Gerald Fleischmann
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ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Katz-und-Maus-Spiel bei Fleischmann-Befragung

Die Befragung des engen Kurz-Vertrauten Gerald Fleischmann im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss geriet über weite Strecken zum Katz-und-Maus-Spiel um Antworten. Fleischmann wollte sich aufgrund von Ermittlungen „umfassend“ entschlagen, die Abgeordneten hielten – mithilfe von Verfahrensrichterin und auch Vorsitz – dagegen. Das Ergebnis war mager, Fleischmann entschuldigte sich mehrfach, die Anwesenden nicht „glücklich“ machen zu können.

Gegen ihn werde bezüglich des Beinschab-Österreichs-Tool von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt, so Fleischmann vor der Befragung. Grundlage seien „einige wenige“ Chats aus dem Jahr 2017, die sich auf den Inhalt einzelner Umfragen beziehen würden, aber nicht zu Abrechnungen zu ihm vorgeworfenen Hintergrundvereinbarungen. Er habe sich grundsätzlich auf seine Arbeit als Pressesprecher konzentriert, etwa mit Hintergrundgesprächen, die in der Medienbranche „nicht mehr wegzudenken“ seien, skizzierte er.

Er werde, nach Rücksprache mit seinem Anwalt, als Beschuldigter „kategorisch und umfangreich“ von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch machen, so Fleischmann weiter. Die „offensichtlichen“ Probleme und Kritik an der Arbeit der WKStA könne er nicht beurteilen, das Verfahren sei für ihn als Laie auch nicht zu beurteilen. Er gehe aber davon aus, dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt werde. Die Kronzeugin Sabine Beinschab und andere Zeugen oder Zeuginnen hätten ihn bisher nicht belastet.

Gerald Fleischmann
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Fleischmann wollte de facto keine Antworten liefern

Fragen als permanente Herausforderung

Die Befragung wurde in weiterer Folge für alle Beteiligten zur Herausforderung. Verfahrensrichterin Christa Edwards wollte in ihrer Erstbefragung wissen, was der Unterschied zwischen seiner Position als Pressesprecher und der als Leiter der Stabstelle Medien und Kommunikation, die Fleischmann ab Anfang 2018 innehatte, gewesen sei. „Es gibt Überschneidungen, jo“, so Fleischmann, wollte diese mit Hinweis auf die Ermittlungen aber nicht weiter ausführen. Er sei von der WKStA noch nicht einvernommen worden und wisse daher auch nicht, was ihm genau alles vorgeworfen werde, argumentierte er.

Fleischmann musste sich in der Inseratenaffäre wie auch Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ebenfalls von vorderster Front zurückziehen. Er war davor Leiter der Stabstelle Medien im Bundeskanzleramt. Er kann auf eine lange Karriere als Pressesprecher in der Volkspartei zurückblicken. Derzeit wirkt er als Referent im ÖVP-Parlamentsklub, soll aber im Hintergrund immer noch die Fäden in der Medienarbeit der Volkspartei ziehen.

Schlagabtausch mit SPÖ

Die erste Frage durch SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer führte dann zum harten Ringen um Antworten. Krainer wollte wissen, ob Fleischmann im ÖVP-Parlamentsklub Einsicht in Akten des U-Ausschusses hat. Fleischmann argumentierte, dass die Frage keinen Bezug zum U-Ausschuss habe. Edwards hielt dagegen, Fleischmann verlangte eine Präzisierung der Frage.

Kai Jan Krainer (SPÖ)
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Krainer lieferte sich den ersten Schlagabtausch mit Fleischmann

„Haben Sie zu Akten des U-Ausschusses Zugang“, fragte Krainer dann, Fleischmann wollte sich mit Verweis auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entschlagen. Das wiederum wollte Edwards nicht gelten lassen, und meinte, die Frage sei zulässig, „ohne dass die konkrete potenzielle Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung“ drohe. FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker sekundierte ihr.

„Nicht wissen ist erlaubt“

Krainer präzisierte auf „Akten der Geheimhaltungsstufe null oder eins“ – Fleischmann erklärte, er wisse gar nicht, was diese Stufen genau bedeuten würden. Fleischmann fragte dann in weiterer Folge, was „Zugang“ bedeute. Krainer präzisierte „lesen oder am Bildschirm aufrufen“. Er sei der Typ, der Leute gerne glücklich mache, so Fleischmann, aber er könne das hier einfach nicht machen, „weil es bei mir einfach um was geht“.

Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) ließ die Frage zu. Fleischmann erklärte, dass er seines Wissens keinen Zugang zu einer Suchmaske habe, er wisse nicht einmal, ob es das gibt in der ÖVP. Ob er grundsätzlich Zugang habe, könne er nicht sagen, weil er es „einfach“ nicht wisse – und wollte sich entschlagen. Nicht wissen sei kein Entschlagungsrecht, so Krainer, „nicht wissen ist erlaubt“.

Wolfgang Sobotka (ÖVP)
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Vorsitzender Wolfgang Sobotka wirkte zwischenzeitlich deutlich entnervt

„Ich kann sie nicht glücklich machen“

Es folgte die erste Besprechung der Fraktionen abseits der Mikros (Stehung), zur Frage, ob Fleischmann abseits von Medienberichten Infos über den U-Ausschuss von Sobotka bekomme. ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger erklärte die Frage als zulässig, Fleischmann zitierte ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach er nicht antworten könne. Edwards erklärte spürbar emotional, sie brauche einen konkreten Hinweis auf eine mögliche strafrechtliche Verfolgung.

„Der wird Ihnen doch irgendeinen Paragraphen des Strafgesetzbuches genannt haben, auf den Sie sich berufen können“, so Edwards mit Verweis auf Anwalt Klaus Ainedter, Fleischmanns Vertrauensperson. Fleischmann entgegnete, er sei informiert, dass diese Frage nicht vom Untersuchungsgegenstand gedeckt sei, er könne nicht Rücksicht auf Usus oder Gepflogenheiten im Ausschuss nehmen, „bei allem Verständnis, ich weiß, dass das mühsam ist“. Er könne Edwards nicht glücklich machen.

In der Tonart ging die Befragung weiter, wobei Fleischmann mehrfach erklärte zu bedauern, dass er die Menschen nicht glücklich machen könne, er sei grundsätzlich auch gerne gesellig. Er entschlug sich etwa bei der Frage zu einem Chat aus Juli 2017 zwischen ihm, ÖVP-Berater Stefan Steiner und dem damaligen Finanzministeriums-Generalsekretär Thomas Schmid über eine vermeintlich manipulierte Umfrage von Beinschab, die in der Zeitung „Österreich“ veröffentlicht werden sollte.

Sobotka wirkte deutlich verärgert

Die Frage nach einer „Montagsrunde“, einem Treffen der Pressesprecher der ÖVP-geführten Ministerien, musste Fleischmann beantworten, er habe daran „österreichisch regelmäßig unregelmäßig“ teilgenommen, ebenso „regelmäßig unregelmäßig“ den Vorsitz geführt. Nicht beantworten musste er, ob er dabei Order für Inseratenvergabe erteilte, oder ob er im ORF bei Personalentscheidungen interveniert oder sich für mehr Ressourcen bzw. Gehalt für einzelne Redakteure eingesetzt habe.

Bei der Frage nach Wahrnehmungen zu Aktenlieferungen an den „Ibiza“-U-Ausschuss wollte sich Fleischmann ebenfalls entschlagen. Er berief sich auf Artikel sechs der Europäischen Menschenrechtskonvention, das Recht auf Schweigen. Das gebe es nur in einem Strafverfahren als Angeklagter, nicht im Ausschuss, so Edwards, die Auskunftsperson müsse jede Entschlagung begründen. Daraufhin berief sich Fleischmann darauf, dass er nicht wisse, was ihm genau vorgeworfen werde. Zu diesem Zeitpunkt forderte sogar Sobotka ungewohnt schroff Antworten von der Auskunftsperson, abseits der Befragung präsentierte sich Sobotka deutlich verärgert.

Christian Hafenecker (FPÖ)
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Hafenecker (FPÖ) fragte Fleischmann zum „Ibiza-Video“

Drei Stunden für ersten Fragesteller

Nach fast drei Stunden war dann mit FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker die nächste Fraktion am Wort – Hafenecker forderte davor mehrfach ein schärferes Vorgehen bezüglich der ausweichenden Reaktionen Fleischmanns, etwa mit einer Beugestrafe, wie sie auch der ehemalige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) im Ausschuss erhalten hat. Die Frage, ob er Wahrnehmungen dazu habe, dass Sebastian Kurz die Kanzlerschaft geplant hatte (Stichwort „Projekt Ballhausplatz“) wollte die Auskunftsperson einmal mehr nicht beantworten.

Ob er bemerkt habe, dass es fünf Mio. Euro mehr für das Außenministerium unter Kurz als Außenminister gab, auf Grundlage eines Sideletters zwischen Kurz und Schelling, wollte Hafenecker wissen. Fleischmann stellte die Frage infrage, daraufhin riss Sobotka kurz der Faden: „Eine Nichtwahrnehmung ist auch zulässig.“ Fleischmann hatte keine Wahrnehmung dazu. Zu weiteren Fragen Richtung „Projekt Ballhausplatz“ entschlug sich Fleischmann mit Hinweis auf eine Anzeige dazu.

„Was tuast denn so oag?“

Das „Ibiza-Video“ erstmals gesehen habe er Freitagnacht, erfahren habe er erstmals davon Donnerstagabend, so Fleischmann. Kurz habe ihn Donnerstagabend angerufen, nach einem Gespräch mit dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), und er habe ihn gefragt: „Was tuast denn so oag?“ Kurz habe dann auf die Regierung mit der FPÖ verwiesen. Er habe dann mit dem damaligen FPÖ-Pressesprecher Martin Glier telefoniert. Glier habe gesagt, es werde schon nichts sein, man habe bereits einige Medienanfragen beantwortet.

Das Video habe dann eingeschlagen „wie eine Bombe“. Die „Schredder-Affäre“, bei der mehrere Festplatten unter Prellung der Rechnung zerstört wurden, bezeichnete er als „kompletten Mumpitz“, interveniert in Sachen Berichterstattung will er dazu bei Medien nicht haben, wie er angab – er habe Hintergrundgespräche geführt.

Auch Fleischmann tauschte sein Handy

Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli wollte dann Hintergründe zur Pressekonferenz von ÖVP-Abgeordneten Gabi Schwarz im Herbst 2021 wissen, bei der diese erklärt hatte, dass „nichts mehr da sei“. Kurz darauf kam es zu einigen Hausdurchsuchungen, unter anderem im Bundeskanzleramt. Fleischmann durfte sich entschlagen. Fleischmann tauschte just an dem Tag der Pressekonferenz sein Handy, die IT-Abteilung des Kanzleramts sei auf ihn zugekommen, gab die Auskunftsperson an.

Nina Tomaselli (Die Grünen)
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Tomaselli fragte Fleischmann erfolglos zu Katzian-Chats

Ohne seinen Kalender und ohne seine Daten könne er keine validen Aussagen machen, wann er wo gewesen sei, so Fleischmann, gefragt etwa nach Hintergrundgesprächen, bei denen Chats mit ÖGB-Chef Wolfgang Katzian verteilt worden sein sollen. Krainer drohte zwischenzeitlich der Vertrauensperson Ainedter mit Ausschluss, nachdem dieser wiederholt – und von allen Fraktionen moniert – unaufgefordert und damit unerlaubt mit der Auskunftsperson Kontakt aufnahm. Nur die Auskunftsperson darf die Vertrauensperson anreden, nicht umgekehrt. Schließlich wurde Ainedter doch ausgeschlossen.

NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper wollte ebenfalls mehr zu Fleischmanns Beziehungen zu den Medien wissen. Sie versuchte, die deutlich gestiegenen Inseratenbudgets zu hinterfragen, ebenso die personell verstärkte Kommunikationsabteilung. Inhaltlich ergab sich dabei wenig, Fleischmann wollte auch darauf nicht wirklich antworten. Ein Beratervertrag zwischen Wolfgang Rosam und einem Ministerium sei ihm nicht bekannt, gab Fleischmann an.