Leiter des Umfrageinstituts Demox Research beim ÖVP Untersuchungsausschuss
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ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Schlaglicht auf türkise Umfragen

Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf Studien, Umfragen und Inserate, die von türkisen Ministerien beauftragt wurden. Dazu befragt wurde am Donnerstag der Leiter des Umfrageinstituts Demox, der die Studien verteidigte. Opposition und die Grünen sehen Indizien dafür, dass ÖVP-geführte Ministerien auch der Partei dienliche Umfragen in Auftrag gegeben haben.

Der Chef des Umfrageinstituts Demox, Paul U., ist Mitglied der ÖVP bzw. war auch in einer Teilorganisation tätig. So war U. in der Wiener Bezirkspolitik engagiert, bis 2011 war er Funktionär des ÖVP-Bauernbunds. Seit 2018 ist U. Demox-Geschäftsführer. Zur Frage, wieso er gleich nach Demox-Start in diesem Jahr so viele Aufträge bekommen habe, sagte U., dass ihm hier seine Tätigkeit bei GfK (vor seinem Gang zu Demox) zugutegekommen sei.

Im Falle von Demox ortet die Opposition einen „klassischen Fall von Auftragsbefragungen“ für ÖVP-geführte Ministerien – unter Verwendung von Steuergeld. Die Umfragen würden Auffälligkeiten aufweisen, da teils wortgleiche Fragestellungen von unterschiedlichen Ressorts abgefragt worden seien – etwa vom Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium. U. sagte, er schließe „mit Vehemenz“ aus, dass die öffentliche Hand über sein Institut Studien für die ÖVP finanziert habe. „Verrechnungen von ÖVP-Umfragen an Ministerien hat es nicht gegeben“, so U.

„Blick auf das Gesamte“

Überhaupt sei keine Partei als Kundin ausgeschlossen, betonte der Demox-Chef. („Es ist mir völlig fremd, Kontakte nur in eine politische Richtung zu haben.“) Generell wolle er das Berufsbild der Demoskopie „wieder in das richtige Licht rücken“, sagte er eingangs. Bei der demoskopischen Forschung würden wissenschaftliche Grundlagen gelten. Einzelne Fragestellungen seien zuletzt im Zuge der Wiedergabe in den Medien aber aus dem Zusammenhang gerissen worden, es gelte aber der Blick auf das Gesamte.

Lokal 7 im ÖVP Untersuchungsausschuss
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Das Ausschusslokal durfte nur ohne Auskunftsperson fotografiert werden. Der Demox-Chef wollte seine Persönlichkeitsrechte geschützt sehen.

Von vier Ministerien beauftragt

Die Befragung verlief dann detailreich und mitunter aufgeheizt: Der Demox-Chef gab an, Aufträge von mehreren (in allen Fällen ÖVP-geführten) Ministerien bekommen zu haben – neben Landwirtschafts- und Wirtschaftsministerium auch von Außen- und Verteidigungsministerium. Im Jahr 2020 ließ etwa das Verteidigungsministerium eine Umfrage durchführen, bei der auch Fragen zur Beliebtheit des Kanzlers – damals Sebastian Kurz (ÖVP) – gestellt wurden.

Die Auffälligkeit, die die Opposition ortet, zeige sich an den Fragen, wie moniert wurde: In einer Demox-Umfrage für das Wirtschafts- und Verteidigungsministerium Mitte 2020 wurde etwa nach Gründen gefragt, warum man „keine gute Meinung von Sigrid Maurer“ habe. „Was stört Sie an Sigrid Maurer?“, hieß es da.

Idente Fragestellungen für ÖVP und Ministerien?

SPÖ-Mandatarin Julia Herr wollte wissen, wieso die ÖVP öffentlich (offenbar in einem Hintergrundgespräch, das dann von der APA ausgewertet wurde und folglich den Weg in die Öffentlichkeit fand) Fragestellungen präsentiert habe, die ident von ÖVP-geführten Ministerien gestellt wurden. Studienergebnisse, die für Ministerien durchgeführt wurden, seien nie an die ÖVP weitergeleitet worden, so der Demox-Chef sinngemäß.

„Die Umfragen wurden dem Ministerium geliefert und nicht der ÖVP“, so die Auskunftsperson. Es habe keine Lieferung an Dritte gegeben. Hintergrund der Erörterung war, dass etwa der von der ÖVP mit Regelmäßigkeit beauftragte Meinungsforscher Franz S. auch im Demox-Beirat saß. Die Auskunftsperson schloss aus, dass der Meinungsforscher Zugriff auf Umfrageergebnisse von Demox hatte.

Für wen werden welche Fragen gestellt?

Wieso die Fragen für Wirtschaftsministerium und Landwirtschaftsministerium ident gewesen seien? Die Erklärung des Demox-Chefs: „Es ist dieselbe Frage gewesen, weil die Frage für beide Ministerien relevant ist.“ Und es könne sein, dass man für die ÖVP und für das Landwirtschaftsministerium dieselbe Frage abgefragt habe, so U. „Einzelne Fragen haben aber auf die gesamte Studienkonzeption keine Auswirkungen“, verteidigte der Demox-Chef den Vorgang.

Julia Herr (SPÖ)
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SPÖ-Mandatarin Herr konfrontierte den Demox-Chef durchaus pointiert mit dessen Studien

Die SPÖ brachte ihre Vermutung zu Ausdruck, dass Studien mit Steuergeld bezahlt wurden, dann aber eine politische Partei damit parteipolitisch gearbeitet hat – und fragte zu einer aus ihrer Sicht weiteren Auffälligkeit: wieso etwa das Verteidigungsministerium im Zuge einer Umfrage auch die Sonntagsfrage habe abfragen lassen. Es habe sich um eine „Omnibus-Umfrage“ gehandelt, so der Demox-Chef – dabei werde die Bevölkerung gleich für mehrere Kunden gesammelt befragt.

Viele Fragen zu „Omnibus-Umfragen“

In einer „Omnibus-Umfrage“ würden „mehrere Frageteile kombiniert“, das bringe allen etwas – „auch der öffentlichen Hand“, so der Demox-Chef. Ob das Verteidigungsministerium Bescheid wusste, dass Fragen angehängt worden seien, konnte der Demox-Chef nicht sagen. Auch musste er nach langem Hin und Her die zwei beteiligten Forschungsinstitute nennen. Es handelt sich um einen Meinungsforscher, der oft von der ÖVP herangezogen wird, sowie ein im Gesundheitsbereich tätiges Forschungsinstitut.

Die SPÖ legte im Laufe der Befragung ein „Konvolut“ der Umfragen für das Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium vor, in dem besagte idente Fragestellungen vorkommen. Etwa die Frage: „(…) Wenn bei der nächsten Nationalratswahl für die SPÖ nicht mehr Pamela Rendi-Wagner, sondern Hans-Peter Doskozil als Spitzenkandidat antreten würde. Welcher Partei würden Sie da ihre Stimme geben?“

Wolfgang Zanger (FPÖ)
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FPÖ-Mandatar Zanger: Weitergabe von Ergebnissen an Fleischmann?

Ob die verschiedenen Auftraggeber Bescheid wussten, dass ihre Inhalte im Zuge einer „Omnibus-Umfrage“ abgefragt wurden, konnte der Meinungsforscher auf Fragen von FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger nicht generell beurteilen, es soll jedenfalls aber im Angebot für die Umfrage gestanden sein. Zur Frage, ob er Ergebnisse an Kurz’ Ex-Medienbeauftragten Gerald Fleischmann weitergab? Die Ergebnisse seien stets nur dem Auftraggeber übermittelt worden, sagte die Auskunftsperson.

Aufträge kamen stets aus Kabinett

Auch kam über SPÖ, NEOS und später auch die Grünen die Frage auf, ob man für die Umfragen des Wirtschaftsministeriums an Ausschreibungen teilnehmen musste. „Wie die Verfahrensabläufe im Ministerium waren, kann ich nicht genau sagen.“ Von sieben Aufträgen für Studien habe es sich um sechs Direktvergaben gehandelt, so Fraktionsvorsitzende Nina Tomaselli.

Nina Tomaselli (Die Grünen)
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Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli

Tomaselli ortete eine Auffälligkeit, dass alle Umfragen vom Kabinett (des Wirtschaftsministeriums) beauftragt worden waren, und keine seitens der Fachabteilung. Die Auskunftsperson gab an, die internen vergaberechtlichen Vorgänge nicht zu kennen. Aber er gehe davon aus, dass seine zehnjährige Expertise eine Rolle gespielt haben könnte.

„Hatten Sie jemals mit der Fachabteilung zu tun?“

NEOS interessierte sich bei den Studien für das Wirtschaftsministerium für die Angebotslegung und Fragenerstellung: „Hatten Sie jemals mit der Fachabteilung zu tun?“, fragte Fraktionschefin Stephanie Krisper. Dessen konnte sich der Demoskop nicht mehr entsinnen. „Für mich ist klar, der Adressat ist das Ministerium. Ich sehe es als großes Ganzes, als Gesamtheit. Ich kann nicht sehen, wer sich im Hintergrund auch etwa zu Fragen abstimmt.“

Stephanie Krisper (NEOS)
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NEOS-Abgeordnete Krisper fragte zur Anbahnung von Umfragen

Auch im Falle des Tourismusministeriums und des Außenministeriums konnte die Auskunftsperson auf Nachfragen von Krisper keine Angaben machen. Zudem interessierte sich die NEOS-Politikerin für den Umstand, wonach im Zuge seiner Tätigkeit 2015 (noch bei GfK) eine Rechnung zu einer Studie zum Westbalkan direkt an Fleischmann gegangen sei. Die Rechnungslegung sei dort bei einer eigenen Abteilung gelegen, so die Auskunftsperson – damit habe er aber nichts zu tun gehabt. Später brachte die SPÖ auf, dass eine E-Mail Fleischmanns auch an ihn gegangen sei – die Auskunftsperson konnte sich „leider“ nicht mehr an Studie und Korrespondenz erinnern.

Verwirrung um das Kürzel „BEV“

Krisper wollte zudem wissen, wer im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) der Ansprechpartner für die Auskunftsperson war. Der Demox-Geschäftsführer hinterfragte, wie die NEOS-Politikerin darauf komme, dass das Amt sein Kunde sei. Krisper verwies auf das Kürzel „BEV“ auf einer Vorlage bei einer Umfrage, die Auskunftsperson erklärte, „BEV“ stehe für „Bevölkerung“.

Gegenüber dem „Standard“ erklärte die ÖVP allerdings in einem Statement, dass Demox im Rahmen einer „Omnibus-Umfrage“ auch Themen für das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen abgefragt habe. Laut ÖVP bezahlte der Parlamentsklub die Umfrage mit der Frage zu Maurer – dabei seien alle Klubobleute abgefragt worden.

„Inputs kamen aus unterschiedlichen Bereichen“

Die ÖVP ging die Befragung freilich anders an und versuchte, mit dem Demox-Chef das Zustandekommen von einzelnen Fragestellungen in Umfragen zu erörtern. Mandatarin Corinna Scharzenberger fragte etwa, wieso in einer Umfrage zur Zufriedenheit mit der Regierung im Umgang mit der Pandemie auch die Meinung zur Opposition abgefragt wurde. Laut U. sind Studien aber umfassend zu betrachten. „Um ein Stimmungsbild zu bekommen, braucht es mehr als einzelne Fragen, es ist immer eine Summe.“

Corinna Scharzenberger (ÖVP)
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ÖVP-Mandatarin Scharzenberger im U-Ausschuss

Die Gesamtheit der Fragen werde dem Auftraggeber vorgelegt, der gebe dann sein Okay. Ob es Fragenvorschläge von Ministerien gab? „Inputs kamen aus unterschiedlichen Bereichen, von unterschiedlichen Personen, Mitarbeitern von unterschiedlichen Ressorts“, so U. Es sei üblich, dass man solche Vorschläge bekomme. Ob es inhaltliche Vorgaben gegeben habe? Es sei „immer wesentlich, ob eine Fragestellung zum Konzept und Angebot passt“. Eine „Frisierung“ von Umfragen habe es nicht gegeben.