Regierungsinserate: Wenig Plan, „Parteipolitik“ oft Motiv

Die Ausgaben der Bundesregierung für Inserate in den heimischen Tageszeitungen und deren Onlineportalen ist 2021 ohne erkennbare, koordinierte Strategie erfolgt. Einer Studie des Medienhauses Wien zufolge verstärke sich viel mehr der Eindruck einer „Kakophonie der Kommunikation nach jeweils beliebigem, persönlichem und parteipolitischem Befinden“. Profiteure der Inseratenpolitik seien Gratisblätter, während Geschäftsmodelle von Abonnement- und Kaufzeitungen abgewertet werden.

8,2 Mio. Euro für „Medienkooperationen“

Die Bundesregierung gab im Vorjahr rund 28,2 Mio. Euro für „Medienkooperationen“ bei österreichischen Tageszeitungen im Print- und Onlinebereich aus. Das entspricht dem zweithöchsten Wert seit Beginn der Meldepflicht von Inseratenausgaben über 5.000 Euro in periodischen Medien. Die höchsten Inseratenumsätze erzielten mit etwa 7,1 Mio. Euro die „Kronen Zeitung“, gefolgt von „Österreich"/"oe24“ und „Heute“ mit je rund 4,7 Mio. Euro.

Auf die drei Boulevardblätter entfielen damit in etwa sechs von zehn auf diesem Weg investierte Euro und damit etwas mehr als noch 2020, ist der mit „Scheinbar transparent III“ betitelten Studie von Andy Kaltenbrunner zu entnehmen. 23 Prozent verteilen sich auf die sieben tagesaktuellen Bundesländerzeitungen, elf Prozent auf den „Standard“ gemeinsam mit der „Presse“ und sieben Prozent auf den „Kurier“.

Fokus auf Kontakt mit „Österreich“-Leserschaft

Stellt man die durchschnittliche Leserzahl der Tageszeitungen laut Media-Analyse den Gesamtausgaben der Bundesregierung für die unterschiedlichen Titel gegenüber, zeigt sich, dass der durchschnittliche Kontakt mit einer Leserin oder einem Leser im Vorjahr 4,12 Euro kostete. Der Kontakt zur Leserschaft von „Österreich"/"oe24“ war der Regierung mit 8,30 Euro besonders viel wert. Mit Respektabstand folgen „Heute“ mit 5,93 Euro und die „Presse“ mit 5,10 Euro. Besonders wenig pro Kopf gingen an die „Kleine Zeitung“ (3,08 Euro), die „Oberösterreichischen Nachrichten“ (2,37 Euro) und den „Standard“ (2,20 Euro). Kaltenbrunner sprach von einer „unverhältnismäßigen und erklärungsbedürftigen Verteilung“.

Streuung der Inserate nach Ressorts unterschiedlich

Die Streuung der Inseratenschaltungen erfolgte nach Ressorts sehr unterschiedlich. In den meisten war die „Kronen Zeitung“ als Marktführer das meistgebuchte Verlagshaus. In manchen ÖVP-geführten Ressorts wurde in besonders hohem Ausmaß auch in den Gratiszeitungen „Österreich“ und „Heute“ inseriert. So gingen im Innenministerium und Landwirtschaftsministerium rund 90 Prozent aller Ausgaben für Zeitungsinserate in den Boulevardsektor. Vom Bildungsministerium floss der größte Brocken dagegen an den „Standard“. Ebenso ist das der Fall im von den Grünen geführten Umwelt- und Klimaministerium, das seine Informationen sehr breit streute, aber insgesamt lediglich sechs Prozent der Bundesregierungsausgaben stemmte.

Förderung von Gratisblättern, Kaufzeitungen benachteiligt

Anfang 2021 wurde vom Bundeskanzleramt eine Formel für Regierungsinseratenvergabe beschrieben. Laut dieser werden Druckauflagezahlen und Leserzahlen gleich stark berücksichtigt. Eine solche Formel führte bei Inseratenvergabe zu einer Förderung von Gratiszeitungen und deren Vertriebsmodell, und sie benachteiligt Kaufzeitungen mit deren zielgerichteter Erreichung von Lesern und Abonnentinnen, so Kaltenbrunner. In den meisten Ministerien sei diese Formel aber ohnehin ignoriert worden.

„Inhaltliche Ziele der Ministerien ungeklärt“

„Ohne Vorlage von qualitativen und quantitativen Kommunikationsberichten bleibt weiterhin ungeklärt, mit welchen inhaltlichen Zielen Ministerien in den jeweiligen Kampagnen und mit welchen medienpolitischen und marktregulatorischen Absichten die Bundesregierung insgesamt ihre sogenannten ‚Medienkooperationen‘ tätigt“, schreibt der Medienhaus-Wien-Geschäftsführer. Zudem täusche die Medientransparenzdatenbank der RTR Transparenz nur vor. Die tatsächlichen Inseratenausgaben inkl. nicht meldepflichtiger Buchungen dürften 30 bis 40 Prozent höher sein.

Eine Lehre aus der Inseratenaffäre habe die Regierung „noch nicht gezogen“, meinte Kaltenbrunner. Sinnvoll wäre es, eine klare Trennung von Informationstätigkeit und Medienförderung einzuziehen, wobei Letztere höher und Erstere niedriger ausfallen könnte, regte der Medienforscher an.