FFP2-Maskenpflicht
APA/Barbara Gindl
CoV-Infektionen

Abwasseranalysen sprechen deutliche Sprache

Die Bundesregierung hat die Impfpflicht gegen das Coronavirus gekippt, Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) den Schritt am Freitag noch einmal verteidigt und gleichzeitig einen möglichen Ausblick gegeben. Was er nicht ausschließt: eine neuerliche Maskenpflicht noch vor dem Herbst. Dass eine hohe Sommerwelle heranrollt, ist wahrscheinlich, besonders Abwasseranalysen sprechen schon jetzt eine deutliche Sprache.

Bereits die Zahl der täglichen Neuinfektionen zeigt, dass wieder etwas im Kommen ist, noch deutlicher zeigen das Daten zur Virenbelastung in Abwässern. Diese legen nahe, dass die Zahl der Infektionen um einiges höher ist als jene der nachgewiesenen Fälle: laut einem Experten, der am Freitag im „Kurier“ zu Wort kam, zumindest eineinhalbmal so hoch.

Mit Stand Freitagvormittag meldeten Gesundheits- und Innenministerium 8.933 neu registrierte CoV-Fälle innerhalb der letzten 24 Stunden. Die 7-Tage-Indzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner, lag laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) mit Stand Donnerstag um 14.00 Uhr bei 568,4.

Infektionszahlen und „Wahrheit“

„Die Welle ist ganz klar größer, als die Zahlen vermitteln“, berichtete der Mikrobiologe Heribert Insam von der Universität Innsbruck gegenüber dem „Kurier“. Er ist Projektleiter des SARS-CoV-2-Schulstandortmonitoring Österreich. Dieses wird in 108 Kläranlagen durchgeführt, in deren Einzugsgebiet mehr als 3.000 Schulstandorte liegen.

Derzeit lassen sich hauptsächlich Menschen testen, die Symptome haben. „Deshalb zeigen uns die Inzidenzen nicht die Wahrheit, sondern führen derzeit zu einer groben Unterschätzung des Infektionsgeschehens“, erläuterte Insam. Natürlich scheiden auch Infizierte ohne Symptome Virenfragmente aus, die ins Abwasser gelangen und dann dort nachweisbar sind.

Die Belastung des Abwassers mit Erbgutbestandteilen von Viren (virale RNA) geht laut dem Experten eindeutig in den Bereich einer Delta-Welle im Herbst. Bei Delta gab es einen schwereren Erkrankungsverlauf, die derzeit dominanten Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 sind wiederum infektiöser.

Impfpflicht: Ein Papiertiger und sein kurzes Leben

Rauch verteidigte am Freitag trotz steigender Infektionszahlen die Abschaffung der Impfpflicht und das aktuell weitgehende Fehlen von Schutzmaßnahmen. Die Impfpflicht war im November des Vorjahres angekündigt worden, im Februar trat sie in Kraft – allerdings ohne die vielfach angekündigten Sanktionen. Im März wurde sie ausgesetzt und am Donnerstag ihr Ende bekanntgegeben.

Im dritten Jahr der Pandemie könne man nicht im Dauerkrisenzustand bleiben, generell gebe es in Europa den Trend, „ein Leben mit Corona zu ermöglichen“, so Rauch am Freitag. Sollte eine Überlastung des Gesundheitssystems drohen, sei eine neuerliche Maskenpflicht schon vor dem Herbst nicht ausgeschlossen.

Kommt die Maske vor dem Herbst wieder?

„Das habe ich immer gesagt: Wenn wir uns einer Situation nähern, die in Richtung Überlastung des Gesundheitssystem geht, dann bin ich natürlich verpflichtet auch zu reagieren“, so Rauch im Ö1-Morgenjournal zur Frage einer Wiedereinführung der Maskenpflicht im öffentlichen Bereich.

Einen Zickzackkurs sieht Rauch angesichts dessen, dass die Maskenpflicht erst mit Juni für drei Monate ausgesetzt wurde, nicht. Das Ministerium beurteile die Lage jede Woche neu, dabei beobachte man auch die Entwicklung in anderen Ländern. Man versuche, keine „Maske-rauf-Maske-runter-Spielchen zu spielen“.

Eigenverantwortung, Selbsteinschätzung, Solidarität

Auch dass die Maskenpflicht angesichts der zu erwartenden weiteren CoV-Welle nicht gleich in bestimmten Bereichen wie dem öffentlichen Verkehr beibehalten wurde wie in Wien, verteidigte Rauch. Er gehe davon aus, dass man mit der Maske werde leben müssen, immerhin sei auch in den kommenden Jahren mit weiteren Wellen zu rechnen.

Es werde im Umgang mit der Pandemie Eigenverantwortung, Selbsteinschätzung und Solidarität dem Nächsten gegenüber brauchen. „Das werden wir lernen müssen.“ So werde es im morgendlichen Stoßverkehr in öffentlichen Verkehrsmitteln angezeigt sein, eine Maske zu tragen, im leeren Zug am Abend weniger. Sein Ziel sei es jedenfalls, einen Mittelweg zu finden zwischen möglichst wenig Einschränkungen und Vorsicht.

Gespaltene Gesellschaft

Dass die zuletzt bereits ausgesetzte Impfpflicht nun komplett abgeschafft werden soll, verteidigte Rauch erneut. Diese sei ein schwerer Eingriff in Persönlichkeit- und Freiheitsrechte, und laut Einschätzung der Impfpflichtkommission wäre bisher ein „Scharfstellen“, wie es immer hieß, nicht verhältnismäßig gewesen.

„Ich kann nicht einfach eine Maßnahme setzen, die einen wirklich deutlichen Eingriff darstellt, wenn sie nicht sowohl fachlich wie auch rechtlich gerechtfertigt ist, und das war sie nicht.“ Für die Abschaffung habe man sich nun entschieden, weil diese Maßnahme die Gesellschaft spalte.