Antisemitismus: Ruf nach Konsequenz bei documenta

In der Antisemitismusdebatte über die documenta in Kassel werden die Forderungen nach Konsequenzen lauter. „Die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, muss unverzüglich zurücktreten oder vom Aufsichtsrat abberufen werden“, sagte der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ heute.

Zuvor hatte sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, allgemeiner für personelle Konsequenzen ausgesprochen. Schormann kündigte nun eine systematische Untersuchung der Werke an und holte auch Ruangrupa in die Verantwortung.

Kuratorenteam Ruangrupa entschuldigt sich

Das Kollektiv entschuldigte sich heute in einer Stellungnahme. „Wir haben alle darin versagt, in dem Werk die antisemitischen Figuren zu entdecken“, schreibt Ruangrupa auf der Website der documenta. „Es ist unser Fehler. Wir entschuldigen uns für die Enttäuschung, die Schande, Frustration, Verrat und Schock, die wir bei den Betrachtern verursacht haben.“

Das indonesische Kollektiv, das für die Kuratierung der diesjährigen documenta fifteen verantwortlich zeichnet, müsse „seiner kuratorischen Aufgabe gerecht werden“, so Schormann gegenüber der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“. „Es ist nicht Aufgabe der Geschäftsführung, alle Werke vorab in Augenschein zu nehmen und freizugeben“, verteidigte sich die documenta-Generaldirektorin. Der Gruppe sollen nun anerkannte Experten wie Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt zur Seite gestellt werden.

Antisemitisches Banner im Fokus

Die bereits seit Längerem schwelende Antisemitismusdebatte um die Kunstausstellung eskalierte Anfang der Woche mit der Aufmerksamkeit auf ein großformatiges Banner. Das Werk mit dem Titel „People’s Justice“ des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi zeigt unter anderem ein mit „Mossad“ gekennzeichnetes Schwein samt Davidstern und einen orthodox gekennzeichneten Juden, der mit gebleckten Zähnen an einen Vampir gemahnt. Auf dem Kopf trägt dieser eine Melone mit SS-Zeichen.

Die israelische Botschaft identifizierte die Darstellungen umgehend als „Propaganda im Goebbels-Stil“. Die Verantwortlichen der documenta entschieden, das Bild mit schwarzen Stoffbahnen zu verhängen. Am Dienstagabend wurde es dann ganz abgebaut.

Sperling tritt zurück

Schormann bat zunächst um Entschuldigung. Es sei versichert worden, dass auf der documenta fifteen keine antisemitischen Inhalte zu sehen sein würden. „Dieses Versprechen haben wir leider nicht gehalten. Und das hätte nicht passieren dürfen.“ Der Vorsitzende des documenta-Forums, Jörg Sperling, kritisierte die Entfernung des Werks dagegen. „Eine freie Welt muss das ertragen“, sagte er.

Das documenta-Forum distanzierte sich von seinem bisherigen Vorsitzenden. Sperling trat daraufhin mit sofortiger Wirkung zurück. Das Interview sei mit den übrigen Vorstandsmitgliedern nicht abgestimmt gewesen, so das Forum: „Diese und alle weiteren Äußerungen in dem Interview geben ausschließlich die persönliche, nicht autorisierte Meinung von Jörg Sperling wieder“, hieß es.

Die alle fünf Jahre zu erlebende documenta gilt neben der Biennale in Venedig als international wichtigste Präsentation von Gegenwartskunst. Die 15. Ausgabe der Schau seit 1955 dauert bis zum 25. September.