OMV-Erdgsspeicheranlage in Schönkirchen
ORF.at/Roland Winkler
Gasnotfallplan

Alarmstufe kommt, wenn Befüllung stockt

Deutschland hat dieser Tage die Alarmstufe, die zweite von drei Stufen des Gasnotfallplans, ausgerufen. Österreich bleibt noch auf der ersten, der Frühwarnstufe, da die Versorgung stabil ist und die Gasspeicher befüllt werden können. Sobald aber nicht mehr genug Gas zur Befüllung der Speicher ins Land kommt, oder die aktuelle Versorgung in Gefahr ist, wird die Alarmstufe ausgerufen, zeigt ein Hintergrundpapier des Klimaministeriums.

Österreich bekomme zwar wie Deutschland derzeit deutlich weniger Gas aus Russland, könne die fehlenden Mengen aber praktisch zur Gänze aus anderen Quellen auffangen. Daher scheine das Ziel, bis zum Herbst die Gasspeicher zumindest zu 80 Prozent zu befüllen, noch erreichbar. Das wäre eine Verdoppelung der Speichermenge im Vergleich zum aktuellen Stand. „Unsere Versicherung sind unsere großen Gasspeicher. Das zentrale Ziel ist deshalb: Volle Speicher vor dem nächsten Winter“, so Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne).

Gewesslers Ministerium hat zahlreiche Szenarien durchgerechnet, wie lange Österreich mit Gas auskommen könnte, wenn Russland den Gashahn zudreht. Darin beeinflussen allerdings zahlreiche Variablen das Ergebnis: die Menge an Gas, die noch aus Russland kommt, die Menge an Gas, die von woanders zugekauft werden kann, die Gasmenge, die aus Speichern entnommen werden kann, und auf der anderen Seite die Bereitschaft und Möglichkeit von Wirtschaft und Haushalten, Gas zu sparen oder auf alternative Energiequellen umzusteigen.

Das wird auch vom Preis abhängen, der in so einem Fall wohl explodieren dürfte – und von einem möglichen Konjunktureinbruch. Und viel hängt von der Jahreszeit ab, ist doch der Gasverbrauch im Winter gut dreimal höher als im Sommer.

Große Gasverbraucher müssten täglich Bedarf melden

In der Alarmstufe müssten große Gasverbraucher täglich ihren geplanten Gasbedarf der E-Control melden. Ein eigenes System für die Gasverteilung im Krisenfall (FlexMOL) würde aktiviert. FlexMOL bedeutet „flexible Merit Order List“. Die größten Gasverbraucher Österreichs müssen sich für die Teilnahme an der genannten Plattform registrieren und können Gasmengen, die sie zwar schon physisch haben, aber dann doch nicht brauchen, darüber anbieten. Unternehmen würden aufgefordert, aber nicht verpflichtet, Gas zu sparen oder durch andere Energieträger zu ersetzen.

Sollte Russland die Gasversorgung ganz einstellen, würde auf jeden Fall die Notfallstufe, also die höchste der drei Stufen ausgerufen. Und das würde der Regierung in Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats und des Energielenkungsbeirats weitreichende Kompetenzen mit Energielenkungsmaßnahmen, also Eingriffen in den Gasmarkt, einräumen. Oberstes Ziel bleibt dann die Versorgung der Haushalte und sozialer Dienste wie Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten mit Gas.

In der Notfallstufe werden große Verbraucher verpflichtet, am Handelssystem FlexMOL teilzunehmen. Das heißt, sie würden mitteilen, auf wie viel Gas sie zu welchem Preis verzichten können. Denn das Klimaministerium will versuchen, so lange wie möglich die Zuteilung von Gas nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu ermöglichen.

Sparaufruf an Unternehmen und Haushalte

Erdgas muss dann jedenfalls durch andere Energieträger ersetzt werden, wo es möglich ist – Schadstoffgrenzwerte, die das verhindern würden, werden außer Kraft gesetzt. Unternehmen und Haushalte werden zum Energiesparen aufgerufen. Da vermutlich die Gaspreise signifikant steigen werden, wird auch mit einem starken Rückgang des Verbrauchs gerechnet. Unternehmen können aber auch mit Staatshilfen rechnen.

Von Kürzungen beim Gas ausgenommen sind Kraftwerke und Unternehmen, die Haushalte mit Abwärme versorgen. Auch haben Unternehmen, die Lebensmittel und andere systemrelevante Güter produzieren, Priorität bei der Gaszuteilung. Firmen, die seit dem 27. April auf eigene Rechnung Gas einlagern, können auf diese Mengen auch im Energielenkungsfall weiter zugreifen. Einzige Ausnahme wäre ein drohender Zusammenbruch des Gasnetzes. Öffentlich so eine Reservebildung angekündigt hat bisher nur die voestalpine.

Limit für 35 nicht systemkritische Großverbraucher

Eingeschränkt würden im ersten Schritt jene 35 Großverbraucher, die nicht systemkritisch sind und jeweils pro Stunde mehr als 50.000 Kilowattstunden (KWh) Gas verbrauchen – also dreimal so viel pro Stunde wie ein durchschnittlicher Haushalt im ganzen Jahr. Diese 35 Unternehmen machen im Sommer – also außerhalb der Heizperiode – die Hälfte des Gasverbrauchs aus. Mit ihnen stehe die E-Control bereits in intensivem Austausch, versichert das Ministerium.

Das Klimaministerium geht davon aus, dass schon mit dieser Maßnahme – bei entsprechend gefüllten Speichern – ein längerfristiger Versorgungsengpass überwunden werden kann. Falls nicht, müssten jene 7.500 Unternehmen, die pro Jahr über 400.000 KWh Gas verbrauchen, mit Einschränkungen rechnen. Sie machen zusammen ein Viertel des Gasverbrauchs im Sommer aus.

Kein Szenario sieht Gaskürzungen für Haushalte vor

Haushalte werden in allen Szenarien von Gaskürzungen verschont. Das sieht schon EU-Recht vor. Haushalte würden aber zum Gassparen aufgefordert werden, wenn es zu Lieferunterbrechungen kommt. Die Szenarien des Ministeriums zeigen aber, dass in den allermeisten Fällen eine Einschränkung der Großverbraucher schon ausreicht.