Eine Frau hängt ein Protestschild auf einen Zaun
AP/Ben Gray
US-Abtreibungsurteil

Schwarze Frauen besonders betroffen

Das Abtreibungsurteil des US-Höchstgerichts vom Freitag hat am Wochenende Zehntausende Menschen in den USA für Proteste dagegen auf die Straße gebracht. In mindestens acht Bundesstaaten sind Abtreibungen selbst bei Vergewaltigung de facto bereits verboten. Besonders stark betroffen sind schwarze Frauen und andere „Women of Color“ wie Latinas.

Nach dem Urteil des Supreme Court liegt es nun bei den Bundesstaaten, in welcher Form sie Schwangerschaftsabbrüche zulassen. In den Staaten, die eine besonders restriktive Gesetzgebung haben beziehungsweise planen, leben mehr schwarze Frauen. In Mississippi etwa machen Schwarze laut aktuellen Daten rund 38 Prozent der Bevölkerung aus. US-weit liegt dieser Anteil bei 13 Prozent.

Wie Reuters berichtet, ist darüber hinaus die Wahrscheinlichkeit, dass schwarze Frauen eine Abtreibung vornehmen lassen, fünfmal höher als bei weißen Frauen, bei der Latino-Bevölkerung doppelt so hoch, wie Zahlen des Centers for Disease Control and Prevention (CDC), einer Behörde des US-Gesundheitsministeriums, aus dem Jahr 2019 zeigen. Allein in Mississippi sollen im Jahr 2019 fast drei Viertel aller Schwangerschaftsabbrüche bei schwarzen Frauen durchgeführt worden sein.

„Direkter Angriff auf alle Frauen“

Gesundheitsexperten führen diese hohen Abtreibungsraten auf ungleiche Zugänge zur Gesundheitsversorgung, fehlende Krankenversicherung und Verhütungsmittel in vielen Gemeinden zurück. „Es lässt sich nicht leugnen, dass das ein direkter Angriff auf alle Frauen ist, und schwarze Frauen werden von diesem ungeheuerlichen Angriff des Gerichts auf grundlegende Menschenrechte unverhältnismäßig stark betroffen sein“, sagte Janette McCarthy Wallace von der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) gegenüber Reuters.

Michelle Webb von der Organisation Black Women’s Health Imperative spricht von einer „neuen öffentlichen Gesundheitskrise für schwarze Frauen“. Laut Angaben des Weißen Hauses sterben in den USA jedes Jahr mehr Frauen bei der Geburt als in jedem anderen Industrieland, der Anteil von schwarzen Frauen sei dreimal höher als bei weißen Frauen. Experten befürchten mit dem Abtreibungsurteil eine noch höhere Todesrate.

Wirtschaftliche Konsequenzen

Mit dem Zwang für Frauen, ein ungeplantes Kind zu bekommen, erhöht sich einer Studie des National Bureau of Economic Research (NBER) aus dem Jahr 2020 zufolge das Risiko von Armut und finanziellen Notlagen. Entsprechend argumentiert auch Heidi Shierholz vom Economic Policy Institute gegenüber Reuters: „Das Recht auf Abtreibung ist ein wirtschaftliches Recht.“ Wer sich nicht dafür entscheiden könne, verliere wirtschaftliche Sicherheit, Unabhängigkeit und Mobilität.

27.06.22 USA Supreme Court Abtreibung Betroffene Haupt
APA/AFP/Getty Images/Nathan Howard
Führende demokratische Frauen wie Alexandria Ocasio-Cortez machen Druck auf Biden, die Rechte der Frauen zu schützen

Druck auf Biden

Kurz nach dem Urteil am Freitag hat der demokratische US-Präsident Joe Biden versichert, sich für die Rechte der Frauen einsetzen zu wollen. Er bezeichnete das Urteil als „tragischen Fehler“. Fraglich ist aber, was er erreichen kann. Jedenfalls wird es Thema bei den Kongresswahlen im November. Bereits am Sonntag erhöhten führende demokratische Frauen ihren Druck auf Biden und forderten ihn und den Kongress auf, die Abtreibungsrechte landesweit zu schützen. „Frauen zu zwingen, Schwangerschaften gegen ihren Willen auszutragen, wird sie umbringen“, klagte die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez.

Die demokratische Gouverneurskandidatin von Georgia, Stacey Abrams, forderte die Demokraten im Kongress auf, das Grundsatzurteil von Roe v. Wade von 1973 gesetzlich zu verankern. Die Demokratinnen mahnten zudem von Biden ein, den Zugang von Frauen zu einer Pille, die für medizinische Abtreibungen verwendet wird, zu verteidigen. Einige Bundesstaaten wollen die Verfügbarkeit dieser Pille verbieten.