Menschen auf der Straße
ORF.at/Peter Pfeiffer
Rauch zu CoV-Quarantäne

Kein „Geheimplan“ zur raschen Abschaffung

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) ist Spekulationen über ein rasches Ende der Quarantänepflicht für CoV-Infizierte entgegengetreten. „Es wird viel gemunkelt, aber es gibt keinen Geheimplan“, sagte Rauch am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal. Baldige Änderungen stehen indes bei der Empfehlung zum vierten Stich an.

Der Plan für das Aus der Quarantänepflicht bei CoV-Infektionen werde „immer konkreter“, berichtete die „Kronen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe). Anlass für die Spekulation ist eine Novelle des Epidemiegesetzes. Ein neuer Passus ermöglicht dem Gesundheitsminister die Einführung allgemeiner Verkehrsbeschränkungen als Alternative zur verpflichtenden Quarantäne. Diese Beschränkungen würden aber nicht bei bestätigten Infektionen gelten.

Rauch wies Gerüchte über eine schnelle Aufhebung der Quarantäne gegenüber Ö1 zurück. „Damit muss ich sofort aufräumen“, so der Minister. Im Gesundheitsressort bereite man sich seit Monaten auf den Sommer und Herbst vor. Teil dieser Vorbereitung sei es zu prüfen, wie mit der Absonderung von Infizierten und Kontaktpersonen künftig umgegangen werden soll. „Wir bereiten verschiedene Möglichkeiten vor, je nach Virusvariante“, so der Minister. Dabei blickt Österreich laut Rauch auch auf den Umgang anderer Staaten mit dem Thema und stimme sich auf europäischer Ebene ab.

Das Gesundheitsministerium hatte bereits Dienstagfrüh gegenüber der APA erklärt, dass ad hoc keine Schritte zu einem raschen Aus für die Quarantäne CoV-Infizierter geplant seien. Rauch verwies gegenüber Ö1 auf die bereits jetzt gelockerten Regelungen. Positiv getestete Personen können sich nach fünf Tagen freitesten oder sich – wenn sie symptomfrei sind – unter Einhaltung von Verkehrsbeschränkungen nach draußen begeben. Weitreichende Maßnahmen müssen sorgfältig „abgewogen“ werden, so Rauch, „da gilt es einfach, die Balance zu wahren zwischen Vorsicht und Leben und gutem Umgang mit Covid“.

Der Bundesvorgabe folgen aktuell fast alle Bundesländer. In Wien kommt aber eine etwas strengere Regel weiterhin zur Anwendung: Hier blieb es bei jener Variante, dass infizierte Personen grundsätzlich zehn Tage Quarantäne anzutreten haben – ab dem fünften Tag nach Probeentnahme besteht allerdings die Möglichkeit, sich freizutesten. Ein automatisches Wechseln in die Verkehrsbeschränkungen nach fünf Tagen ohne Test ist in Wien nicht möglich.

Steigende CoV-Zahlen im Sommer

Derzeit steigen die Coronavirus-Zahlen wieder schnell, doch diesmal scheint es niemanden mehr zu kümmern. Maskentragen wird nur empfohlen, die nie umgesetzte Impfpflicht wurde abgeschafft und auch über die Quarantäneregeln wird diskutiert. Es wird auf Eigenverantwortung gesetzt.

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach sich am Dienstag im ORF-„Report“ dagegen aus, die Quarantäne als Instrument der Gesundheitsbehörde einfach abzuschaffen. Und auch darüber hinausgehende Maßnahmen als Reaktion auf die derzeitige Infektionswelle schloss er für die Bundeshauptstadt nicht aus. Die Infektionen einfach „laufen“ zu lassen sei zu wenig. Viele Betriebe spürten, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausfallen.

Gartlehner: „Weg von der Gießkanne“

Für ein Überdenken der Quarantäne spricht sich der Epidemiologe Gerald Gartlehner aus. Grund: Das Gesundheitssystem sei durch CoV nicht mehr gefährdet. Es brauche eine Änderung der Strategie „weg von der Gießkanne mit Maßnahmen für alle und mehr hin zu einem Fokus auf Risikogruppen“ und Vulnerable, sagte Gartlehner im Interview mit dem ORF-„Report“.

Neuer Umgang mit CoV-Virus gefordert

Die Omikron-Varianten BA.4 und BA.5 sind in Österreich voll angekommen. In den Intensivstationen ist die Lage noch relativ ruhig – dafür gibt es wieder zahlreiche Personalausfälle quer durch alle Branchen. Fachleute fordern nun einen neuen Umgang mit CoV.

Neue Empfehlungen zum vierten Stich rücken näher

Unterdessen rücken geänderte Empfehlungen zum vierten Stich näher. Die neuen Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG) liegen derzeit zur Begutachtung im Gesundheitsministerium. Darin wird die vierte CoV-Schutzimpfung – wie kolportiert – für alle über 65-Jährigen empfohlen, bestätigte NIG-Mitglied Herwig Kollaritsch gegenüber Ö1. Bisher lag das Alterslimit bei 80 Jahren – mehr dazu in science.ORF.at.

Eine Empfehlung für alle Altersgruppen gibt es weiterhin nicht. Infektiologe Kollaritsch betonte allerdings, dass sich jede und jeder, der sich den vierten Stich holen will, diesen auch bekommen kann. Altersunabhängig empfohlen vom NIG ist die vierte Dosis für vulnerable Personen. Die Auffrischung sollte vier bis sechs Monate nach dem dritten Stich oder nach einer durchgemachten Infektion erfolgen, so Kollaritsch. Asymptomatische Infektionen könne man ignorieren, weil dabei immunologisch wenig passiere.

Wien hat indes den Zugang zur vierten Coronavirus-Schutzimpfung vereinfacht. Ab sofort können sich alle Wienerinnen und Wiener ab zwölf Jahren, deren Drittimpfung bereits vier bis sechs Monate zurückliegt, die Auffrischungsimpfung holen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Experten zur CoV-Sommerwelle

Die Vorsitzende des nationalen Impfkomitees, Ursula Wiedermann-Schmidt, und der Leiter der Covid-Station im KH Favoriten, Primarius Christoph Wenisch sprechen über die aktuelle CoV-Situation im Land.

Zahl der Neuinfektionen steigt

Die Zahl der Neuinfektionen steigt weiter. Innen- und Gesundheitsministerium meldeten am Dienstag 10.189 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Insgesamt gibt es österreichweit aktuell 91.561 aktive Fälle. Auch in den Spitälern nimmt die Zahl der Patientinnen und Patienten weiter zu, 65 weitere Infizierte mussten seit Montag aufgenommen werden. Außerdem wurden vier weitere Todesfälle gemeldet.

Trotz der sich aufbauenden Sommerwelle sind laut Gesundheitsminister Rauch aktuell keine zusätzlichen Schritte geplant. „Bei Bedarf werden wir rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, die eine Überlastung der Spitäler und des Gesundheitspersonals ausschließen. Derzeit ist keine Änderung der Corona-Schutzmaßnahmen geplant“, hieß es in einem Statement. Die Entwicklung werde laufend geprüft, besonders auch die Zahl der Patientinnen und Patienten und die Personalsituation in den Spitälern. Die prognostizierte Sommerwelle komme nun etwas früher als erwartet. „Vermutlich haben hier auch Großveranstaltungen und Feste einen Einfluss gehabt“, hieß es.

Impfstoffentwicklung: Wettlauf mit Virusvarianten

Wie rasch ein Impfstoff auf den Markt kommen wird, der speziell gegen Omikron-Varianten bzw. der mehrere SARS-CoV-2-Mutanten spezifisch abdeckt, ist noch nicht abzusehen. Biontech und Pfizer veröffentlichten am Wochenende Ergebnisse, wonach der angepasste Booster auch eine effiziente Immunantwort gegen die Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 hervorruft. Auch der US-Konzern Moderna meldete eine deutlich höhere Antikörperantwort seines angepassten Impfstoffs.

Moderna und Biontech/Pfizer stellten ihre neuen Daten der EU-Arzneimittelbehörde (EMA) zur Verfügung, bei der bereits Prüfverfahren dazu laufen. Bisher ist noch kein auf Varianten angepasster Impfstoff in der EU zugelassen. Die Zulassung eines solchen Mittels wird frühestens im September erwartet, auch weil die Hersteller in Studien an Menschen nachweisen müssen, dass das maßgeschneiderte Vakzin einen echten Vorteil bringt.

Das Austria Center Vienna
APA/Helmut Fohringer
Wien hat die vierte Impfung für alle über Zwölfjährigen freigegeben

Biontech-Chef Ugur Sahin sprach sich kürzlich für ein wesentlich schnelleres Verfahren aus, das keine zusätzlichen klinischen Studien erfordert – ähnlich wie beim jährlich angepassten Grippeimpfstoff. Das könne bis zu vier Monate Zeit sparen.

Ein Grund dafür wäre die rasche Entwicklung des Virus: Biontech hat seinen Booster auf Basis von Omikron BA.1 entwickelt. In Österreich wurde diese Variante zunächst von BA.2 verdrängt, nun übernehmen BA.5 und BA.4 das Kommando. Es gibt Hinweise, dass eine Infektion mit BA.1 nicht besonders gut vor einer weiteren Infektion mit BA.4 oder BA.5 schützt. Daraus könnte man schließen, dass die neueren Sublinien auch einem auf BA.1 angepassten Impfstoff eher durchs Netz gehen.

Geimpfte Personen: Ministerium stellt Berechnung um

Das Gesundheitsministerium stellt indes die Berechnung der ausreichend geimpften Personen um: Statt der „aktiven Impfzertifikate“ im E-Impfpass wird nun gezählt, wie viele Menschen gemäß der jeweils aktuellen Anwendungsempfehlung des NIG als vollständig geimpft gelten. Die Vollständigkeit der Impfsequenz wird nach Impfdatum im E-Impfpass festgestellt. Auch Menschen, deren dritter Stich schon mehr als 365 Tage zurückliegt und die deshalb nicht mehr in den „aktiven Impfzertifikaten“ registriert worden wären, werden nach der neuen Zählweise als vollständig geimpft angezeigt.

Personen, die sich über die Empfehlung des NIG hinaus „Off Label“ eine vierte Impfung zur Auffrischung haben geben lassen, finden auch in diese Statistik Eingang. In den bisherigen Daten wurden außerdem Impfungen mit Impfstoffen berücksichtigt, die nicht in der EU zugelassen sind, aber in den E-Impfpass eingetragen wurden. Diese Impfungen werden nun nicht mehr in den veröffentlichten Dateien vermerkt. Stand Sonntag waren insgesamt 6.546 Impfungen (erster, zweiter und dritter Stich) mit nicht registrierten Impfstoffen vermerkt.