Zebras vor der Skyline in Nairobi
Reuters/Amir Cohen
Kenia

Nächste Schritte im „Silicon Savannah“

„Silicon Savannah“ – so wird die florierende Start-up-Szene Kenias in Anlehnung an das Silicon Valley oft genannt. Das um die Hauptstadt Nairobi angesiedelte Techhub sorgt seit geraumer Zeit für reges Interesse in der Branche. Auch Technologieriesen zieht es zunehmend in die Region. Mit neuen Anreizen will Kenia sein Profil im Ausland nun schärfen und den Weg zum afrikanischen Technologie- und Finanzzentrum ebnen.

„Nairobis ‚Silicon Savannah‘ ist gerade noch attraktiver für Investoren und Start-ups geworden“, titelte das Onlinemagazin Quartz zuletzt. Der Grund? Mit der Eröffnung des Internationalen Finanzzentrums in Nairobi sollen weitere ausländische Investoren an Land gezogen werden. Gelockt wird demnach – abgesehen von Büroräumlichkeiten – mit Anreizen wie Steuerzuckerl und Immigrationserleichterungen.

Will ein Unternehmen Teil des neuen Zentrums werden, so ist gemäß Vorschriften der kenianischen Staatskasse eine Zertifizierungsgebühr von einer Million Kenia-Schilling (rund 8.126 Euro) sowie eine jährliche Gebühr von 500.000 Kenia-Schilling (rund 4.073 Euro) zu zahlen. Mit der britischen Versicherungsfirma Prudential Plc und der einflussreichen Lobbygruppe TheCityUk sind laut Quartz bereits zwei große Unternehmen aus dem Ausland an Bord.

Anreize für Investoren und Start-ups vorgesehen

Prudential Plc plane, sein afrikanisches Hauptquartier in Kenia anzusiedeln. TheCityUK, das die Interessen von Finanzunternehmen vertritt, unterzeichnete vorerst eine Absichtserklärung. Darin sicherte die Lobbygruppe zu, sich nach Investorengelder für kenianische Fintechs umzusehen. „Kenia hat die Möglichkeit, ein kontinentaler Marktführer im Fintech-Bereich zu werden“, meinte die Lobbygruppe im März.

Start-ups, die sich noch in der ersten Finanzierungsrunde befinden, profitieren überdies von niedrigeren Teilnahmegebühren in der Höhe von 100.000 Kenia-Schilling (rund 816 Euro) und einer jährlichen Gebühr, die über drei Jahre lang ähnlich hoch sein soll. Damit soll Auslandsinvestoren etwa die Anschubfinanzierung neuer Fintechs erleichtert werden.

Technologieriesen entdecken Nairobi

Auch für Technologieriesen wie Microsoft, Google und Visa scheint die ostafrikanische Metropole interessanter zu werden. Microsoft eröffnete jüngst eines von zwei afrikanischen Entwicklungszentren in Kenia und will dort etwa 450 Vollzeitstellen schaffen. Google kündigte an, mehr als 100 Mitarbeiter für sein künftiges kenianisches Produktentwicklungszentrum einzustellen – laut Quartz ist es das erste des Unternehmens am afrikanischen Kontinent.

Der US-Kreditkartenanbieter Visa siedelte überdies eines seiner sechs weltweiten Innovationszentren in Nairobi an. Und Amazon erwägt, eigene Rechenzentren an Ort und Stelle zu schaffen, um die Region mit ihren Cloud-Diensten zu versorgen.

Kenias Vision für 2030

Kenia arbeitet schon seit einigen Jahren an seinem Image als Technologie- und Finanzzentrum. Die Idee für das Riesenprojekt Konza Technology City – oft „Silicon Savannah“ genannt – entstand 2009 im Rahmen der Initiative Vision 2030 der Regierung, die das Ziel hatte, die Infrastruktur des Landes in den kommenden Jahren deutlich zu verbessern.

Das „Silicon Savannah“ sollte eine Art „Technopolis“ werden – neben Wohnungen für Hunderttausende Menschen sollte auch der Grundstein für die nun florierende Techszene gelegt werden.

Geldtransfersystem M-Pesa in Nairobi
Reuters/Thomas Mukoya
Das kenianische Unternehmen M-Pesa gilt in der Szene als alter Hase

M-Pesa als kenianische Erfolgsgeschichte

Wie mächtig die Szene ist, zeigt sich an dem 2007 gegründeten und inzwischen „alteingesessenen“ M-Pesa, über dessen mobile Dienste ein großer Teil der Wirtschaftsleistung Kenias abgewickelt wird. Wer ein Mobiltelefon besitzt, bekommt dadurch Bankkonto, Kreditkarte und Sparbuch, was vielen Menschen erst die Teilhabe am Wirtschaftsleben ermögliche. In Afrika gab es diese Dienste schon lange vor Europa, M-Pesa ist in diesem Sektor Weltmarktführer.

Der Highway zum Techhub

Dass Kenia es mit seinen Ambitionen ernst meint, zeigte sich nicht zuletzt bei der Eröffnung der neuen 27 Kilometer langen Autobahn im Mai. Mit der neuen Autobahn wurde die Fahrt vom Flughafen Nairobi in das Stadtzentrums und Finanzviertel erleichtert. Eine Fahrzeit vom Flughafen zum begehrten Stadtviertel Westlands dauere statt zwei Stunden nur noch 15 bis 20 Minuten, schrieb die kenianische Zeitung „The Star“. Die Erwartungen von Transportminister James Macharia sind hoch – die Autobahn solle dabei helfen, Kenia zu einem begehrten Investmentziel zu machen.

Laut einer Analyse des Datenbankprojekts „Africa: The Big Deal“ befinde sich Kenia jedenfalls auf einem guten Weg dahin – seit November 2021 breche das Land Investmentrekorde. „Im April 2022 haben kenianische Start-ups 83-mal so viele Gelder eingetrieben als im April 2021“, heißt es da.

Neue Autobahn in Nairobi
Reuters/Monicah Mwangi
Eine 27 Kilometer lange Autobahn soll Nairobi für Investoren interessanter machen

Weiße Gründer mit Vorschusslorbeeren?

Einen Schönheitsfehler gibt es: So berichtete der „Spiegel“ im Vorjahr, dass es in der Szene brodle. Die Kritik lautete, dass es vor allem weißen Gründern aus dem Ausland leicht falle, Investorengelder zu lukrieren. „Viele kenianische Gründer wenden deshalb eine erprobte Taktik an, offen darüber reden will jedoch kaum jemand: Um an Geld von Investoren zu kommen, suchen sie ‚weiße Gesichter‘, die auf der Firmenwebsite und bei Pitches präsentiert werden.“

Das ist nicht unbegründet: Der Beratungsfirma Viktoria Ventures zufolge stammten 2019 gerade einmal sechs Prozent der Gründer, die mehr als eine Million US-Dollar für ihre Start-ups eintreiben konnten, aus Kenia.

Nairobi hinter Casablanca, Cape Town und Co.

Als führender Finanzstandort Afrikas gilt Nairobi und damit Kenia jedenfalls – noch – nicht: Im Finanzstandort-Ranking Global Financial Centers Indexes (GFCI), das zweimal jährlich vom Beratungshaus Z/Yen Group erstellt wird, kletterte die kenianische Hauptstadt im Herbst 2021 weltweit auf den 98. Platz und damit in die Top 100. Im aktuellsten Ranking von 2022 rutschte die Stadt leicht auf die Position 101 ab. In Afrika liegt Nairobi damit unter anderem hinter Casablanca, Cape Town und Johannesburg an sechster Stelle.