AMS-Chef Johannes Kopf
APA/Georg Hochmuth
AMS-Chef Kopf

Bei Gasstopp Hunderttausende in Kurzarbeit

Für Österreichs Arbeitsmarkt hätte ein möglicher Lieferstopp von Gas sofort beträchtliche Konsequenzen. Das sagt der Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), Johannes Kopf, am Samstag in Ö1. Bei der Reform des Arbeitslosengeldes wünscht sich Kopf eine Wartefrist für Jobsuchende.

Die Gasspeicher in Österreich füllen sich aktuell nicht so schnell wie gehofft. Die Einspeicherung sei diese Woche „merklich zurückgegangen“, hieß es zuletzt aus dem Klimaministerium von Leonore Gewessler (Grüne). Die Lage sei „ernst und angespannt“, sagte Gewessler gegenüber der Zeit im Bild. Die Regierung will dazu am Dienstag beraten, die FPÖ will schon am Montag einen Antrag zur Berufung des Nationalen Sicherheitsrates stellen.

In Deutschland gibt es zudem bereits Aufrufe zum Energiesparen. Der Präsident der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, fürchtet einen Totalausfall russischer Gaslieferungen: Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline „Nord Stream 1“ „eine länger andauernde politische Wartung wird“, sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag-Ausgabe).

Hamburg will bei einem möglichen Gasmangel Warmwasser rationieren und die Raumtemperatur begrenzen. Auch die Schweiz erwägt ähnliche Schritte, sollte das Gas ausbleiben.

Ernste Lage um Gassituation

In Österreich kann derzeit weniger Gas eingespeichert werden, als geplant. Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) spricht von einer ernsten Lage. Die FPÖ beruft dazu den nationalen Sicherheitsrat ein.

Große wirtschaftliche Folgen

Auch auf den Arbeitsmarkt hätte ein solcher Lieferstopp dramatische Auswirkungen bis hin zur Rezession. AMS-Chef Kopf rechnete am Samstag im Ö1-„Journal zu Gast“ in diesem Fall mit einem deutlichen Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit. „Also ganz ehrlich, würde das Gas nicht fließen, haben wir gleich mehrere hunderttausend Personen in Kurzarbeit“, so Kopf.

„Aber natürlich rechnen wir dann auch mit steigender Arbeitslosigkeit und mit einem sofortigen Einbruch auch in anderen Branchen, ja. Wir glauben gar nicht, wie viel von diesem Gas abhängt, von der Energie, und wir haben ja dann möglicherweise auch ein Stromproblem.“

Im Gegensatz zur „Corona-Kurzarbeit vor zwei Jahren“ sei das AMS nun aber besser vorbereitet. Man habe nun die passende EDV und genug Know-how. „Damals hatte ich österreichweit 20 Leute, die gewusst haben, was Kurzarbeit ist und das auch konnten. Jetzt habe ich 1.000 Leute, die wissen, wie man mit Kurzarbeit umgeht.“

Noch „gigantisches Wirtschaftswachstum“

Derzeit habe man aber mit 2,5 Prozent im Quartal noch „ein gigantisches Wirtschaftswachstum“, sagte Kopf. Hunderttausende Stellen seien unbesetzt, der Personalmangel ist vor allem in der Tourismusbranche hoch. Wenn ihn jemand frage, wo die ganzen Arbeitssuchenden abgeblieben seien, antworte er: „Sie arbeiten.“

Die Anzahl der 141.000 dem AMS gemeldeten offenen Stellen sei groß, insgesamt seien es aber noch viel mehr. Lange habe man erlebt, dass die Unternehmen sich die Bewerberinnen und Bewerber aussuchen konnten, nun sei es umgekehrt. Jetzt könnten die Jobanwärter höhere Ansprüche stellen an den Wunschjob, sie seien wegen des großen Stellenangebots nicht mehr angewiesen auf schlechte Begleiterscheinungen eines Jobs, etwa die Art der Unterbringung in Tourismusjobs und mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Die Frage, ob der Tourismus in der aktuellen Situation zu schlecht zahle, bejahte der AMS-Chef. Zudem stellten gerade die Jungen verstärkt die Sinnfrage – die Beschäftigungsprobleme im Fremdenverkehr erläuterte auch die designierte Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) am Freitag in der ZIB2.

Staatssekretärin Kraus-Winkler zur Personalnot im Tourismus

Susanne Kraus-Winkler, Staatssekretärin für Tourismus, ÖVP, über die Personalnot in Tourismus und Gastronomie zu Beginn der Urlaubssaison.

Für Wartefrist bei Arbeitslosengeld

Wie das Arbeitslosengeld künftig gestaltet wird, ist derzeit offen. Die von ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher angekündigte Reform wurde kürzlich auf den Herbst verschoben. Auf dem Tisch liegen Pläne für ein degressives Modell, bei dem die Zahlungen mit der Zeit niedriger ausfallen. Anfangs soll das Arbeitslosengeld aber höher sein. Wie das finanziert werden soll, darüber gab es noch keinen Konsens zwischen ÖVP und Grünen. Für die Finanzierung unterstützt Kopf den Vorschlag einer Wartefrist: Dann sollen Jobsuchende am Anfang kein Geld bekommen.

„Die Rede ist von, ich glaube, zwei Wochen oder zehn Tagen am Anfang sozusagen.“ Das spare natürlich Geld und „scheint mir sehr klug, weil wir in der Arbeitslosenversicherung noch ein Thema haben, und das ist das Thema der, würde ich sagen, überschießenden Saisonarbeitslosigkeit“, so Kopf.

Es würden etwa über 20.000 Personen am Ende der Weihnachtsferien arbeitslos gemeldet und kurz darauf, zu Beginn der Semesterferien, wieder eingestellt. Die Kosten für diese Überbrückung würden der gesamten Versichertengemeinschaft umgehängt, so Kopf. „Eine solche Wartefrist hätte natürlich Effekte, dass die Leute dann einfach dem Chef sagen – Chef, das geht nicht mehr. Ich kriege da kein Geld, du musst mich durchgängig beschäftigen, sonst gehe ich woanders hin, zu einem Betrieb, der das macht. Deswegen erscheint mir die Idee interessant und durchaus diskutierenswert.“ Die Höhe des Arbeitslosengeldes – zurzeit bekommt man 55 Prozent des letzten Gehalts – müsse aber nicht sinken, so Kopf.

Die FPÖ reagierte ablehnend auf Kopfs Erwägung. Es brauche keine Wartefrist, sondern eine „sofortige Erhöhung“, so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch per Aussendung. Bei der Wartefrist handle es sich angesichts der Teuerung um „Ideen aus dem sozialen Eiskasten, die nur noch mehr Bürger in die Armut treiben“.