Bahnstreik in London
Reuters/Henry Nicholls
Bahnstreik in GB

Leere Bahnhöfe, U-Bahn-Stationen zu

In Großbritannien zeigt der Streik der Bahnbediensteten eine erste Wirkung. Die Bahnhöfe waren am Dienstagvormittag so gut wie leer, U-Bahn-Stationen in London blieben geschlossen. Die Gewerkschaft der Bahnbediensteten (RMT) hatte wegen drastischer Kürzungen im Bahnsektor und der Forderung nach höheren Löhnen angesichts der galoppierenden Inflation zum Streik aufgerufen. Der konservative Premierminister Boris Johnson ging am Dienstag mit den Streikenden hart ins Gericht.

Viele üblicherweise volle Bahnhöfe waren Dienstagfrüh fast verwaist, da nur rund ein Fünftel der Züge fahren sollte, wie die Nachrichtenagentur PA meldete. Zehntausende Bahnbeschäftigte wollten nicht nur am Dienstag, sondern auch am Donnerstag und Samstag die Arbeit niederlegen. Am Dienstag streikten auch die Angestellten der Londoner U-Bahn. Die „Tube“ war überwiegend außer Betrieb. Der Streik am Dienstag gilt als größter seit mehreren Jahrzehnten, nur rund ein Fünftel der Verbindungen soll wie üblich fahren.

Der Ausstand ist nach Ansicht der Gewerkschaften nur der Auftakt für einen möglichen „Sommer der Unzufriedenheit“, in dem auch Lehrpersonal, medizinisches Personal und sogar Anwältinnen und Anwälte in den Arbeitskampf treten könnten. Viele Briten und Britinnen leiden unter steigenden Preisen für Lebensmittel und Kraftstoff.

Passagiere in der Euston Station in London
AP/PA/Stefan Rousseau
Die Bahnhofshalle in der Euston Station in London ist so gut wie leer

Johnson: Im ganzen Land zu spüren

Die konservative Regierung von Johnson verurteilte die Streiks. Johnson warf den Gewerkschaften vor, mit ihren Aktionen genau den Menschen zu schaden, denen sie eigentlich helfen sollten. Außerdem würden zu hohe Lohnansprüche das Problem der Lebenshaltungskosten noch verschärfen. „Mit diesen Streiks vertreiben sie Pendler, die letztlich die Jobs der Eisenbahner sichern“, so Johnson laut einer Mitteilung seines Büros bei einer Kabinettssitzung am Dienstag. Die Folgen des Ausstands würden Unternehmen und Gemeinden im ganzen Land zu spüren bekommen.

Verkehrsminister Grant Shapps kündigte eine Gesetzesänderung an, die Bahnbetreiber zu einer Minimalversorgung an Streiktagen verpflichtet und die Vertretung von streikendem Personal durch Ersatzkräfte erlaubt. „Wir werden dafür sorgen, dass solche Dinge in Zukunft weniger Schaden anrichten“, sagte Shapps dem Sender Sky News.

Streikinformation in der Victoria Underground Station in London
Reuters/John Sibley
Streikinformation in der Victoria Underground Station in London

Leach: Streiks so lange wie notwendig

Andrew Haines, der Chef des Bahnbetreibers Network Rail, entschuldigte sich im BBC-Interview bei den Zehntausenden Fahrgästen, die in dieser Woche auf andere Verkehrsmittel ausweichen müssen. Neben den Verbindungen von Network Rail fallen auch die Züge von rund einem Dutzend anderer Bahnbetreiber aus. Der Gewerkschafter John Leach sagte am Dienstag im Interview mit dem Sender TalkTV: „Wir können uns nicht auf etwas einlassen, das fast acht Prozent der Inflation hinterherhinkt – das ist absolut inakzeptabel.“ Natürlich bedauere man die Störungen und Unannehmlichkeiten für die Passagiere.

Größter Bahnstreik legt Großbritannien lahm

Nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen hat die Gewerkschaft der Bahnbeschäftigten in Großbritannien zum Bahnstreik aufgerufen. Die Bahnhöfe waren so gut wie leer, auch U-Bahn-Stationen in London blieben geschlossen. Der Generalsekretär der britischen Transportgewerkschaft, Mick Lynch, kritisierte die Regierungsspitze, allen voran den britischen Verkehrsminister Grant Shapps. Die Verhandlungen zu blockieren sei keine akzeptable Lösung, so Lynch gegenüber Medienvertretern.

Leach kündigte im Vorfeld des Streiks in der BBC an, so lange wie nötig an Streiks festzuhalten. Beobachter fürchten, dass das Monate dauern könnte. Die Regierung von Johnson drohte an, Leiharbeiter einzusetzen und damit die Streiks zu brechen – ein Schritt, der die Gewerkschafter noch mehr auf die Palme brachte.

Die britische Wirtschaft hatte sich zunächst gut von der CoV-Pandemie erholt. Eine Kombination aus Arbeitskräftemangel, gestörten Lieferketten, Inflation und Handelsstreitigkeiten nach dem Brexit kann Experten zufolge aber zu einer Rezession führen. Die britische Inflationsrate erreichte im April ein 40-Jahre-Hoch von neun Prozent. Erwartet wird, dass im weiteren Jahresverlauf die Marke von zehn Prozent übertroffen werden dürfte.

Geschlossene Westminster Undeground Station in London
Reuters/John Sibley
Die U-Bahn-Station Westminster in London ist geschlossen

Umfassendste Streiks seit 1989

Die Streiks werden der Gewerkschaft zufolge die umfassendsten seit 1989 sein. In der Branche seien viele Stellen abgebaut worden, und die Löhne könnten mit der galoppierenden Inflation nicht Schritt halten. Angesichts dieser Entwicklung könne „die RMT nicht passiv bleiben“, sagte Lynch.

Dem britischen Industrieverband CBI zufolge sinken die verfügbaren Realeinkommen der Haushalte im Jahresverlauf um 2,3 Prozent – so stark wie seit Mitte der 50er Jahre nicht. „Jeder Arbeitnehmer in Großbritannien verdient eine Lohnerhöhung, die die Krise der Lebenshaltungskosten widerspiegelt“, so RMT.

Bahnstreik in Ashford, England
AP/PA/Gareth Fuller
Die Züge sind „geparkt“ wie hier in Ashford

Der aktuelle Arbeitskampf hat Vergleiche mit den 1970er Jahren aufgeworfen. Damals gab es in Großbritannien eine Serie von Streiks, die schließlich in den „Winter der Unzufriedenheit“ 1978/79 mündeten. Die jetzigen Streiks finden zu einer Zeit statt, in der Reisende auf britischen Flughäfen aufgrund von Personalmangel Verspätungen und Annullierungen in letzter Minute hinnehmen müssen. Zudem müssen viele Briten aufgrund von Verzögerungen bei der Bearbeitung monatelang auf neue Pässe warten.