Windpark in einer Photovoltaikfarm in Vietnam
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Erneuerbare Energie

Starkes, aber zu langsames Wachstum

Die weltweiten Investitionen in den Energieausbau steigen laut Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) im Vergleich zum Vorjahr 2022 um acht Prozent auf 2,4 Billionen Dollar (2,28 Billionen Euro), wobei der erwartete Anstieg hauptsächlich auf saubere Energien zurückzuführen sei. „Obwohl ermutigend“, reicht das laut IEA „bei Weitem nicht aus, um die vielfältigen Dimensionen der heutigen Energiekrise zu bewältigen und den Weg in eine saubere und sichere Energiezukunft zu ebnen“.

Neben einem Plus bei den Investitionen in saubere Energie steigen laut IEA auch die Ausgaben bei der fossilen Energie. Schließlich sei rund die Hälfte des nominalen Wachstums derzeit auf höhere Kosten zurückzuführen. Und diese höheren Kosten für Personal, Dienstleistungen und Materialien wie beispielsweise Zement und Stahl könnten weiters die realen Investitionen hemmen, befürchtet die Organisation mit Sitz in Paris in einem am Mittwoch vorgestellten Bericht. Die IEA hebt dabei die steigenden Sorgen um die Energiesicherheit hervor, die zuletzt wieder für höhere Investitionen in die Versorgung mit fossilen Brennstoffen geführt haben.

„Wir können es uns nicht leisten, entweder die heutige globale Energiekrise oder die Klimakrise zu ignorieren, aber die gute Nachricht ist, dass wir uns nicht zwischen beiden entscheiden müssen – wir können beides gleichzeitig angehen“, teilte dazu IEA-Chef Fatih Birol per Aussendung mit.

Nur „ein massiver Anstieg der Investitionen zur Beschleunigung der Umstellung auf saubere Energien ist die einzige dauerhafte Lösung“, so Birol, dem zufolge diese Art von Investitionen zwar zunehme, es aber „einen viel schnelleren Anstieg“ brauche, „um den Druck auf die Verbraucher aufgrund der hohen Preise für fossile Brennstoffe zu verringern, um unsere Energiesysteme sicherer zu machen und um die Welt auf den Weg zu bringen, unsere Klimaziele zu erreichen“.

Seit 2020 zweistellige Wachstumsraten

Positiv hebt die IEA die zuletzt im zweistelligen Prozentbereich gestiegenen Investitionen in saubere Energien hervor. Nachdem die Zuwachsraten nach dem Pariser Klimaabkommen während fünf Jahren zwei Prozent jährlich betrugen, komme man seit 2020 auf Wachstumsraten von zwölf Prozent. Erneuerbare Energien machten zusammen mit den Ausgaben fürs Netz und für Speicher mittlerweile rund 80 Prozent der weltweiten Energieinvestitionen aus.

Wenn auch von einer niedrigen Basis ausgehend, würden nun auch die Ausgaben für „einige neue Technologien, insbesondere für Batterien, emissionsarmen Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung und -speicherung“, rasch wachsen. „Es wird erwartet, dass sich die Investitionen in die Batteriespeicherung mehr als verdoppeln und im Jahr 2022 fast 20 Milliarden Dollar erreichen werden“, so die IEA. Auch bei Photovoltaik und Elektroautos würden die Ausgaben nun mit einer Rate wachsen, die mit dem Erreichen der Netto-null-Emissionen bis 2050 vereinbar sei.

IEA: „Es muss noch viel mehr getan werden“

Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern müsse laut IEA allerdings „noch viel mehr getan werden, auch von den internationalen Entwicklungsinstitutionen, um diese Investitionen anzukurbeln und die zunehmenden regionalen Unterschiede bei der Geschwindigkeit der Investitionen in die Energiewende zu überbrücken“. Abgesehen von China und „einigen Lichtblicken“ wie der Solarenergie in Indien seien die Ausgaben für saubere Energie hier vielfach auf dem Niveau von 2015 und somit seit dem Pariser Abkommen nicht gestiegen.

Abgesehen davon seien wieder deutlich steigende Investitionen in fossile Energieträger „ein weiteres Warnsignal“. 2021 stiegen dem IEA-Bericht zufolge etwa die Investitionen in die Kohleversorgung um zehn Prozent – „und ein ähnlicher Anstieg ist auch für 2022 zu erwarten“. Angeführt werde diese Entwicklung von aufstrebenden Volkswirtschaften in Asien. Die IEA verweist in diesem Zusammenhang auch auf China. Hier gebe es zwar die Zusage, den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland zu stoppen. Gleichzeitig setzte man im Inland auf „eine beträchtliche Menge an neuen Kohlekapazitäten“.

Schließlich habe Russlands Angriffskrieg in der Ukraine die Energiepreise weltweit in die Höhe getrieben und „schadet Haushalten, Industrien und ganzen Volkswirtschaften – am stärksten in den Entwicklungsländern, wo es sich die Menschen am wenigsten leisten können“. Einige der unmittelbaren Engpässe bei den Exporten aus Russland müssen durch die Produktion in anderen Ländern ausgeglichen werden, insbesondere bei Erdgas, so die IEA mit Verweis auf die hier etwa für Flüssiggasterminals noch notwendigen Investitionen. Gegenüber dem Vorjahr rechnet die IEA bei Öl- und Gasinvestitionen für heuer mit einem Plus von zehn Prozent. Das sei aber immer noch deutlich unter dem Niveau von 2019.

Rekordgewinne als „einmalige Gelegenheit“

Die heutigen hohen Preise für fossile Brennstoffe seien für viele Volkswirtschaften indes „schmerzhaft, bescheren den Öl- und Gasproduzenten aber auch einen nie da gewesenen Geldsegen“. Die allein für heuer auf vier Billionen Dollar geschätzten Einnahmen wären für die öl- und gasproduzierenden Volkswirtschaften zugleich aber „eine einmalige Gelegenheit, die dringend erforderliche Umgestaltung ihrer Wirtschaft zu finanzieren“, und böten den großen Öl- und Gasunternehmen die Möglichkeit, „ihre Ausgaben stärker zu diversifizieren“.

Auch wenn „die Fortschritte vor allem von den europäischen Großunternehmen und einer Handvoll anderer Unternehmen getragen werden“, sei der Anteil der weltweiten Ausgaben von Öl- und Gasunternehmen für saubere Energie zuletzt auf rund fünf Prozent angestiegen. 2019 war es laut IEA noch ein Prozent.