Raketenanschlag auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk
AP/Ukrainian State Emergency Service
Ukraine

Entsetzen nach Angriff auf Einkaufszentrum

Der russische Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der Industriestadt Krementschuk, 300 Kilometer südöstlich von Kiew, sorgt international für Entsetzen. Der UNO-Sicherheitsrat will sich am Dienstag damit beschäftigen. Der Angriff erfolgte tagsüber kurze Zeit nach einem Videoauftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei einem G-7-Treffen. Laut Selenskyj sollen sich mehr als 1.000 Menschen in dem Einkaufszentrum aufgehalten haben.

Noch am Abend lief der Rettungseinsatz in dem Gebäude, das zum Teil durch das ausgebrochene Feuer stark zerstört wurde. Bisher bestätigten die ukrainischen Behörden 18 Tote und mindestens 60 Verletzte. Es werden aber weit mehr Opfer befürchtet. Selenskyj: „Es ist unmöglich, sich die Zahl der Opfer auch nur vorzustellen.“ Und weiter: „Die Leute im Einkaufszentrum in Krementschuk verdienten die gleiche Sicherheit wie Leute in jedem Einkaufszentrum der Welt, ob irgendwo in Philadelphia oder Tel Aviv, oder in einer Einkaufspassage in Dresden“, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Nach Angaben der ukrainischen Luftstreitkräfte wurde das Einkaufszentrum von Kh-22-Antischiffsraketen getroffen, die von der russischen Region Kursk aus abgefeuert worden waren. Der „Guardian“ berichtete, dass es sich aufgrund der Reichweite um Raketen gehandelt haben muss, die meist vor dem Abschuss mit dem Standort des Ziels programmiert werden.

Raketenanschlag auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk
APA/AFP/Ukraine Emergency Ministry Press Service
Bis zum Abend konnte das Feuer im Einkaufszentrum, das nach dem Angriff ausgebrochen war, gelöscht werden

„Keine militärischen Objekte“ in der Nähe

Die ukrainische Abgeordnete Lesia Wassylenko sagte gegenüber der BBC, dass sich in der Nähe des Einkaufszentrums „keine militärischen Objekte“ befunden hätten. In unmittelbarer Nähe des Einkaufszentrums befinden sich mehrere Industrieanlagen, darunter eine Fabrik für Straßenbaumaschinen. Laut dem Sekretär des ukrainischen Sicherheitsrats, Olexeij Danilow, schlug eine zweite Rakete in ein örtliches Sportstadion ein.

Die Industriestadt hatte vor Beginn des Krieges knapp 220.000 Einwohner und Einwohnerinnen. Hier steht die größte Ölraffinerie des Landes. Die Stadt war bereits Ziel mehrerer Raketenangriffe gewesen, aber nicht vergleichbar mit dem Angriff vom Montag.

„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

„Der Raketenbeschuss von Krementschuk traf einen belebten Ort, der nichts mit den Kämpfen zu tun hat“, postete der Bürgermeister der Stadt, Witali Maletsky, auf Facebook. Russland habe mit dem Angriff auf das Einkaufszentrum ein Kriegsverbrechen begangen, sagte der Chef der Region Poltawa, Dmytro Lunin. Das sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Die Staats- und Regierungschefs der G-7-Staaten nahmen am Abend ebenfalls Stellung: „Wir verurteilen den abscheulichen Angriff auf ein Einkaufszentrum in Krementschuk auf das Schärfste. Wir werden nicht ruhen, bis Russland seinen brutalen und sinnlosen Krieg gegen die Ukraine beendet“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung auf Twitter.

„Die Welt ist entsetzt über Russlands heutigen Raketenangriff, der ein belebtes Einkaufszentrum traf“, so US-Außenminister Antony Blinken. Die USA würden die Ukraine weiter unterstützen und die Verantwortlichen für die Gräueltaten zur Verantwortung ziehen.

Beratungen des UNO-Sicherheitsrats

Dienstagabend (MESZ) wird sich auf Bitte der Ukraine der UNO-Sicherheitsrat mit dem Angriff auf das Einkaufszentrum beschäftigen. Der britische Premierminister Boris Johnson warf Russlands Präsident Wladimir Putin „abgrundtiefe Grausamkeit und Barbarei“ vor. Putin bewirke damit jedoch nur, dass die Entschlossenheit Großbritanniens und der anderen G-7-Länder gestärkt werde, die Ukraine „so lange wie nötig“ zu unterstützen. Auch Frankreich verurteilte den Angriff auf das Einkaufszentrum.

EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem „schrecklich wahllosen“ russischen Raketenangriff. Die Einschüchterungstaktik Russlands werde aber nicht funktionieren, zeigte er sich überzeugt. Aus Russland lag zunächst keine Stellungnahme vor. Die Regierung in Moskau bestreitet, absichtlich auf Zivilisten zu zielen. Zum Teil lassen sich Angaben nicht unabhängig überprüfen.

Selenskyj bittet um Luftabwehrsysteme und Munition

Der Angriff ist nur wenige Stunden nach der Videoschaltung Selenskyjs zum G-7-Treffen im bayrischen Schloss Elmau erfolgt. Dort hatte er laut Verhandlerkreisen erneut um Luftabwehrsysteme und Munition gebeten. Zudem warnte er vor einer schwierigen Lage, wenn der Krieg nicht vor dem Winter beendet werde.

Die G-7-Staaten verhängten indes weitere Strafmaßnahmen gegen Moskau, etwa gegen militärische Produktions- und Lieferketten. Die USA würden in Abstimmung mit den G-7-Staaen Sanktionen gegen Hunderte weitere Personen und Institutionen erlassen sowie Strafzölle auf russische Produkte erheben, hieß es aus dem Weißen Haus. In der Abschlusserklärung hieß es, dass weiter nach neuen Wegen gesucht werde, um Russland von der Teilnahme am Weltmarkt zu isolieren.