G7-Fahne
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
Programm ambitioniert

Ukraine im Fokus des G-7-Gipfels

Krisen gibt es auf der Welt aktuell genug zu lösen. Der Gipfel der sieben größten Industriestaaten (G-7) ab Sonntag im bayrischen Elmau wird sich aber vor allem um den Krieg in der Ukraine drehen. Als Linie zeichnet sich ab: noch mehr Druck auf Moskau und möglichst viel Hilfe für Kiew. Was nicht heißt, dass der „Rest“ der Gipfelagenda nicht umfangreich und ambitioniert wäre.

Es werde für die G-7 vor allem darum gehen, Stärke und Entschlossenheit zu demonstrieren, hieß es im Vorfeld des Treffens – natürlich vor allem gegenüber Russland. Moskau solle signalisiert werden, dass die großen Industrienationen nach dem russischen Angriff auf das Nachbarland hinter der Ukraine stünden.

Und bereits vor Beginn wurde Samstagabend bekannt, dass es eine Einigung auf ein Importverbot für neues russisches Gold geben soll. Bei der geplanten Preisdeckelung für russische Energieimporte soll es Fortschritte bei den Verhandlungen geben. Erreicht werden könnte das vermutlich indirekt über Auflagen für westliche Tankschiffe und Versicherer von Öltransporten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird – wie schon auf dem letzten EU-Gipfel – nach Elmau per Video zugeschaltet sein. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte einen „Marshall-Plan“ für den Wiederaufbau des durch die andauernden russischen Angriffe mittlerweile stark zerstörten Landes. Die G-7-Staaten müssen überlegen, wie sie die Ukraine neben einer monatlichen Budgethilfe von fünf Milliarden Euro weiter unterstützen – auch mit Waffen.

Vorschau auf den G-7-Gipfel

ORF-Korrespondent Andreas Pfeifer erläutert, was vom G-7-Gipfel zu erwarten ist.

Russland und die Getreideblockade

Ein weiteres zentrales Thema: die Blockade der ukrainischen Getreideexporte, die mittlerweile Folgen für die globale Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln hat. Die Verhandlungen über eine Lösung für die Krise sind in Schwebe, viele Länder, unter anderem in Afrika, sind auf Lieferungen aus der Ukraine angewiesen. Hier sei die Botschaft klar: „Wir lassen nicht zu, dass der russische Angriffskrieg die Welt in Hunger stürzt“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock am Freitag nach Beratungen des Bundeskabinetts in Berlin.

US-Außenminister Antony Blinken wies darauf hin, dass wegen des von Russland verursachten Krieges in diesem Jahr 40 Millionen Menschen zusätzlich an Hunger litten. Baerbock und Blinken äußerten sich auch anlässlich einer internationalen Konferenz zur Nahrungsmittelsicherheit in der deutschen Hauptstadt, an der mehr als 50 Delegationen teilnahmen.

Moskaus „falsches Narrativ“

Die G-7 wirft Russland vor, für die gegenwärtige Verschärfung der globalen Nahrungsmittelkrise verantwortlich zu sein. Russlands Krieg verschärfe die Krise durch die Blockade des Schwarzen Meeres, den Angriff auf Getreidelager und Häfen sowie die Beschädigung der landwirtschaftlichen Infrastruktur der Ukraine, hieß es in einer Erklärung der G-7-Außenminister nach Beratungen in Berlin.

Sie prangern darin außerdem „Russlands falsches Narrativ und Desinformation mit Blick auf die Sanktionen“ an. Russische Lebensmittel und landwirtschaftliche Erzeugnisse seien von den Sanktionen nicht betroffen und könnten die Weltmärkte erreichen. Die aus der Ukraine können es seit geraumer Zeit nicht.

Breite Palette an Themen

Ein zentraler Aspekt des Treffens wird nach Angaben des deutschen G-7-Chefunterhändlers Jörg Kukies aber einer sein, der gerne übersehen wird: Die Chefs der G-7-Staaten haben auf dem Gipfel mehr als zwei Tage Zeit, vertraulich miteinander zu sprechen. Das gilt angesichts von großen Krisen wie dem Ukraine-Krieg, der weltweiten Explosion der Energie- und Nahrungsmittelpreise und dem beschleunigten Klimawandel als besonders wichtig.

Schloss Elmau
APA/AFP/Christof Stache
Gesprächsmarathon in Schloss Elmau zu einer breiten Palette von globalen Problemen

Immerhin sehen sich die USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada und Japan in einem Behauptungskampf gegen eine Achse autoritärer Staaten wie China und Russland. EU, G-7 und NATO wollen mit drei Gipfeln innerhalb von nur sieben Tagen kontern. Die EU legte mit dem Beschluss vor, den früheren Sowjetrepubliken Ukraine und Moldawien einen EU-Kandidatenstatus zu verleihen.

Große Schwellenländer müssen mit an Bord

Auf dem auch in diesem Jahr von einem Großaufgebot von fast 20.000 Sicherheitskräften gesicherten Gipfel sind von Sonntag bis Dienstag deshalb zahlreiche bilaterale Gespräche vorgesehen, zumal auch US-Präsident Joe Biden an den Beratungen teilnimmt. Als Gastgeber will der deutsche Bundeskanzler Scholz mit allen Gästen einmal zusammenkommen – und das sind viele. Denn neben den G-7-Staaten hat er auch die Staats- und Regierungschefs von Indien, Indonesien, Südafrika, Argentinien und Senegal eingeladen.

Ihnen kommt diesmal auch besondere Bedeutung zu, denn die westlichen Sanktionen gegen Russland können nur Erfolg haben, wenn sie nicht von den wichtigen Schwellenländern weltweit unterlaufen werden. Zumindest wollten Scholz und die anderen G-7-Regierungschefs klarmachen, dass Russland und nicht der Westen an der Explosion der Energie- und Nahrungsmittelpreise schuld sei, hieß es.

Deutschland will „Klimaklub“ vorstellen

Inhaltlich steht eine ganze Bandbreite von Themen auf der Agenda: Es soll etwa ein Bekenntnis für mehr Gleichberechtigung, für mehr Zusammenarbeit bei der weltweiten Nahrungsmittelversorgung und zur Bekämpfung von Pandemien geben. Scholz will außerdem in Elmau nahe Garmisch-Partenkirchen den internationalen „Klimaklub“ ausrufen, der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen nationalen Klimaschutzanstrengungen schaffen und damit neue Handelskriege vermeiden soll.

Mit Spannung werden außerdem die G-7-Positionen zu Fiskalpolitik und Freihandel erwartet. Zwar können auch in Elmau nur unverbindliche Absichtserklärungen verabschiedet werden – wie immer im informellen G-7-Rahmen. Aber ein mehr oder weniger klares Bekenntnis zu Freihandel, dem Umgang mit China und zur Frage, wie man die hohe Inflation bekämpfen will, gilt angesichts der Größe der vertretenen Volkswirtschaften weltweit als wichtige Festlegung.

Erfolg und Misserfolg von Elmau wird für den deutschen Kanzler Scholz aber wohl auch daran gemessen werden, wie friedlich der Gipfel bleibt. Während das erste G-7-Treffen in Elmau 2015 entspannt verlief, hatte Scholz als Hamburgs Bürgermeister 2018 einen G-20-Gipfel mitzuverantworten, bei dem es schwere gewalttätige Auseinandersetzungen auf den Straßen gab. Gipfelgegner bauten im Vorfeld des Gipfels am Sonntag und Montag auf einer Wiese in Garmisch-Partenkirchen Protestcamps für mindestens 750 Personen auf, wie es hieß.