Menschen beteiligen sich an einer Demo zur Untertürzung der Regierung in Sofia
APA/AFP/Nikolay Doychinov
Misstrauensvotum

Bulgariens Regierung gestürzt

In Bulgarien ist die gerade einmal seit einem halben Jahr amtierende Regierung von Ministerpräsident Kiril Petkow durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden. 123 Abgeordnete votierten am Mittwochabend in Sofia für den von der größten Oppositionspartei GERB eingebrachten Misstrauensantrag, 116 dagegen, wie Vizeparlamentspräsident Miroslaw Iwanow mitteilte.

Das Votum war knapp: Die Stimmen von mindestens 121 der 240 Abgeordneten waren erforderlich gewesen. Die GERB-Partei des korruptionsumwitterten Ex-Premiers Bojko Borissow hatte „das Versagen der Regierung in den Bereichen der öffentlichen Finanzen und der Wirtschaftspolitik“ angeprangert. Hintergrund des Votums ist auch der Streit um die EU-Erweiterung.

Es war das erste erfolgreiche Misstrauensvotum in der demokratischen Geschichte Bulgariens. Die erst Ende vergangenen Jahres gebildete bisherige Regierungskoalition war Anfang Juni zerbrochen, als die populistische ITN-Partei des Sängers Slawi Trifonow ihren Rückzug aus dem von Petkow angeführten Viererbündnis verkündete. Ministerpräsident Petkow konnte sich nun im Parlament nur noch auf 109 der 240 Abgeordneten stützen.

„Bereite dieser Koalition und dieser Qual ein Ende“

Trifonow hatte den Rückzug seiner Partei aus der Regierungskoalition in einer online veröffentlichten Ansprache bekanntgegeben. „Mit dem heutigen Tag ziehe ich die Minister der ITN zurück und bereite dieser Koalition und dieser Qual ein Ende“, sagte er. Den Schritt begründete er mit Meinungsverschiedenheiten der Koalitionäre über Haushaltsfragen und die Beziehungen zum benachbarten Nordmazedonien.

der bulgarische Premierminister Kiril Petkov
Reuters/Stoyan Nenov
Ministerpräsident Petkow ging im Parlament die Unterstützung aus

Ministerpräsident Petkow hatte zuletzt eine Politik der Annäherung an Nordmazedonien verfolgt und sich mit dessen Regierungschef Dimitar Kovacevski getroffen. In Nordmazedonien verbanden sich mit dem Treffen Hoffnungen, dass Sofia seinen Widerstand gegen die EU-Beitrittsbestrebungen Skopjes aufgeben könnte. Die mögliche Aufnahme des Nachbarlandes in die EU ist in Bulgarien höchst umstritten.

ORF-Korrespondent Gelegs zum Regierungssturz in Bulgarien

ORF-Korrespondent Ernst Gelegs berichtet aus Sofia, wo die amtierende Regierung von Ministerpräsident Petkow durch ein Misstrauensvotum im Parlament gestürzt worden ist.

Staatschef Radew am Zug

Nach dem Misstrauensvotum kann Präsident Rumen Radew nun dreimal versuchen, andere Parteien mit der Suche nach einer Regierungsmehrheit zu beauftragen. Scheitert das, wird das Parlament aufgelöst. Neuwahlen müssen dann binnen zwei Monaten stattfinden. Es wäre bereits der vierte Urnengang seit vergangenem Jahr in dem Land mit 6,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern.

Petkow nach Misstrauensvotum siegessicher

Zur Unterstützung des bulgarischen Ministerpräsidenten Kiril Petkow haben zahlreiche Menschen vor dem Parlament in Sofia friedlich protestiert.

Am Abend demonstrierten in Sofia Tausende für Petkow und dessen Reformbestrebungen. Der Protest wurde auch nach dem erfolgten Misstrauensvotum gegen sein Kabinett fortgesetzt. Die Unterstützer und Unterstützerinnen riefen dabei „Pobeda“ („Sieg“). In einer Ansprache an die Menge betonte Petkow, dass er Bulgarien wieder zurückgewinnen werde.