Impfstoff
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CoV

Die beste Strategie für die nächste Impfung

Viele von denen, die bereits mehrfach CoV-geimpft sind, überlegen angesichts der aktuellen Welle derzeit, wie sie weitermachen sollen: eine vierte Impfung noch im Sommer und vor dem Urlaub – oder doch warten bis zum Herbst auf einen adaptierten Impfstoff, der besser auf die aktuellen CoV-Varianten abgestimmt ist? Ursula Wiedermann-Schmidt vom Nationalen Impfgremium (NIG) betont, das müsse man nach Personengruppen „genau auseinanderdividieren“.

Der Andrang auf die vierte Impfung hat zuletzt spürbar zugenommen, auch wenn sie derzeit – außer für spezifische Gruppen – nicht empfohlen ist. Die Stadt Wien stockte wegen langer Wartezeiten sogar ihre Kapazitäten auf – mehr dazu in wien.ORF.at. Andererseits sollten im Herbst – bestenfalls schon im September, möglicherweise aber auch erst Ende Oktober – bivalente Impfstoffe, die also gegen zwei Varianten des Coronavirus immunisieren, verfügbar sein.

Diese sollten nach bisherigen Studienergebnissen besser als die bisherigen Monoimpfstoffe schützen. Wenn sie allerdings erst relativ spät im Herbst auf den Markt kommen sollten, könnte sich die nächste CoV-Welle mit neuen Varianten stärker ausbreiten.

Dritten Stich jetzt nachholen

Angesichts dieser Ausgangslage rät Wiedermann-Schmidt im Interview mit ORF.at vor allem all jenen, die sich bisher nur zweimal impfen ließen, sich jetzt jedenfalls eine dritte Impfung zu holen. Für diese Gruppe sieht die Expertin ein relativ großes Risiko, da die Schutzwirkung nach längerer Zeit deutlich nachlasse. Und wenn diese dann bis Ende Oktober warten müssten, sei die Gefahr, bei einer Infektion schwer zu erkranken, deutlich höher. Mit einer etwaigen vierten Impfung mit einem Variantenimpfstoff im Herbst ginge sich das mit dem nötigen zeitlichen Abstand von drei bis vier Monaten gut aus.

Hintergrund: Die Gruppe jener, die nur zweimal geimpft wurden, ist mit rund 1,6 Millionen Menschen relativ groß. Als grundimmunisiert gilt man derzeit nur mit drei Impfungen.

Vom Immunsystem abhängig

Generell betont Wiedermann-Schmidt, man müsse „genau auseinanderdividieren, wer was macht“. Sie verweist dabei auf die aktuellen Empfehlungen des NIG, dem sie selbst angehört. Eine vierte Impfung wird demzufolge bereits jetzt mit dem Monoimpfstoff für Menschen ab 65 empfohlen. Ab diesem Alter werde das Immunsystem generell schwächer, begründet die Expertin diese Empfehlung.

Ausdrücklich empfohlen wird eine vierte Impfung derzeit auch Angehörigen von vulnerablen Gruppen. Für sie ist es wegen ihres ohnehin geschwächten Immunsystems besonders wichtig, eine Infektion zu vermeiden oder zumindest gegen einen schweren Verlauf bestmöglich geschützt zu sein.

Auf persönlichen Wunsch ist die Auffrischungsimpfung derzeit für alle Personen ab zwölf Jahren vier Monate nach der Drittimpfung möglich, geraten wird zu einem Abstand von sechs Monaten.

Die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Vakzinologie, Ursula Wiedermann-Schmidt
ORF/Roman Zach-Kiesling
Wiedermann-Schmidt rät allen, die das noch nicht getan haben, die Grundimmunisierung mit einem dritten Stich abzuschließen

Bivalente Impfstoffe in Zulassung

Zwei bivalente Impfstoffe – sie bauen auf zwei unterschiedlichen Covid-Stämmen auf, nicht nur auf einem wie derzeit jene von Biontech und Moderna – sind bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bereits im Zulassungsverfahren. Studien würden zeigen, dass die Zahl der neutralisierenden Antikörper deutlich steigt, so Wiedermann-Schmidt. Neben solchen Immunogenitätsstudien, die die Immunantwort messen, wird vor der Zulassung eines angepassten Impfstoffes auch die Verträglichkeit getestet.

Wie hoch der Schutz vor einer Infektion oder einem schweren Krankheitsverlauf ist, sei nicht Teil eines solchen Zulassungsverfahrens, so Wiedermann-Schmidt. Einfach weil es viel zu lange dauern würde und man im Wettlauf mit dem mutierenden Virus noch mehr ins Hintertreffen gerate.

Für die geplanten Impfkampagnen der EU-Mitgliedsstaaten für den Herbst könnten laut Auskunft der EMA vom Donnerstag diese angepassten bivalenten Vakzine trotzdem zu spät kommen. Die EMA ließ daher eine Präferenz für Impfstoffe durchblicken, die auf Basis der Omikron-Variante BA.1 entwickelt wurden, die im vergangenen Winter zu einem gravierenden Anstieg der Infektionen geführt hatte.

Zunächst als Booster

Erst vor wenigen Tagen fanden Beratungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit führenden Zulassungsbehörden – allen voran mit der EMA und ihrem US-Pendant FDA – über die Weiterentwicklung von Covid-Impfstoffen statt. Auch dort wurde auf erste Daten verwiesen, die auf eine erhöhte Wirkung von bivalenten Impfstoffen, sofern sie auch einen Omikron-Stamm enthalten, hindeuten. Klar sei, dass bivalente Impfstoffe zunächst nur als Auffrischungsimpfungen eingesetzt werden sollen. Wenn ausführlichere Studien über die Wirkung vorlägen, könne man auch überlegen, sie als Erstimpfung zu verwenden.

In Zukunft vielleicht „klassische Herbstimpfung“

Gefragt, wie sich der Umgang mit dem Coronavirus langfristig entwickeln werde, betont Wiedermann-Schmidt gegenüber ORF.at, das hänge ganz davon ab, wie sich das Virus entwickle. Wenn es sich abmildere, sodass eine Erkrankung mit einem grippalen Infekt vergleichbar sei, brauche es gar keine Impfung. Sie rechnet selbst aber damit, dass es immer wieder auch schwere Varianten geben wird. Die Zukunft könnte eine Art „klassische Herbstimpfung“ sein, wenn wetterbedingt auch die Anfälligkeit für die Krankheit steige. Eine Impfung könnte aber dann möglicherweise nur nötig sein, wenn es in einem Jahr eine aggressivere Variante gebe.