Ex-US-Präsident Donald Trump in der Präsidenten-Limousine am 31. Oktober 2020
Reuters/Tom Brenner
„Bin der verdammte Präsident“

Trump griff Chauffeur ins Lenkrad

Es sind die wohl schwerwiegendsten Vorwürfe gegen Ex-US-Präsident Donald Trump, die nun bei einer öffentlichen Anhörung zum Sturm auf den US-Kongress bekanntgeworden sind. Und sie zeigen wie kaum etwas zuvor, dass Trump praktisch zu allem bereit war, um im Weißen Haus bleiben zu können. Laut einer Ex-Mitarbeiterin wollte Trump zum Kapitol zu seinen dortigen Anhängern fahren und griff seinem Chauffeur ins Lenkrad, als sich dieser weigerte.

Trotz erheblicher Sicherheitsbedenken habe Trump zum Kapitol fahren wollen, wo der Kongress die Wahl seines Nachfolgers Joe Biden beglaubigen sollte, schilderte Cassidy Hutchinson, die damalige Assistentin von Trumps Stabschef Mark Meadows, am Dienstag. Hutchinson sagte in einer einen Tag zuvor überraschend angesetzten öffentlichen Anhörung des Untersuchungsausschusses zur Kapitol-Attacke aus.

Als dem Präsidenten bei der Abfahrt von der Kundgebung vor dem Weißen Haus von seinem obersten Personenschützer des Secret Service gesagt worden sei, dass er aus Sicherheitsgründen nicht zum Kongress fahren könne, sei er sehr „wütend“ gewesen.

„Ich bin der verdammte Präsident“

Unter Berufung auf ein Gespräch mit einem Kollegen und dem zuständigen Secret-Service-Beamten unmittelbar nach dem Vorfall schilderte Hutchinson, dass Trump in dem gepanzerten Geländewagen sogar versucht habe, dem Fahrer ins Lenkrad zu greifen. Er soll demnach gesagt haben: „Ich bin der verdammte Präsident, bringt mich zum Kapitol.“

Der Personenschützer habe ihn am Arm gepackt, um ihn vom Lenkrad fernzuhalten, schilderte sie weiter. Trump habe seinen freien Arm genutzt, um ihn anzugreifen. Hutchinson erklärte, Stabschef Meadows – der den Plan gutzuheißen schien – habe Trump nicht informiert, dass eine Fahrt zum Kapitol nicht möglich sein würde. Es habe zuvor Überlegungen gegeben, wonach Trump womöglich eine weitere Rede vor dem Kapitol halten könnte, sagte Hutchinson.

Zeugin: Trump wollte zum Kapitol kommen

Der damalige US-Präsident Donald Trump wollte am 6. Jänner vergangenen Jahres einer Ex-Mitarbeiterin zufolge trotz großer Sicherheitsbedenken selbst zum Kapitol fahren, wo der Kongress die Wahl seines Nachfolgers Joe Biden beglaubigen sollte. Auch die Sorge vor möglichen rechtlichen Konsequenzen habe Trump nicht davon abbringen lassen, schilderte Cassidy Hutchinson, die damalige Assistentin von Trumps Stabschef Mark Meadows, bei einer öffentlichen Anhörung des Untersuchungsausschusses zur Kapitol-Attacke.

Zeugin: Trump wusste, dass Anhänger bewaffnet waren

Trump soll laut Hutchinson mögliche Gewaltanwendung bewusst gewesen sein. Die Mittzwanzigerin Hutchinson schilderte, dass Trump vor seiner Rede an seine Anhänger am 6. Jänner 2021 von Waffen im Publikum gewusst habe. „Nehmt diese verdammten Metalldetektoren weg. Sie sind nicht hier, um mich zu verletzen. Lasst sie rein. Lasst meine Leute rein, sie können nach der Kundgebung zum Kapitol marschieren“, zitierte Hutchinson Trump.

Sie gab an, diese Worte von ihm kurz vor seiner Rede gehört zu haben. Wenn ein Präsident eine Rede hält, verlangt der Personenschutz, dass die Anwesenden Metalldetektoren passieren. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar gewaltsam den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um Bidens Wahlsieg zu zertifizieren. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

Ex-US-Präsident Donald Trump während einer Ansprache am 6. Jänner 2021
APA/AFP/Brendan Smialowski
Trump wollte seinen Anhängern zum Kapitol folgen, aber die Security hinderte ihn letztlich daran

Von Trump aufgewiegelt

Der Angriff auf das Herz der US-Demokratie erschütterte das Land. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Er sagte damals auch öffentlich, dass auch er zum Kapitol kommen werde. In der Folge gab es mehrere Berichte, dass Trump tatsächlich dorthin kommen wollte – bisher aber keine Bestätigung aus Trumps damaligem Führungszirkel.

Der Untersuchungsausschuss habe aus Berichten der Strafverfolgungsbehörden erfahren, dass die Teilnehmer der Trump-Kundgebung Pfefferspray, Messer, Schlagringe, Taser und stumpfe Gegenstände bei sich gehabt hätten, sagte die stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Liz Cheney. Während der Kundgebung vor dem Weißen Haus am 6. Jänner – unmittelbar vor der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols durch seine Anhänger – sei Trump noch davon ausgegangen, dass er persönlich zum Kapitol fahren würde, erzählte Hutchinson weiter.

Trump fand, Pence habe Angriffe verdient

Hutchinson bezeichnete auch Trumps Angriffe gegen dessen ehemaligen Vize Mike Pence als „unpatriotisch“. Sie gab unter Berufung auf Meadows an, dass Trump der Ansicht gewesen sein soll, Pence habe die Attacken gegen ihn verdient. Cheney hatte sich bereits bei einer vorherigen Anhörung ähnlich geäußert.

Der Republikanerin zufolge soll sich Trump positiv über Bestrebungen geäußert haben, seinen Vizepräsidenten zu hängen. Hutchinson habe all das „angewidert“, sagte sie. „Es war unpatriotisch, es war unamerikanisch. Wir haben zugesehen, wie das Kapitol wegen einer Lüge verunstaltet wurde“, sagte sie über die Kapitol-Attacke.

Cassidy Hutchinson, damalige Assistentin von US-Präsident Trumps Stabschef Mark Meadows, vor dem U-Ausschuss
Reuters/Mandel Ngan
Hutchinson hat als einzige Ex-Mitarbeiterin bisher öffentlich ausgesagt

„Werden angeklagt werden“

Der Rechtsberater im Weißen Haus, Pat Cipollone, habe Stabschef Meadows während der Erstürmung des Kapitols durch den Mob gedrängt, mehr Druck auf Trump auszuüben, die Menge verlange, dass Pence gehängt werde. Meadows habe lediglich geantwortet: „Du hast ihn (Trump, Anm.) gehört. Er findet, Mike hat das verdient.“ Cipollone habe gesagt, Trumps Stab werde „wegen aller nur erdenklichen Verbrechen angeklagt werden“, wenn Trump zum Kapitol fahre.

Im weiteren Verlauf waren die Mitglieder von Trumps Regierung angesichts von dessen Weigerung, etwas gegen den Angriff zu unternehmen, so besorgt, dass sie laut Hutchinson sogar überlegt hätten, Trump unter Berufung auf den 25. Zusatzartikel zur US-Verfassung seines Amtes zu entheben. Die Aussicht, als erster US-Präsident in der Geschichte auf diese Weise aus dem Amt gejagt zu werden, sei einer der Gründe gewesen, dass sich Trump am 7. Jänner bereit erklärte, ein Videostatement aufzunehmen, in dem er sich zu einer friedlichen Machtübergabe verpflichtete, so Hutchinson.

Cheney lobt Hutchinson für Aussage

Hutchinson war als Überraschungszeugin geladen worden. Bei einer vorherigen Anhörung geriet sie bereits in den Fokus – damals wurden aber lediglich Videos ihrer Aussagen gezeigt. „Ich möchte, dass alle Amerikaner wissen, dass das, was Frau Hutchinson heute getan hat, nicht einfach ist“, betonte die Republikanerin Cheney – sie hatte die Befragung der Zeugin übernommen. „Der einfache Weg ist, sich vor dem Rampenlicht zu verstecken, sich zu weigern, vorzutreten und zu versuchen, das Geschehene herunterzuspielen oder zu leugnen.“

In den vergangenen Wochen hatten immer wieder ehemalige Mitarbeiter und Regierungsmitglieder ausgesagt und Trump schwer belastet – aber niemand von ihnen hatte es gewagt, persönlich vor dem Ausschuss auszusagen. Trump reagierte wütend auf Hutchinsons Zeugenaussage, beschimpfte sie und nannte sie „erbärmlich“ und eine „Lügnerin“.