Gustavo Petro jubelt
APA/AFP/Daniel Munoz
Kolumbien

Erstmals linker Präsident

Mit Gustavo Petro wird zum ersten Mal ein linksgerichteter Politiker Präsident Kolumbiens. Nach der Stichwahl am Sonntag liegt Petro laut der nationalen Wahlbehörde nach Auszählung fast aller Stimmen uneinholbar voran. Der Senator erhielt 50,47 Prozent der Stimmen. Sein Gegner, der rechtsgerichtete Millionär Rodolfo Hernandez, kam auf 47,27 Prozent.

Der 62-jährige Petro sicherte sich somit rund 700.000 Stimmen mehr als der 77-jährige Hernandez. Der frühere Guerillakämpfer Petro war nach seiner Abkehr vom bewaffneten Kampf unter anderem Diplomat in Belgien und Bürgermeister der Hauptstadt Bogota. Er strebt tiefgreifende Reformen an, dazu zählen Steuern für Vermögende, ein Notprogramm gegen den Hunger sowie die Förderung erneuerbarer Energien.

„Mit dem heutigen Tag verändert sich Kolumbien“, sagte Petro vor Anhängern. Er versprach „eine Politik der Liebe, des Verständnisses und des Dialogs“. Die von ihm versprochene Veränderung bestehe darin, „den Hass hinter sich zu lassen“. Die Präsidentschaftswahl habe gezeigt, dass es „zwei Kolumbien gebe“, mit ähnlichen Stimmanteilen. „Wir wollen, dass Kolumbien bei all seiner Vielfalt ein Kolumbien ist“, sagte Petro.

Hernandez räumt Niederlage ein

Hernandez räumte seine Niederlage ein. „Die Mehrheit der Bürger, die heute abgestimmt haben, haben den anderen Kandidaten gewählt“, sagte Hernandez in einer Videobotschaft. „Ich akzeptiere das Ergebnis.“

Der noch amtierende Präsident Ivan Duque erkannte den Wahlsieg Petros, eines früheren Mitglieds der Guerillaorganisation M-19, an. „Ich habe Gustavo Petro angerufen, um ihm als gewähltem Präsidenten des kolumbianischen Volkes zu gratulieren“, schrieb der Konservative Duque auf Twitter. „Wir sind übereingekommen, uns in den nächsten Tagen zu treffen, um einen harmonischen, institutionellen und transparenten Übergang einzuleiten.“

Kolumbien: Tausende feiern Gustavo Petro

Mit Gustavo Petro wird zum ersten Mal ein linksgerichteter Politiker Präsident von Kolumbien. Zahlreiche Menschen im ganzen Land feierten den Wahlsieger bis tief in die Nacht.

Mehrere Zwischenfälle am Wahltag

Bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag kam es in dem einstigen Bürgerkriegsland zu einigen Zwischenfällen. In San Vicente del Caguan kam ein Soldat beim Angriff einer Splittergruppe der Guerillaorganisation FARC ums Leben, wie die Zeitung „El Tiempo“ berichtete. Im Department Cauca wurde ein Wahlhelfer erschossen. Insgesamt wurden 104 Unregelmäßigkeiten gemeldet, wie unabhängige Wahlbeobachter mitteilten.

Die Sicherheitskräfte nahmen in verschiedenen Regionen des südamerikanischen Landes insgesamt neun Verdächtige fest, darunter einen Anführer der Rebellengruppe ELN und einen Unterstützer der FARC-Dissidenten. Über 300.000 Polizisten und Soldaten waren im Einsatz, um Wähler, Wahlhelfer und Kandidaten zu schützen.

In der Stichwahl traten nur noch Petro und der Immobilienunternehmer Hernandez gegeneinander an. Zwar galt Petro lange als Favorit, zuletzt zog der bisher weitgehend unbekannte Hernandez in den Umfragen aber mit ihm gleich.

Große Herausforderungen

Die Herausforderungen für den künftigen Staatschef sind groß: Das zweitbevölkerungsreichste Land Südamerikas mit rund 50 Millionen Einwohnern leidet unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, großer sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt. Von der amtierenden konservativen Regierung wurde der Friedensvertrag mit den linken FARC-Rebellen nur halbherzig umgesetzt.

Petro (62) will das Land laut Ankündigungen befrieden, die Ausbeutung von Rohstoffen bremsen, den Tourismus fördern und Unternehmen stärker besteuern. Über die Pläne von Hernandez (77) hingegen war nur wenig bekannt. Er wollte gegen die Korruption vorgehen, obwohl gegen ihn selbst wegen Korruption ermittelt wird.

Wichtigster Partner für USA gegen Drogenhandel

Für die USA ist Kolumbien der wichtigste Verbündete im Kampf gegen den Drogenhandel. Das Land ist weltweit der größte Produzent von Kokain, das vor allem in die Vereinigten Staaten und nach Europa geliefert wird. Zur Bekämpfung des Drogenschmuggels arbeitet Kolumbien eng mit den USA zusammen und erhält jährlich mehrere Millionen US-Dollar für die Zusammenarbeit im Kampf gegen Drogenkriminelle. US-Präsident Joe Biden gratulierte Petro zum Sieg.

Kolumbien litt 52 Jahre lang unter einem blutigen Bürgerkrieg zwischen linken Rebellen, rechten Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften. 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die Regierung einen Friedensvertrag mit der linken FARC, die Hoffnung auf einen Aufschwung war groß. Doch die Gewalt ist vor allem in ländlichen Gebieten zurück.

An Petros Seite wird mit der designierten Vizepräsidentin Francia Marquez eine afrokolumbianische Menschenrechtsaktivistin und Umweltschützerin mit an die Staatsspitze rücken. Sie kämpfte in der von der Gewalt besonders betroffenen Region Cauca gegen illegale Goldsuche und wurde mehrmals bedroht. 2018 erhielt sie für ihren Kampf den renommierten Goldman-Preis.