Protest vor dem Kapitol gegen die Entscheidung der Supreme Court
Reuters/Jim Urquhart
Abtreibungen

Verbot in Teilen der USA schon in Kraft

Wenige Stunden nach der Aufhebung des Rechts auf Abtreibung durch den Obersten Gerichtshof haben etliche US-Bundesstaaten bereits weitgehende Abtreibungsverbote in Kraft gesetzt. In Staaten wie Arkansas, Kentucky und Louisiana sind Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt – auch nicht bei Vergewaltigungen oder in Fällen von Inzest.

Ausnahmen gibt es in der Regel nur für medizinische Notfälle. Eine Reihe liberaler Staaten erklärte dagegen, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche weiter schützen zu wollen. Das oberste US-Gericht hatte seine Entscheidung am Freitag veröffentlicht. Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten.

Einige Staaten hatten Verbotsgesetze vorbereitet für den Fall einer anderen Rechtsprechung – sogenannte Trigger Laws. In einigen Bundesstaaten treten sie nun sofort in Kraft, in anderen dauert es etwa einen Monat. In manchen Staaten braucht es eine formale Bestätigung des Generalstaatsanwalts oder Gouverneurs. Mehrere Abtreibungskliniken haben bereits zugesperrt.

Erste US-Bundesstaaten verbieten Abtreibung

Am Samstag gab es erneut Proteste vor dem Höchstgericht in Washington DC. Bereits am Freitag hatten in mehreren Großstädten der USA Tausende Menschen spontan gegen das Urteil protestiert, darunter in der Hauptstadt Washington, in New York, Los Angeles, San Francisco, Chicago, Austin, Denver und Philadelphia. Demonstrantinnen und Demonstranten hielten Schilder mit Aufschriften wie „Mein Vergewaltiger hat mehr Rechte als ich“ in die Höhe und skandierten Slogans wie etwa „Abtreibung ist ein Menschenrecht“. In den nächsten Tagen dürften weitere Demonstrationen folgen.

Vertrauen in Höchstgericht auf Rekordtief

Die Frage des Rechts auf Abtreibung, die Konservative und Rechte stets mit dem Slogan „Recht auf Leben“ konterten, ist in den USA längst zu einer über das Thema selbst hinausgehenden gesellschaftlichen Schlüsselfrage geworden, die zwei scheinbar unüberbrückbare Lager schafft und perpetuiert. Dabei ist eine klare Mehrheit der Bevölkerung für ein Recht auf Abtreibung. Die Entscheidung des Supreme Court ließ auch das Vertrauen in das Höchstgericht auf den historisch niedrigsten Stand von nur noch 25 Prozent sinken, berichtete NPR.

Keine bundesweite Regelung

In den USA gibt es kein landesweites Gesetz, das Abtreibungen erlaubt oder verbietet. Schwangerschaftsabbrüche waren aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – etwa bis zur 24. Woche. Das stellten zwei Urteile des obersten US-Gerichts sicher, die nun gekippt wurden. Nun dürfen die US-Bundesstaaten über das Recht auf Abtreibung entscheiden. In rund der Hälfte der Staaten dürften Abtreibungen nun stark eingeschränkt oder verboten werden.

In vielen Staaten wie etwa Missouri oder Oklahoma drohen Ärzten, die Abtreibungen durchführen, nun lange Gefängnisstrafen. Die Gouverneure unter anderem aus Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New York bekannten sich hingegen zu ihrer liberalen Haltung bezüglich Abtreibungen. Frauen können nun theoretisch in diese Staaten reisen, um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Allerdings können sich das viele nicht leisten.

Konzerne wollen Kosten tragen

Mehrere US-Konzerne, darunter Amazon, Starbucks und Disney, haben bereits angekündigt, Mitarbeiterinnen die Reisekosten gegebenenfalls zu erstatten. Wie das in der Praxis funktionieren soll – wer will schon dem Arbeitgeber bekanntgeben, dass man eine Abtreibung vornehmen lässt –, ist freilich unklar. Befürchtet wird, dass wieder vermehrt Frauen versuchen, selbst eine Abtreibung vorzunehmen.

Präsident Biden sagte am Samstag bei einem Auftritt mit seiner Frau Jill im Weißen Haus: „Jill und ich wissen, wie schmerzhaft und verheerend diese Entscheidung für so viele Amerikaner ist.“

Demonstration in New York gegen die Entscheidung des Supreme Court
Reuters/Caitlin Ochs
Tausende Menschen versammelten sich zu spontanen Protesten gegen das Urteil

Wichtiges Thema im Wahlkampf

Bidens Demokraten würden das Recht auf Abtreibung gerne per Gesetz bundesweit regeln. Doch dazu fehlen ihnen die nötigen Stimmen im Kongress. Demokraten wollen das Thema zu einem zentralen im Wahlkampf für die Kongresswahl im November machen. Laut Umfragen werden die Demokraten aber deutliche Verluste einstecken müssen – etwa wegen der Inflation.

Während Liberale mit Entsetzen auf das Urteil reagierten, feierten viele Konservative die Entscheidung. Ex-US-Präsident Donald Trump nannte die Entscheidung einen „Gewinn für das Leben“. Sein damaliger Vize Mike Pence rief Abtreibungsgegner dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass Schwangerschaftsbrüche nun in allen Bundesstaaten verboten werden.