Harry Potter Bücher in einer Buchhandlung
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25 Jahre Harry Potter

Von einem, der auszog, die Welt zu verzaubern

25 Jahre ist es her, dass eine gewisse Joanne K. Rowling den ersten Harry-Potter-Roman veröffentlicht hat – und Pippi Langstrumpf oder Biene Maja plötzlich wie Randfiguren der Kinder- und Jugendliteratur aussehen ließ. Warum ist die mittlerweile siebenteilige Romanserie über den zaubernden Buben so ein Hype geworden? Während die Autorin nach transfeindlichen Aussagen heftig kritisiert wird, ist der Erfolg der Saga ungebrochen. Dabei war er alles andere als vorprogrammiert.

Mit der Veröffentlichung von „Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ (deutsch: „Harry Potter und der Stein der Weisen“) am 26. Juni 1997 endete für Rowling eine kleine Odyssee: Zwölf Verlage hatten das Manuskript der Lehrerin und zeitweise von Sozialhilfe lebenden Britin bereits abgelehnt, als sie schließlich bei Bloomsbury reüssierte.

Im Nachhinein wollen dort alle den Erfolg ein wenig geahnt haben – wie etwa Verlagschef Nigel Newton, der kürzlich dem „Guardian“ erklärte, dass er damals seiner achtjährigen Tochter Alice das erste Lesen überließ: „Sie tauchte eine Stunde später in einer Art Trance wieder auf“, so Newton dazu. Dass der Hype alles andere als vorausgesehen wurde, lässt sich allerdings gut an der ersten Auflage ablesen: Sie betrug gerade einmal 500 Exemplare.

Harry Potter bücher in einer Buchhandlung
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Mit weltweit 500 Millionen verkauften Exemplaren wurde Harry Potter zum kulturellen Phänomen

Nur drei Tage nach der Veröffentlichung ersteigerte der US-Verlag Scholastic dann um überraschende 100.000 Dollar die amerikanischen Rechte – eine Meldung, die der Aufmerksamkeit rund um das Buch einen beträchtlichen Schub verlieh. Die siebenteilige Romanserie um Harry Potter, der mit elf Jahren von seinen Zauberkräften erfährt, gilt heute als die erfolgreichste Buchserie der Welt, gelesen von einem All-Age-Publikum, mit mehr als 500 Millionen verkauften Büchern und Übersetzungen in rund 80 Sprachen.

Revolution des seriellen Erzählens

Worin liegt die Magie von Harry und seinen Freundinnen und Freunden in der Hogwarts-Schule für Zauberei und Hexerei? Wieso schlägt eine Saga über einen zaubernden Buben derart ein, dass Millionen Fans auf der ganzen Welt vor den Buchhandlungen Schlange standen, um frühestmöglich einen Blick in ein neues Zauberabenteuer zu erhaschen? Das Zusammenspiel von Leserbegeisterung und Marketingmaschinerie sei einzigartig gewesen, so Ute Dettmar, Leiterin des Instituts für Jugendbuchforschung an der Frankfurter Goethe-Universität, in einem Interview anlässlich des 20. Potter-Jubiläums.

Dettmar lobte vor allem die ausgeklügelte Dramaturgie: „J. K. Rowling hat das serielle Erzählen verändert.“ Im Gegensatz etwa zu Jugendbuchreihen von Enid Blyton fangen die Bücher nicht jedes Mal bei Null an. Stattdessen werde über die sieben Bände hinweg ein „spektakuläres und einfallsreiches Erzähluniversum geschaffen“. Was schon von Anfang an so geplant war: Wie der damalige Leiter der Kinderbuchverlagssektion dem „Guardian“ erzählte, soll Rowling schon bei der ersten Veröffentlichung alle sieben Bücher im Kopf gehabt haben.

verkleidete Harry Potter Fans stehen in einer Schlange vor einer Buchhandlung
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In Zaubererkostümen lesend durch die Straßen: Die „Potter-Mania“ rund um die Bucherscheinungen

Bücher als Pandemie-Verkaufsschlager

Nachdem schon Band eins bis Band drei ein Riesenerfolg gewesen waren, setzte mit Band vier schließlich jener Hype ein, der die Fortsetzungsgeschichte bis zum Abschluss im Jahr 2007 begleiten sollte: keine Vorabinformationen an die Öffentlichkeit, unzählige Forendiskussionen, in denen über den Fortgang der Geschichte spekuliert wurde, Fans, die in Harry-Potter-Montur stundenlang auf den mitternächtlichen Release vor den Buchhandlungen warteten, ein riesiges Merchandising-Universum, seltene Ausgaben, die mittlerweile um Zigtausende Euro versteigert werden (der Verkaufsrekord im Jahr 2021 betrug 417.000 Euro), und nicht zuletzt eine breite Besprechung der Bücher in den Feuilletons, wie es bei Kinder- und Jugendliteratur sonst nur selten passiert.

Trotz oder vielleicht auch wegen der Kinoverfilmungen aller Teile – der finale Band „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ wurde sogar auf zwei Filme aufgesplittet – sind die Bücher bis heute ein Verkaufsschlager: Laut einem BBC-Bericht war „Harry Potter and the Philosopher’s Stone“ in Großbritannien unter den Top-Ten-Verkäufen während der Pandemie. Die Coronavirus-Lockdowns haben, so der Bericht, dem Lesen in Großbritannien neue Popularität verschafft – ein Trend, der bisher anzuhalten scheint.

die britische Autorin J.K Rowling
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J. K. Rowling, 1965 geboren, ist Buchautorin, Millionärin, großzügige Spenderin – und wird zusehends wegen transfeindlicher Aussagen kritisiert

Umstrittene Autorin

Kaum Auswirkung auf den Erfolg der Reihe scheint indes zu haben, dass sich Rowling in den vergangenen Jahren zur zentralen Protagonistin der Anti-Transgender-Bewegung entwickelt und damit viel Kritik und Unmut auf sich gezogen hat. Für größeren Wirbel sorgte zuletzt ihr Krimi „Troubled Blood“ vor eineinhalb Jahren, in dem Rowling einen Mann in Frauenkleidern zum Hauptverdächtigen werden ließ.

Die Autorin ist schon länger dafür bekannt, sich auf Twitter oder auf ihrem Blog als Anhängerin eines „Feminismus“ zu bekennen, demzufolge Transgender-Personen und vor allem Transfrauen jene Frauen bedrohen, die biologisch als solche geboren wurden. Auch Harry-Potter-Hauptdarsteller Daniel Radcliffe und weitere Stars der Verfilmungen positionierten sich mittlerweile gegen Rowling.

Integrative Zauberwelt

Radcliffe appellierte aber auch an alle Harry-Potter-Fans, sich ihre Verbindung zu den magischen Geschichten nicht vermiesen zu lassen. Denn die sei „heilig“ und bestehe nur zwischen der jeweiligen Person und dem Buch. Dass die Verbindung zwischen Leserinnen und Lesern bei Harry Potter besonders stark ist, liegt nicht zuletzt am integrativen Charakter der Bücherserie.

Auch Kinder aus „nicht magischen Familien“ (wie etwa Hermine) können darin über Zauberpotential verfügen. Die Hogwarts-Zauberwelt steht somit nicht nur einem einzelnen Helden oder einem Grüppchen von Eingeweihten offen, sondern grundsätzlich jedem Kind. Womit jede und jeder hoffen darf, doch noch eine Einladung ins Internat überbracht zu bekommen.