviert werden

Vom letzten zum ersten Kohlekraftwerk Österreichs?

Das Fernheizkraftwerk Mellach südlich von Graz war das letzte Kohlekraftwerk Österreichs. Im Frühjahr 2020 wurde dort zum letzten Mal aus Kohle Strom erzeugt. Nun soll es wieder umgerüstet werden, damit es im Notfall, wenn zu wenig Gas zur Verfügung steht, wieder Kohle verbrennen kann. Das habe die Bundesregierung mit dem Verbund-Konzern vereinbart, teilte das Bundeskanzleramt mit.

Dafür sei eine gewisse Vorlaufzeit notwendig, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Klimaschutzministerium. Es dürfte Monate dauern, bis die technischen und personellen Voraussetzungen dafür hergestellt sind und Kohle beschafft ist.

Krisenkabinett zur Gasversorgung

Der russische Energiekonzern Gasprom hat auch am Sonntag etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich geliefert als üblich. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) berief deshalb für den Abend das kleine Krisenkabinett der Regierung ein.

„Alle Hebel in Bewegung gesetzt“

Gewessler betonte in der ZIB2, dass seit Beginn des Krieges „alle Hebel in Bewegung“ gesetzt wurden, um die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren, um nicht erpressbar zu sein, sagte die Ministerin. „Das wird für Österreich Jahre dauern.“ Ein erstes Ziel sei es, von den derzeit 80 Prozent an russischen Gasimporten auf 70 Prozent zu kommen. Erreicht werden soll das mit der strategischen Gasreserve. Weitere Maßnahmen seien das geplante Diversifizierungsgesetz und der Aufbau langfristiger Lieferbeziehungen.

Kritik aus der Wirtschaftskammer, dass es noch keine Notfallpläne für den Fall eines Gaslieferstopps gebe, wies Gewessler zurück. Es gebe sehr wohl Kriterien für Energielenkungsmaßnahmen. Man könne aber die Listen der betroffenen Unternehmen nicht veröffentlichen. „Das sind börsennotierte Unternehmen. Ich kann jetzt hier im TV und in der Öffentlichkeit keine Namen dieser Unternehmen nennen, das würde unmittelbar zu Auswirkungen auf den Börsenkurs führen.“ Für die Einführung der verschobenen CO2-Bepreisung im Oktober seien alle Voraussetzungen geschaffen worden, sagte die Ministerin.

Dass der russische Präsident Wladimir Putin Energielieferungen als politisches Instrument missbrauche, stehe für Gewessler außer Frage – „da brauchen wir keine Illusionen haben“, so die Energieministerin.

Infrastrukturministerin Gewessler (Grüne) zur Gasversorgung

Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht zur Lage der Gasversorgung in Österreich. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat für Sonntag das kleine Krisenkabinett einberufen, nachdem der russische Energiekonzern Gasprom etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich geliefert hat als üblich.

Weniger Gaslieferungen nach Österreich

Am Sonntagvormittag hatte die OMV gemeldet, dass aus Russland wie schon in den Tagen zuvor neuerlich etwa um die Hälfte weniger Gas nach Österreich geliefert wurde als üblich. Die Nachfrage nach Gas sei derzeit aber eher gering, fehlende Mengen könnten gut durch Zukäufe auf dem Spotmarkt ersetzt werden, erklärte die OMV. Die Gasversorgung sei sichergestellt, die OMV-Gasspeicher in Österreich mit einer Gesamtkapazität von 25.289 GWh seien bereits jetzt zu 64 Prozent befüllt.

Das Klimaschutzministerium betonte, dass Österreich bereits Mitte Juni 39 Prozent seines Jahresverbrauchs in Gasspeichern eingespeichert habe. Damit liege Österreich bei der Bevorratung an zweiter Stelle in der EU. Die Speicherkapazität von rund 95 Terawattstunden (TWh) entspreche dem Bedarf eines ganzen Jahres, damit verfüge Österreich über eine der höchsten Speicherkapazitäten in der EU. In den Sommermonaten liege der Gasbedarf in Österreich bei rund vier bis sechs Terawattstunden, in Wintermonaten bei zehn bis zwölf. Ziel ist es, bis zum 1. November die Speicher zu 80 Prozent gefüllt zu haben.

Auch Deutschland und Italien handeln

Ungarn sieht im Gegensatz zu einigen anderen EU-Staaten keine Einschränkungen seiner Gasversorgung aus Russland. Indes kündigten Deutschland und Italien am Sonntag neue Maßnahmen an, um eine Versorgungskrise zu verhindern.

Während Deutschland vor allem auf Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs setzen will – neben dem verstärkten Einsatz von Kohlekraftwerken –, will Italien auf Flüssiggas aus Katar zurückgreifen. Der teilstaatliche Energieversorger ENI gab am Sonntag eine Partnerschaft mit QatarEnergy bei einem großen Flüssiggasprojekt bekannt.