Markusplatz in Venedig
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Gegen Touristenansturm

Venedig macht Ernst mit Eintrittsgebühr

Lange wurde darüber diskutiert, jetzt ist es fix: Das „Eintrittsgeld“ für Tagestouristinnen und -touristen in Venedig kommt ab 2023. Vorgesehen ist die Onlinebuchung für alle Reisenden, die außerhalb der Region Venetien in die Stadt kommen, dort aber nicht übernachten wollen. Zwischen drei und zehn Euro soll der Eintritt kosten – wer weit im Voraus bucht, soll weniger zahlen. Ein tägliches Touristenlimit soll es nicht geben, die Zahl der Ferienwohnungen soll jedoch künftig limitiert werden.

Die Präsenz der Touristinnen und Touristen soll auch mithilfe der Mobilfunktelefone kontrolliert werden. Ziel der Gemeinde ist es, den Tourismusansturm zu regeln. An bestimmten Tagen tummeln sich über 100.000 Touristinnen und Touristen in der Lagunenstadt. Viele Einheimische sind seit Jahren über den Massentourismus in der „Serenissima“ verärgert. Das Buchungssystem soll den Ansturm besser regulieren und bereits in den nächsten Wochen getestet werden.

Auch der Preis der Karten für eine Fahrt an Bord eines Vaporetto, dem Wasserbus in der Lagunenstadt, soll für Touristen von 7,50 auf 9,50 Euro steigen, berichtete die venezianische Tageszeitung „Il Gazzettino“. Bereits in den kommenden Tagen wird laut VeneziaToday zudem das Aerobus-Ticket für Touristen von acht auf zehn Euro steigen, und auch der normale Fahrpreis in der städtischen Garage am Piazzale Roma von derzeit 26 bis 29 Euro auf 35 Euro erhöht.

Touristen in einer Gasse in Venedig
Reuters/Manuel Silvestri
In Venedigs engen Gassen tummeln sich täglich bis zu 100.000 Touristinnen und Touristen

Einnahmeverluste durch Pandemie kompensieren

Damit will die lokale Nahverkehrsgesellschaft ACTV die Einnahmenverluste der Pandemiejahre kompensieren. Das Unternehmen hatte 2019 noch Einnahmen in der Höhe von 151 Millionen Euro, 2020 jedoch nur noch 65 Millionen Euro, 2021 dann 85 Millionen Euro.

„Trotz der gefühlten Rückkehr zur Normalität haben die Einnahmen des Unternehmens aus dem Ticketverkauf noch nicht wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht“, zitiert Venezia Today Venedigs Stadtrat Michele Zuin. Zwar habe der Staat in den vergangenen zwei Jahren Mittel bereitgestellt, doch diese würden nicht ausreichen, um den wirtschaftlichen Schaden zu decken. Derzeit belaufe sich der Gesamtschaden auf 23 Millionen.

„Müssen Identität unserer Stadt bewahren“

Laut dem Bürgermeister von Venedig, Luigi Brugnaro, sei die Lagunenstadt Vorreiterin im Umgang mit innovativen Maßnahmen zur Steuerung der Touristenströme im Einklang mit der UNESCO. „Der Tourismus ist eine grundlegende Ressource für Venedig, die viele Arbeitsplätze schafft, aber die Besucherströme müssen geregelt werden, um ein Gleichgewicht zwischen den Einwohnern und den Touristen zu finden und so die Identität unserer Stadt zu bewahren“, erklärte Brugnaro.

„Venedig folgt damit dem Beispiel und der Erfahrung vieler anderer europäischer Städte, die noch strengere Vorschriften haben. Es wird kein leichter Weg sein. Wir werden allen zuhören und am Ende eine Synthese erstellen, um zu einer möglichst gemeinsamen und ausgewogenen Regelung zu gelangen“, betonte der Stadtchef.

5 Mrd. Euro Einnahmen durch Tourismus prognostiziert

Heuer soll sich der italienische Tourismus im Gesamtjahr weiterhin deutlich erholen und rund 26,4 Mrd. Euro lukrieren, was einem Anstieg von 11,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Region Venetien, in der sich neben der Lagunenstadt auch Caorle, Jesolo und Bibione befinden, liegt mit 5 Mrd. Euro (plus 12,6 Prozent gegenüber 2021) an der Spitze im Ranking der Regionen, die mit den höchsten Einnahmen durch Fremdenverkehr rechnen können, geht aus einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Demoskopika hervor.

Venedig: „Eintrittsgeld“ für Touristen

Tagestouristinnen und -touristen müssen ab 2023 eine Eintrittsgebühr für Venedig bezahlen, sofern sie nicht vorhaben, in der Lagunenstadt zu übernachten. Zwischen drei und zehn Euro soll der Eintritt via Onlinebuchung kosten – wer weit im Voraus bucht, soll weniger zahlen. Ein tägliches Touristenlimit soll es nicht geben.

Obwohl Venedig die wirtschaftlichen Folgen der wegen der Lockdowns ausbleibenden Touristinnen und Touristen deutlich zu spüren bekam, blieb die Forderung bestehen, die Touristenströme nach der Pandemie besser zu kontrollieren. Die Einnahmen, die durch die Eintrittstickets entstehen, sollen zudem nach Angaben von Bürgermeister Luigi Brugnaro vor allem in die Instandhaltung und Reinigung der historischen Stadt fließen.

„Nicht nur Disneyland für Touristen“

Während die Zahl der Touristinnen und Touristen in Venedig wieder zunimmt, sinkt die Zahl der Einheimischen allerdings weiter drastisch. Vor allem die Jugend scheint es sattzuhaben, den Touristenstrom zu erdulden, horrende Preise für Grundnahrungsmittel zu zahlen, kein Auto zu besitzen und Unsummen für eine kleine Wohnung auszugeben.

Die Folge ist, dass immer mehr Venezianerinnen und Venezianer wegziehen. Im Juli wird die Zahl unter die 50.000-Einwohner-Schwelle sinken – ein Rekordtief in der Geschichte der Stadt. Ein Viertel der Einwohnerinnen und Einwohner ist älter als 60 Jahre und die Sterberate ist beinahe dreimal so hoch wie die der Geburten.

Touristen in Venedig
Reuters/Manuel Silvestri
Nach der Pandemie kehren die Touristen in Massen nach Venedig zurück – zum Unmut mancher Einheimischer

Die Protestbewegung „Venessia.com“ fordert unter anderem Sozialwohnungen, um Jugendlichen eine Zukunft in der Stadt zu sichern. Außerdem sollten mehr Arbeitsplätze außerhalb der Tourismusbranche geschaffen werden. Venedig sei mehr als nur ein „Disneyland für Touristen“, erinnert die Organisation.

Zahl der Ferienwohnungen soll begrenzt werden

Eine weitere Forderung der Protestorganisation, eine Einschränkung bei der Zahl der Ferienwohnungen und Bed-and-Breakfast-Standorte, könnte bald vor der Umsetzung stehen. So beschloss der Gemeinderat kürzlich, dass die Stadtverwaltung Höchstgrenzen bei Kurzzeitmieten festlegen kann. Ziel sei es, langfristige Mieten und das Wohnen im Stadtkern zu fördern. Damit solle gleichzeitig das historische, kulturelle und ökologische Erbe der Stadt geschützt werden, teilte die Gemeinde mit.

Damit will die Gemeinde auch Betrieben Schranken setzen, die unzählige Wohnungen kaufen, um sie an Touristen zu vermieten. Dies vertreibe immer mehr Bewohner von den Stadtkernen, heißt es. Das Wachstum der Internetanbieter müsse in geordnete Bahnen gelenkt werden, lautet das Vorhaben der Stadtverwaltung. Das Geschäft mit der Vermietung von Ferienwohnungen beträgt in Italien laut Schätzungen 16 Mrd. Euro.