Eine Boeing der Aeroflot am Flughafen in Moskau
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Für Flugzeuge aus Westen

Russischen Airlines gehen Ersatzteile aus

Für russische Airlines wird es immer schwieriger, Flugzeuge aus westlicher Produktion in Betrieb zu halten. Hintergrund sind die wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verhängten Sanktionen, welche auch die Lieferung von dringend benötigten Ersatzteilen etwa von Airbus und Boeing umfassen. Laut dem Chef der europäischen Behörde für Luftfahrtsicherheit (EASA), Patrick Ky, sind dennoch etliche westliche Flugzeuge in Russland im Einsatz.

Ob es bereits ein Sicherheitsrisiko gibt, ist laut Ky noch offen – es sei aber absehbar, dass russische Airlines gezwungen sein werden, eigene Flugzeuge auszuschlachten. Wird ein bestimmter Teil dringend benötigt und gibt es dafür auch keine alternativen Lieferwege, sei „Kannibalismus“ eine naheliegende Vorgangsweise, heißt es im Luftfahrtportal SimplyFlying. „Im Wesentlichen bauen Ingenieure ein funktionierendes Teil aus einem Flugzeug aus und ersetzen ein defektes Teil in einem anderen Flugzeug, damit dieses Flugzeug weiterfliegen kann.“

Die Suche nach funktionierenden Teilen führe dabei auch über bereits zur Verschrottung bestimmte Flugzeuge, „um den wirtschaftlichen Verlust zu verringern, der mit der Ausschlachtung eines voll funktionsfähigen Flugzeugs verbunden ist“. So wie dem ebenfalls mit westlichen Sanktionen belegten Iran, könnten betroffene Airlines laut „Handelsblatt“ zudem versuchen, in Ländern, die die Sanktionen nicht mittragen, gebrauchte Flugzeuge zu erwerben und diese auszuschlachten.

„Erste Anzeichen von Verfall“

Um die Flugtüchtigkeit zu gewährleisten, müssen Flugzeuge regelmäßig gewartet werden. Und ohne ständigen Nachschub an Ersatzteilen müssen sie auf kurz oder lang am Boden bleiben. Boeing und Airbus haben die Belieferung des russischen Marktes seit Anfang März eingestellt, erinnert in diesem Zusammenhang das Nachrichtenmagazin Wired, demzufolge etwa die Reifen zu den am stärksten beanspruchten Teilen eines Flugzeugs zählen und alle 120 bis 400 Landungen getauscht werden müssten.

Abgenutzte Reifen wären somit auch das „erste Anzeichen von Verfall“, aber auch etliche andere Teile eines Flugzeugs hätten „eine beschränkte Lebensdauer“, zitiert Wired einen Experten vom Luftfahrtanalyseunternehmen Ascend by Cirium. „Sie müssen buchstäblich aus dem Flugzeug ausgebaut und ersetzt werden, wenn sie ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Anzahl von Flügen erreicht haben.“

Auch die an Bord befindlichen Computersysteme müssten regelmäßig gewartet werden, wobei einige Systeme so programmiert sind, dass sie sich nach einer bestimmten Anzahl von Flugzyklen oder Kalendertagen abschalten und neu starten. Dazu gehören laut Wired etwa Flugzeugtriebwerke und Hilfstriebwerke und auch der Stromgenerator, der während des Flugs etwa Druckluft durch die Kabine pumpt.

589 geleaste Flugzeuge in Russland gestrandet

Wie viele Flugzeuge betroffen sind, bleibt offen – Wired beziffert die russische Flotte mit 876 Passagierflugzeugen (Stand Mai), und „die meisten dieser Flugzeuge stammen von Airbus oder Boeing“. Dazu zählen auch Hunderte aus dem Westen geleaste Flugzeuge. Moskau weigert sich, die Flugzeuge zurückzugeben, und hat die Maschinen kurzerhand umregistriert.

Nach Angaben vom Daten- und Analyseunternehmen Russel Group vom März handle es sich um 589 Flugzeuge westlicher Bauart mit einem Marktwert von umgerechnet rund zwölf Milliarden Euro, die seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine auf russischen Flughäfen festsitzen bzw. für russische Airlines weiter im Einsatz sind.

„Das ist sehr unsicher“

„Das ist sehr unsicher“, sagte dazu zuletzt EASA-Chef Ky. Angesichts fehlender Daten wollte dieser gegenüber Reuters nicht darüber spekulieren, inwieweit es in Russland bereits Sicherheitsprobleme gibt – er sei dennoch „sehr besorgt“. Nicht nur die ausbleibenden Ersatzteile seien „hochproblematisch“ – Ky verweist auch auf Wartungsarbeiten, die nur von westlichen Firmen erledigt werden könnten und die wegen der verhängten Sanktionen nun ebenfalls ausbleiben. Alles in allem sei das „sehr unsicher“, und geht es nach dem Luftfahrtportal aerotelegraph, seien das Worte, die „man vom Chef der europäischen Luftfahrtsicherheitsagentur EASA eigentlich nicht so gern hört“.

Angesichts einer wohl nicht mehr ordnungsgemäßen Wartung ist zuletzt international die Sorge vor einem Sicherheitsrisiko merklich gestiegen. China sperrte Medienberichten zufolge zuletzt etwa seinen Luftraum für russische Fluggesellschaften, die im Ausland registrierte Maschinen nutzen. Bereits im April stufte zudem die US-Flugsicherheitsbehörde (FAA) wegen Nichteinhaltung der Sicherheitsstandards der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation (ICAO) die Sicherheitseinstufung für Russland herab.

Am Donnerstag forderte US-Senator Marco Rubio die FAA erneut auf, eine Sicherheitsüberprüfung russischer Fluggesellschaften vorzunehmen und vor den Risiken von Flugzeugen unter russischer Verwaltung zu warnen, die noch im internationalen Luftraum operieren. Die EU setzte im April 21 in Russland zugelassene Fluggesellschaften auf eine schwarze Liste. Laut EU-Verkehrskommissarin Adina Valean handelt es sich um keine weitere Sanktion gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs, sondern ausschließlich um eine aus Sicherheitsbedenken getroffene Maßnahme. Wegen der geltenden Sanktionen ist der EU-Luftraum aber ohnehin für fast alle russischen Flugzeuge gesperrt.