Szene aus dem Film „Elvis“
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Luhrmanns „Elvis“

Ein Finsterling steuert den „King“

Der „King“ ist zurück, doch er hat einen finsteren Begleiter: Tom Hanks spielt in „Elvis“ den fragwürdigen Musikmanager von Elvis Presley, der zugleich Ermöglicher und Verhinderer des größten Entertainers aller Zeiten war. In Baz Luhrmanns Version gerät das Starleben visuell überbordend, aber steril.

Ein Schweißtropfen, der an der vordersten Haarsträhne gerade noch so hängt, und der sich bei der nächsten ruckartigen Hüftbewegung unweigerlich lösen und in Richtung des kreischenden Mädchenpublikums fliegen wird. Die weit aufgerissenen Augen der jungen Frau, die den Jüngling im übergroßen rosa Anzug auf der Bühne mit Blicken auszieht. Der Musikmanager im Schatten, der beides wahrnimmt, und erkennt, was hier geschieht: Ein Schlüsselmoment in der Karriere von Elvis, nach dem alles anders wird.

„Elvis“ ist ein Kaleidoskop aus Momenten im Leben einer fiktiven Figur namens Elvis Presley (gespielt von Austin Butler), die vage Ähnlichkeit mit dem Musiker und Entertainer Presley hat. Der Film ist eine Überwältigungsoper aus Split-Screens, schnellen Schnitten, Jump Cuts und musikalischen Collagen. Überraschend ist das nicht: Schon sein Kinodebüt „Strictly Ballroom“ (1992) packte der australische Regisseur Luhrmann voll visueller Ideen und filmhistorischer Zitate, der Film wird in „Elvis“ übrigens mehrfach zitiert.

Luhrmann steht mit all seinen Arbeiten, etwa dem Musical „Moulin Rouge“ (2001) und der Literaturverfilmung „Der große Gatsby“ (2013), für emotionale und gestalterische Extravaganz, auch dank der exaltierten Kostüme seiner Kostümdesignerin und Ehefrau Catherine Martin. „Elvis“ ist nun jener Film, mit dem Luhrmann seinen Stil auf die Spitze treibt, er erzählt die Biografie des Musikers in teils sehr kurzen Schlaglichtern.

Falsche Nase, echter Geschäftssinn

Die Kindheit erlebt er in großer Armut in einer Gegend, in der vor allem schwarze Familien wohnen, und wo Elvis als Kind schon fasziniert ist von Gospel und Blues. Er absolviert erste Auftritte mit den Blue Moon Boys, und bereits hier beobachtet der Manager im Hintergrund Elvis’ Wirkung auf sein Publikum. Dieser Manager ist die zweite große Figur im Film, mit dem aus Imagegründen selbst gegebenen Namen Colonel Tom Parker – gespielt von Hanks mit falscher Nase.

Szene aus dem Film „Elvis“
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Elvis (Austin Butler) und der Manager (Tom Hanks): Dieses Angebot kann niemand ablehnen

Parker, ein Mann mit finsterer Vergangenheit, hat in seiner eigenen Jugend auf Jahrmärkten erste Erfahrungen mit der Realität des amerikanischen Showbusiness gesammelt, immer auf der Suche nach dem einen Programm, das „dem Publikum ein Gefühl gibt, das es nirgendwo sonst bekommen kann“. Später war er als Manager von Countrymusikern mäßig erfolgreich. Als er zum ersten Mal auf Elvis trifft, erkennt er dessen enormes Potenzial. Da ist einer, der der Musik und der Stimme nach auch schwarz sein könnte, aber weiß ist.

Dass es in den rassistischen USA zu diesem Zeitpunkt nur einem „White Boy“ gelingen kann, auch mit schwarzer Musik richtig reich zu werden, weil er sich am Vordereingang von seinen Fans bejubeln lassen kann, während seine schwarzen Kolleginnen und Kollegen noch durch den Dienstboteneingang auf die Bühnen geschleust werden, legt Luhrmann praktischerweise B. B. King (Kelvin Harrison Jr.) in den Mund. Damit bekommt Elvis gewissermaßen mit einem Fingerschnipsen die Generalerlaubnis, ohne schlechtes Gewissen erfolgreich zu sein, schneller, als sich „kulturelle Aneignung“ aussprechen lässt.

Geld oder Selbstbestimmung

Den unzuverlässigen Erzähler der Geschichte kümmern solche Details ohnehin nicht: Parker ist es, der mit seinem merkwürdigen Akzent durch den Film führt, aus einer Gegenwart, in der er einsam im Spital liegt, und sich an die größten gemeinsamen Momente mit Elvis erinnert: Als es ihm gelungen war, den zukünftigen Star bei Sun Records loszukaufen. Als er ihn ins Fernsehen brachte, ihn zum Filmstar machte, als Elvis sich gegen seinen Rat sträubte, unpolitisch zu bleiben, und wie er Recht behielt.

Luhrmann stilisiert jene Phase im Jahr 1956, in der Elvis aufgrund seiner als obszön empfundenen Tanzmoves von konservativen Medien aufs Korn genommen wurde – durch eine Parallelmontage als Akt des Widerstandes gegen eine rassistische Politik weißer Vorherrschaft. Um aus der Bredouille wieder rauszukommen, rät Parker dem Sänger, seinen Armeedienst abzuleisten, um zwei Jahre später als „frischgeschorener amerikanischer Junge“ zurückzukehren.

Szene aus dem Film „Elvis“
Courtesy of Warner Bros. Pictures
Little Richard (Alton Mason), Elvis’ großes Vorbild

Das Hin und Her zwischen der Selbstbehauptung des Künstlers und der Unterwerfung vor dem Manager sowie den Anforderungen des Marktes, das so viele Musikerfilmbiografien kennzeichnet, ist auch hier prägend. Dass Elvis oft vorgeworfen wurde, in einer politisch dramatischen Zeit nicht im Kampf um Bürgerrechte an der Seite seiner schwarzen Schwestern und Brüder marschiert zu sein, lastet der Film fast ausschließlich Parkers Einfluss an – ebenso, dass sich Elvis, viel später, mit Drogen und Tabletten bühnenfit zu halten versuchte, gezwungen durch Knebelverträge und Millionenschulden.

Glitzer ohne Funken

Luhrmanns „Elvis“ ist kalkulierter Trash, ein sich wieder und wieder selbst übertreffendes Immer-Mehr-Immer-Wilder, nicht nur auf der Bildebene, sondern auch musikalisch, ein Ineinanderschieben von Musikrichtungen, die einander zitieren und samplen. Hier offenbart sich streckenweise echte Genialität, die Elvis’ Melange von Rhythm and Blues und Country widerspiegelt – da sind oft nur wenige Sekunden lang Doja Cat, Britney Spears, Maneskine, Eminem, Kacey Musgraves, Shonka Dukureh und viele andere zu hören.

Den jungen Elvis singt übrigens Hauptdarsteller Butler selbst, und er tut das sehr gut. Lediglich später im Film ist seine Stimme digital überlagert mit der raueren Stimme des echten Elvis, wie Luhrmann in einem Tweet kürzlich klarstellte. Das große Problem des Films ist nicht die visuelle oder akustische Überladenheit, das alles ist gewollt und bei Luhrmann auch gar nicht anders zu haben. Das Problem ist, wie bedrückend steril die ganze Angelegenheit daherkommt.

Junges Stimmtalent

Da kann Elvis’ rauchiges Augen-Make-up noch so suggestiv sein, selbst wenn die Kamera die Lendengegend des Stars im Blick behält, tut sich nichts. Butler kann mit der Rolle mithalten, milchgesichtig zu Beginn, später mit einem klebrigen Film aus Selbstbräuner und Schweiß. Doch aller Lidstrich der Welt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Sex-Appeal dieses Elvis’ bloße Behauptung bleibt und die quietschenden Fans so authentisch wirken wie Studiopublikum bei einer Fernsehshow, das auf Befehl applaudiert.

Dass Luhrmann das prinzipiell kann, dafür ist vor allem sein poppiger „William Shakespeares Romeo + Julia“ aus 1996 ein Beleg, der vor allem aufgrund von Leonardo DiCaprios verschwitzter Schönheit ein Erfolg war – einstige Teenager erinnern sich gerne. Genau diese Begierde fehlt „Elvis“ gänzlich, und das liegt nicht am mangelnden Charisma von Butler. So atemlos und wild der Film daherkommt, dieser Elvis bleibt steril.