Magazine mit Prinzessin Diana am Cover
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„The Princess“

Diana-Doku der besonderen Art

Auch ein Vierteljahrhundert nach ihrem Tod ist Diana, Princess of Wales, mitsamt ihrer royalen Schwiegerfamilie noch Dauergast in den Medien. Die erste Kinodoku über Diana Spencer zeichnet das Bild nach, das die Öffentlichkeit sich damals machte. Regisseur Ed Perkins setzt dabei ausschließlich auf Nachrichtenbilder und Archivaufnahmen und verzichtet auf Einordnungen jenseits dieses Materials.

Es ist eines jener seltenen Ereignisse, bei denen fast jeder Mensch, der damals alt genug für Medienkonsum war, noch weiß, wo er oder sie sich befunden hat, als die Nachricht kam. Es war der 31. August 1997, und für viele war es mitten in den Sommerferien, als sie vom Unfalltod von Princess Diana erfuhren, jener Märchenprinzessin, deren Privatleben sich seit ihrem 18. Lebensjahr zu großen Teilen in der Öffentlichkeit abgespielt hatte.

Der Crash in dem berüchtigten Pariser Straßentunnel war nicht nur der Tod einer Frau mit bewegtem, sehr öffentlichem Privatleben, sondern auch das Ende einer medialen Figur, die sich in fast 17 Jahren im Scheinwerferlicht zur Projektionsfläche für Träume, Fantasien, Frauenhass und Gerüchte entwickelt hatte. „Ich war erst elf, als sie starb“, so der britische Dokumentarfilmregisseur Perkins gegenüber ORF.at, „aber sogar ich kann mich erinnern an die grausigen Gerüchte und Beschimpfungen, die in dem Sommer vor ihrem Tod durch die Presse gingen.“

Dauerbrenner Diana

„Kaum war sie gestorben, war das alles vergessen, und sie wurde zur Heiligen“, so Perkins, der mit „The Princess“ fast 25 Jahre nach Dianas Tod den ersten Kinodokumentarfilm über sie vorlegt. „Als ich rückblickend durch das Archivmaterial ging, wurde mir klar: Ab dem Zeitpunkt ihres ersten öffentlichen Auftritts redeten fast alle in Großbritannien praktisch ununterbrochen über sie, an Küchentischen, in Pubs, auf der Straße.“

Perkins’ Film beginnt mit den privaten Camcorder-Aufnahmen einer Gruppe australischer Touristen, die am Abend des 30. Augusts 1997 durch Paris kurven, am Hotel Ritz vorbeifahren, sich wundern, was dort los ist – „da muss jemand wichtiger da sein!“, nachfragen, wer die Person denn ist. Es sind übermütige Momente, die beklemmend werden durch das Wissen, was unmittelbar danach erst passieren wird, die wilde Paparazzi-Jagd durch die Stadt, mit einem Chauffeur am Steuer, der nicht ganz nüchtern ist. Und dann war der Crash.

Fast alle anderen Bilder in der Doku sind Nachrichtenarchivmaterial, das Perkins zu einer weitgehend chronologischen Nacherzählung von Diana Spencers Jahren in der Öffentlichkeit montiert. Der Film verzichtet auf jedes einordnende Interview, vermeidet jede Spekulation und bleibt immer bei den Bildern, die öffentlich zugänglich waren. „Ich wollte den Blick der Kamera zurück auf das Publikum lenken, auf unsere Beziehung zur Monarchie, zu Berühmtheit, und die Frage stellen, was eigentlich unsere Rolle bei alldem war“, so Perkins.

Expertinnen im Publikum

„Diese Geschichte wurde so oft erzählt, von Filmschaffenden und Dokumentaristen, aber die meisten suchen eine Innenperspektive, um sie als Person zu verstehen: Was in ihrer Kindheit passiert ist, in ihrer Ehe und so weiter.“ Im Gegensatz dazu wirkt Perkins’ Zugang fast anachronistisch, zu einem Zeitpunkt, an dem die britischen Royals dauerpräsent sind, durch Prince Harrys als Medienevent inszeniertes Oprah-Winfrey-Interview, durch den Tod von Prince Philipp, durch das Platinjubiläum der Queen und auch durch Pablo Larrains Diana-Porträt „Spencer“ und die ewige Netflix-Serie „The Crown“.

Prinzessin Diana hält eine Landmine bei ihrem Besuch in den Minenfeldern in Haumbo, Angola.
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Strahlende Diana bei einem Termin des Roten Kreuzes gegen Landminen in Angola

Durch all diese Serien, Berichte und Filme sind auch jene, die Diana zu Lebzeiten kaum mitbekommen haben, zu Diana-Expertinnen und -Experten geworden, mit viel Meinung zu den Schuldigen dieses offenbar unglücklichen Lebens, den Zwängen von Öffentlichkeit und Hofzeremoniell. Dem setzt „The Princess“ ein radikal distanziertes Bild entgegen, obwohl sich auch durch die teils rauen Nachrichtenaufnahmen die Anziehungskraft und die Empathie übertragen, die Diana tatsächlich zu einer speziellen Medienpersönlichkeit machten.

Jenen, die sich etwa im Fahrwasser von „The Crown“ schon gelegentlich mit der realen Diana und ihrer öffentlichen Rolle befasst haben, werden die meisten Bilder im Film vertraut sein. Es sind aber nicht nur Aufnahmen, die bei öffentlichen Auftritten entstanden sind, Perkins verwendet jede Art von Material, die damals verfügbar war, ohne zu werten, und nutzt auch jene beklemmenden Fotos, Tonaufnahmen und Interviews, die aus eindeutig übergriffigen Situationen entstanden sind, aus illegal abgehörten Telefonaten, bei drastischen Eingriffen in die Privatsphäre.

Kritik oder Spekulation?

Wer will, hört hier jene vielzitierten Intimitäten, die Prince Charles Camilla zuraunte, sieht Paparazzi-Aufnahmen, deren Gewalttätigkeit Übelkeit erregen, sieht auch Ausschnitte aus jenem bekannten BBC-Interview mit Diana, aus dem der berühmte Satz „Wir waren zu dritt in dieser Ehe“ stammt. Dass Reporter Martin Bashir sich das Gespräch unter falschen Angaben erschlichen hatte, wie er erst 2021 einräumte, bleibt ausgespart. In „The Princess“ wirkt es noch wie der Versuch, die Deutungshoheit über die eigene Person wiederzuerlangen.

Blumen vor dem Kensington Palast kurz nach der beerdigung von Prinzessin Diana
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Nach ihrem Tod war die Trauer grenzenlos

Perkins sagt, sein Film wolle eine Kritik daran sein, wie Details aus Dianas Leben für weite Teile der Öffentlichkeit zur seifenopernhaften Unterhaltung dienten. Danach gefragt, ob er Skrupel hatte, selbst genau diese Aufnahmen zu verwenden, sagt er: „Ich hoffe, dass es uns gelingt, auch indem wir diese Bilder verwenden, ein größeres Argument zu formulieren. Auch wenn der Film in manchen Momenten diese Form der Spekulation abbilden muss, ist er doch eine Kritik dessen. Ich wüsste nicht, wie ich das tun kann, ohne diese Bilder zu nutzen.“

So ganz gelingt das wohl nur für jene, denen die medienethischen Diskussionen um den Umgang von Presse und Öffentlichkeit mit der Privatsphäre von Diana und der Mitverantwortung an ihrem Tod geläufig sind. Für alle anderen ist „The Princess“ ein eher oberflächlicher Film, der rekonstruiert, wie sich das Bild einer öffentlichen Person entwickelt hat, sich zugleich für ihre Schönheit begeistert, aber ihrer Bedeutung als Identifikationsfigur nur unzureichend gerecht wird.