Abgeordnete bei einer Abstimmung im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates
APA/Roland Schlager
Nationalrat

Wichtige Beschlüsse vor Sommerpause

Vor der Sommerpause stehen im Nationalrat drei intensive Tage mit zahlreichen, teils grundlegenden Beschlüssen an. So werden die Pflegereform und das neue Parteiengesetz genauso beschlossen wie das sofortige Aus für die Impfpflicht und das langfristige Aus für Vollspaltböden in der Schweinemast. Dazu kommen mehr Rechte für Radfahrerinnen und -fahrer, mehr Geld für Kindergärten und die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nötige Reparatur der Kinderbeihilfe. Und die Budgetgesetze werden angepasst.

Konkret geht es bei Letzterem darum, die bereits beschlossenen Antiteuerungsmaßnahmen jetzt ins Budget einzupreisen, also die Budgetgesetze entsprechend anzupassen. Konkret entfallen 6,5 Mrd. Euro des Gesamtpakets auf kurzfristige Maßnahmen, die hauptsächlich das Jahr 2022 betreffen. In einem Abänderungsantrag werden Maßnahmen mit einem Volumen von 3,7 Milliarden berücksichtigt. Die weiteren kurzfristigen Maßnahmen des Entlastungspakets bedürfen entweder keiner Änderung, um die budgetäre Bedeckung sicherzustellen, oder wirken sich erst kommendes Jahr aus.

Beschlossen wird auch eine Vereinfachung der bestehenden finanziellen Regelungen zum Covid-19-Krisenbewältigungsfonds, wobei die bisher geltende finanzielle Begrenzung fällt.

Geld für energieintensive Betriebe

Der Wirtschaftsminister erhält die Möglichkeit, als Förderung für energieintensive Betriebe insgesamt 450 Millionen Euro bis Ende kommenden Jahres auszuschütten. Konkret können Anteile von Mehraufwendungen für den Verbrauch von Treibstoffen, Strom und Gas mit bis zu 400.000 Euro pro Betrieb gefördert werden. Bei gestiegenen Ausgaben für Strom und Erdgas sind abhängig von der Betroffenheit und Branche auch höhere Zuschüsse möglich. Die Regelung gilt bis zum kommenden Jahr, Anträge müssen noch heuer gestellt werden.

Mehr Geld für Sicherung der Gasversorgung

Zudem erhält die Infrastrukturministerin die Möglichkeit, bis Ende kommenden Jahres im Einvernehmen mit dem Finanzminister auf zusätzliche Budgetmittel zur Sicherung der heimischen Gasversorgung zugreifen zu können. Bisher stehen 100 Millionen zur Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung der Bezugsquellen zur Verfügung. Das dürfte nach Einschätzung der Koalition nicht ausreichen.

Das Abgabenänderungsgesetz erstreckt sich von der Verlängerung des erhöhten Jahressechstels bei Kurzarbeit bis zu Steuerbefreiungen bei internationalen Bahntickets. Bei Wochen-, Monats- und Jahresnetzkarten für den öffentlichen Verkehr, die sowohl für betrieblich veranlasste als auch private Fahrten genutzt werden können, sollen künftig 50 Prozent der Ausgaben pauschal als Betriebsausgaben abgesetzt werden können.

Kleine PV-Anlagen künftig einkommenssteuerbefreit

Zudem sollen kleinere Photovoltaikanlagen von höchstens 12.500 kWh künftig von der Einkommensteuer befreit werden. Bei der Forschungsprämie kommt es zur Neuregelung der Bemessungsgrundlage und der Antragsstellung, was zu einer rascheren Abwicklung führen soll.

Arbeitsmarkt: Erleichterungen für Saisonniers

Der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt wird an zwei Stellen erleichtert: Einerseits wird es für Fachkräfte von außerhalb der EU leichter, die Rot-Weiß-Rot-Karte zu bekommen. So wird künftig eine Mindestentlohnung von 50 Prozent der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (statt 60 Prozent) ausreichend sein, um Zugang zu dem Dokument zu erhalten.

Außerdem wird die Mindestentlohnung für Absolventen heimischer Universitäten und Fachhochschulen gänzlich beseitigt. Weiters werden Englischkenntnisse Deutschkenntnissen gleichgestellt, sofern die Unternehmenssprache Englisch ist.

Für registrierte Stammsaisonniers wird ein dauerhafter Arbeitsmarktzugang geschaffen. Voraussetzung ist, dass die Saisonarbeitskräfte zumindest zwei Jahre lang jeweils mehr als sieben Monate in Tourismusbetrieben oder in der Landwirtschaft Saisonarbeit geleistet haben, und das ungeachtet ihres Alters oder ihrer Qualifikation. Voraussetzung sind ausreichende Deutschkenntnisse auf A2-Niveau und das Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrags.

Erster Teil der Pflegereform

Der erste Teil des von der Regierung geplanten Pflegepakets wird umgesetzt. Wer eine nahe Angehörige in häuslicher Umgebung pflegt und deshalb seinen Job aufgegeben hat bzw. als pflegender Angehöriger versichert ist, soll ab 2023 einen Bonus von 1.500 Euro pro Jahr erhalten. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld zumindest in Stufe vier.

Mit dem Pflegeausbildungszweckzuschussgesetz werden die Rahmenbedingungen für finanzielle Zuschüsse des Bundes für die Ausbildung und Gehaltserhöhungen geregelt. Und erweitert werden zudem die Einsatzgebiete für Pflegassistentinnen bzw. Pflegefachassistentinnen.

Mehr Rechte für Radler und Fußgänger

Eine Novelle der Straßenverkehrsordnung soll vor allem Verbesserungen für Radfahrer und Fußgänger bringen. So wird für Radler etwa Rechtsabbiegen bei roter Ampel möglich, wenn eine Zusatztafel angebracht ist. Zudem dürfen Radfahrer in Tempo-30-Zonen künftig nebeneinander fahren, neben einem Kind unter zwölf wird es überall möglich sein. Dazu kommt ein weitgehendes Verbot des Vorbeifahrens an in der Haltestelle stehenden Straßenbahnen – mehr dazu in Radfahren gegen Einbahn kommt doch nicht.

Mehr Schutz für Nutztiere

Die umstrittenen Vollspaltenböden bei Schweinen werden verboten, endgültig allerdings erst mit 2040. Bereits ab kommendem Jahr sind sie bei Neu- und Umbauten untersagt. Weiters in dem Paket enthalten ist etwa das endgültige Verbot des Schredderns von Kücken. Bei Tiertransporten sind Verschärfungen vorgesehen, etwa durch strengere Bestimmungen, höhere Strafen und kürzere Transportzeiten. Der Transport von Kälbern wird erst ab einem Alter von drei bzw. vier Wochen gestattet. Rinder sollen mehr Bewegungsfreiheit erhalten.

Impfpflicht wird abgeschafft

Die erst mit Februar eingeführte Impfpflicht wird wieder aufgehoben. Zuletzt war sie bereits ausgesetzt. Bußen gab es ohnehin nie, da die Pflicht nur in ihrer Einführungsphase wirksam gewesen war, in der keine Strafen verhängt wurden. Die Verpflichtung galt für Personen ab 18. Ursprünglich waren Sanktionen zwischen 600 und 3.600 Euro vorgesehen gewesen – mehr dazu in Impfpflicht wird abgeschafft.

Schärfere Regeln für Parteien

Beschlossen wird – nach langen Verhandlungen – auch das Parteiengesetz, nachdem die SPÖ im Ausschuss dafür stimmte. Demzufolge soll der Rechnungshof künftig bei einem „begründeten Verdacht“ auf Verletzung des Parteiengesetzes diesem selbst nachgehen dürfen. Die Spitze des Rechnungshofs wird ab dem nächsten Mal nach einem öffentlichen Hearing vom Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit bestimmt, womit also auch ein wesentlicher Teil der Opposition bei der Auswahl mit an Bord sein muss.

Weitere Beschlüsse und Programmpunkte in dem dreitägigen Marathon:

  • Einmalig 500 Mio. Euro gibt es für die Länder zum Abfedern von Pandemiefolgen.
  • Feuerwehren erhalten künftig jährlich 20 Mio. Euro aus dem Katastrophenfonds zur Anschaffung neuer Ausrüstung.
  • Die EU-rechtswidrige Indexierung der Familienbeihilfe wird aufgehoben und die Weichen für die nötiggewordenen Nachzahlungen gestellt.
  • Mit einer Dienstrechtsnovelle soll der Quereinstieg in den Lehrerberuf erleichtert werden. Dazu gibt es weitere Änderungen, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken, etwa Unterrichtsentgelt für Lehramtsstudenten.
  • Die Kostensätze in der Grundversorgung für Flüchtlinge werden erhöht.

Anträge der Opposition

Dazu kommen mehrere Anträge der Opposition. Die FPÖ bringt einen Misstrauensantrag gegen Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) sowie einen zu einer grundsätzlichen Neuaufstellung der Unifinanzierung ein, die SPÖ will unter anderem Studierende entlasten und bringt eine „Dringliche“ in Sachen Teuerung ein. Beide Parteien bringen Anträge auf eine Verkürzung der Legislaturperiode – also de facto Neuwahlanträge – ein.

Gleich am Mittwoch wird auch das Volksbegehren „Kauf Regional“, das von gut 146.000 Menschen unterfertigt wurde, behandelt. Unter den bisher 66 Volksbegehren nimmt es Rang 46 ein.