Patient während einer Computertomographie
APA/Helmut Fohringer
„Patientenmilliarde“

Empörte Reaktionen nach RH-Bericht

Aus neun mach eins: Die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sollte auf allen Ebenen Verbesserungen bringen. Die damalige Koalition aus ÖVP und FPÖ versprach eine „Patientenmilliarde“, allein durch „Sparen im System“. Der Rechnungshof (RH) findet laut „profil“ allerdings Mehrkosten statt der Milliarde. Opposition und Ärzteschaft sind empört.

Gleiche Leistung für dasselbe Geld, dafür eine schlanke und effiziente Verwaltung. Was da eingespart werde, belaufe sich bis 2023 auf eine Milliarde Euro, so das Versprechen des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) im Jahr 2018. Diese Milliarde solle den Patientinnen und Patienten in Form eines besseren Angebots zugutekommen.

Die Reform sah unter anderem vor, die neun Gebietskrankenkassen der Bundesländer zur ÖGK zu fusionieren. Zudem wurden die Kassen der Selbstständigen und der Bauern zur SVS zusammengelegt, jene der Beamten und der Eisenbahner zur BVAEB. Schon mit der Verkündigung zweifelten Opposition, Ökonomen und Ärzteschaft daran, dass sich so viel Geld einsparen ließe. Seither sorgte jede Zwischenbilanz für Aufregung, denn die Aussichten auf die „Patientenmilliarde“ schwanden zusehends. Die Ärztekammer sah „eine sündteure Marketingaktion“, die SPÖ einen „Pfusch“, NEOS sprach gar von „einer riesengroßen Lüge“ der damaligen Regierung. Diese wiederum konterte, das sei Panikmache.

Hohe Kosten statt „Patientenmilliarde“

Die Zusammenlegung der Krankenkassen war ein Leuchtturmprojekt der türkis-blauen Regierung, das als „Patientenmilliarde“ verkauft wurde und Einsparungen bringen sollte. Nun zeigt ein Rohbericht des Rechnungshofs, dass daraus Mehrkosten von rund 215 Millionen Euro entstanden sind.

Mehraufwand von 215 Mio.

Nun aber scheint der Rechnungshof die Kritik zu bestätigen. Laut einem Rohbericht existiert die „Patientenmilliarde“ nicht, dafür habe sich ein Mehraufwand von 214,95 Mio. Euro ergeben, so der Rechnungshof laut dem Nachrichtenmagazin „profil“. Die Prüfer verglichen die tatsächlichen Verwaltungskosten und die Prognosen für das Jahr 2023, die aus Februar 2022 stammen, mit den damaligen Einsparungszielen. Das Soll wurde dabei um 1,21 Milliarden gesprengt. Aus Sicht des Rechnungshofs war das Ziel von ÖVP und FPÖ 2018 aber ohnehin unrealistisch: Die damalige Regierung habe zwar mit Fusionskosten gerechnet, diese aber nicht beziffert. Außerdem habe sich der Personalstand der fusionierten Krankenkassen nicht verringert, sondern leicht erhöht.

Ärztekammer sieht „Scherbenhaufen“

„Was wir längst gewusst haben, hat wie medial kolportiert nun der Rechnungshof bestätigt: Statt der versprochenen ‚Patientenmilliarde‘ gab es nur Mehrkosten“, reagierte Johannes Steinhart, Präsident der Ärztekammer, empört. „Es war uns längst klar, dass es sich bei diesen Versprechungen maximal um Wunschdenken gehandelt haben kann. Jetzt können wir wohl endgültig dieses Märchenbuch schließen.“ Entweder sei man belogen worden, oder das Management habe versagt. Nun müsse „der Scherbenhaufen“ aufgeräumt werden, so Steinhart. Er forderte eine Rückgabe der Kompetenzen an die Landesstellen und deutliche Finanzspritzen für die Gesundheitskasse.

Pressekonferenz zur Sozialversicherungsreform 2018
APA/Herbert Neubauer
Vorstellung der Reform 2018: ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache (ÖVP) und Hartinger-Klein

SPÖ warnt vor Einschnitten

Die SPÖ sprach am Samstag von einem entlarvten „Schmäh“. Sozialsprecher Josef Muchitsch und Gesundheitssprecher Philip Kucher warnten zudem vor Konsequenzen für die Versicherten, drohten nun „massive Einschnitte und Kürzungen von Gesundheitsleistungen“.

NEOS sah in dem Projekt eine „Ruine“ statt eines „Leuchtturms“. Statt Verbesserungen gäbe es eine Dreiklassengesellschaft der Versicherten, so Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. Die BVAEB biete ausgezeichnete Leistungen, die ÖGK hingegen „die Holzklasse“, so Loacker, der den aktuellen Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zu Taten aufforderte.

Die FPÖ meldete sich am Samstag vorerst nicht mit einer Aussendung zu Wort. Vergangenes Jahr ortete Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak die Schuld für die fehlende finanzielle Besserstellung bei der Regierung von ÖVP und Grünen. Die „Patientenmilliarde“ sei von der FPÖ initiiert worden, das Geld, das damals hätte freiwerden sollen, sei unter ÖVP und Grünen „verpufft“.