U.S. Präsident Joe Biden, der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Mario Draghi, Kanadas Justin Trudeau, Japans Fumio Kishida, Frankreichs Emmanuel Macron, Deutschlands Olaf Scholz, und Großbritanniens Boris Johnson beim G7 Treffen
Reuters/Markus Schreiber
Gipfel

G-7 verhandelt mit Selenskyj

Der G-7 steht der politisch wie emotional wohl schwierigste Part des Gipfels im bayrischen Elmau bevor: Montagvormittag reden und verhandeln die Staats- und Regierungschefs von den USA bis Deutschland mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über Hilfen – militärisch und wirtschaftlich – für sein von Russland angegriffenes Land. Auch Beratungen über einen Preisdeckel für russisches Öl gehen weiter.

Bereits am Sonntag hatte Selenskyj erneut mehr Militärhilfe für sein Land gefordert. Derzeit ist die Ukraine stark in der Defensive, westliches Militärgerät und auch Munition kommen viel zu langsam und in viel zu geringer Zahl an, um eine Wende im Krieg zu ermöglichen. Selenskyj wird die westlichen Industriestaaten drängen, deutlich mehr zu machen. Abzuwarten bleibt, ob es ihm gelingt, den sieben Industrienationen überraschende Zugeständnisse abzuringen.

Umgekehrt ist die Frage, ob der Westen in näherer Zukunft beginnt, Druck auf Kiew auszuüben, Verhandlungen mit Russland zu beginnen, auch wenn das mit großen Gebietsverlusten verbunden wäre. Dass es diese Tendenzen und Befürchtungen gibt, lässt sich aus dem Appell des britischen Premiers Boris Johnson ablesen, der den Westen aufforderte, seine einheitliche Linie gegen Russland beizubehalten. Denn ein russischer Sieg würde viel teurer zu stehen kommen als die durch die hohen Energiepreise rapide steigende Teuerung in den eigenen Ländern.

Erweiterte Runde

Anschließend an das Telefonat mit Selenskyj hat Deutschlands Kanzler Olaf Scholz als Gastgeber die Staats- und Regierungschefs von fünf Ländern zur Teilnahme an den Beratungen eingeladen: Indien, Indonesien, Südafrika, Senegal und Argentinien. In der größeren Runde sollen unter anderem die Klimakrise sowie die Themen Energiesicherheit und Gesundheit diskutiert werden.

Ölpreisdeckel als Thema

Vor allem mit Indien wird es aber auch um die Möglichkeit gehen, einen Preisdeckel für russisches Öl einzuziehen. Bei neuen Sanktionen für russisches Gold sind die Verhandlungen der G-7 schon sehr weit gediehen, die Gespräche zu einem Ölpreisdeckel sind allerdings deutlich komplexer, und es ist wohl schwieriger, hier die nötigen Länder, insbesondere Indien, an Bord zu bekommen. Indien wurde neben China mittlerweile zum größten Abnehmer von russischem Öl. Das riesige Land hat zugleich starke Wirtschaftsbeziehungen zur EU und zu den USA. Auch geostrategisch – China betrachtet Delhi als Bedrohung – ist Indien auf ein gutes Verhältnis insbesondere zu den USA angewiesen.

Der Ölpreisdeckel soll einerseits die Kosten des Krieges für Russland durch weniger stark steigende Einnahmen erhöhen und andererseits den Anstieg der Inflation weltweit bremsen. Bei der praktischen Umsetzung gibt es offenbar noch viele offene Fragen. Skeptiker warnen allerdings, dass Russland mit einer sofortigen starken Einschränkung der Öl- und Gasexporte in den Westen reagieren könnte.

U.S. Präsident Joe Biden, der Präsident des Europäischen Rates Charles Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Mario Draghi, Kanadas Justin Trudeau, Japans Fumio Kishida, Frankreichs Emmanuel Macron, Deutschlands Olaf Scholz, und Großbritanniens Boris Johnson beim G7 Treffen
Reuters/Stefan Rousseau
Lockerungsübungen zwischen den Verhandlungen über die komplexe Weltlage

Zwischen den Beratungen am ersten Tag gab es nachmittags auch ein erstes offizielles Gruppenfoto, das durchaus interessant ist – einerseits, weil die Regierungschefs sichtlich gut gelaunt teils eingehängt dastehen, andererseits, weil es vor jener Holzbank gemacht wurde, auf der der damalige US-Präsident Barack Obama gemeinsam mit seiner Amtskollegin Angela Merkel 2015 posierte.

Scholz betont Geschlossenheit

Scholz hatte Sonntagmittag mit seiner Frau Britta Ernst bei strahlendem Sonnenschein auf Schloss Elmau seine Kollegen aus den G-7-Staaten empfangen, zu denen auch Frankreich und Italien gehören. Bei einem zuvor abgehaltenen bilateralen Gespräch mit US-Präsident Joe Biden betonten beide die Geschlossenheit der G-7 gegenüber Russland.

„Wir sind geeint, wir stehen zusammen“, betonte Scholz. Das sei „unsere klare Botschaft“ an Russlands Präsident Wladimir Putin. „Wir müssen zusammenbleiben“, sagte Biden. Putin habe vergeblich darauf gesetzt, „dass sich die Nato und die G-7 irgendwie spalten“.

Entsetzen über „brutalen Krieg“

Russland müsse nach dem Angriff auf die Ukraine weiter mit der „Entschlossenheit und Geschlossenheit“ der großen westlichen Wirtschaftsmächte der Gruppe der Sieben rechnen, sagte der Kanzler. Er zeigte sich entsetzt über die russischen Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Er sprach von einem „brutalen Krieg“, „den Putin führt“. Das zeige, dass es richtig sei, „die Ukrainerinnen und Ukrainer dabei zu unterstützen, ihr Land, ihre Demokratie, ihre Freiheit auf Selbstbestimmung zu verteidigen“.

Um dem wachsenden Einfluss Chinas in Entwicklungsländern entgegenzutreten, vereinbarte die G-7 zudem ein Investitionsprogramm.

G-7: Strategie gegen Putin gesucht

Auf Schloss Elmau, knapp fünf Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, treffen sich seit Sonntag die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten. Sie wollen Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt die Stirn bieten. So sollen ein Goldembargo Russlands zweitwichtigstes Exportgut treffen und finanzielle Hilfen für die Ukraine auf den Weg gebracht werden. Hinter allem steht aber wie so oft die Frage, wie einig der Westen auf den russischen Angriff reagiert.

Proteste deutlich kleiner als erwartet

Praktisch keine Rolle spielten bisher Demos und Proteste von Globalisierungsgegnern und Umweltschützern. Deren Zahl ist deutlich niedriger als erwartet und steht einem riesigen Sicherheitsaufgebot gegenüber. Alle Proteste von München bis Garmisch-Partenkirchen verliefen bisher weitgehend friedlich. Nach den schweren Ausschreitungen beim G-7-Gipfel in Hamburg vor mehreren Jahren – damals war Scholz Bürgermeister der Hansestadt – ist es für den deutschen Kanzler besonders wichtig, dass dieser Gipfel ungestört und ohne Ausschreitungen über die Bühne geht.